Erstellt am 16 Aug 2015 01:25 - Zuletzt geändert: 17 Aug 2018 20:46
Seltene Erkrankungen
Seltene Erkrankungen können so selten sein, dass sie als singuläre Erkrankungen und entsprechend als außergewöhnliche Einzelfälle betrachtet werden sollten.
Häufig handelt es sich bei so genannten seltenen Erkrankungen um Krankheitsbilder, die - gerade aufgrund ihrer relativen Seltenheit und damit verbundener Probleme - in der sozialmedizinischen Begutachtungspraxis sehr häufig vertreten sind.
Trotz der relativen Seltenheit und damit einhergehender Schwierigkeiten bei Diagnosenstellung und Behandlung sind viele seltene Erkrankungen in der Gesamtbevölkerung, wenn man die absoluten Zahl aller Betroffenen nimmt, mitunter durchaus im fünfstelligen Bereich zu zählen, so dass die Gesamtzahl der jeweils Betroffenen in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland zwischen wenigen Hundert und mehr als 10.000 liegt. Zu den "seltenen" Erkrankungen, die in der Gesamtbevölkerung durchaus viele Menschen betreffen, gehören z.B. viele Krebserkrankungen.
Kennzeichnend für seltene Erkrankungen ist, dass sie allesamt in der Mehrzahl der normalen Arztpraxen niemals gesehen oder behandelt werden, weil sie dafür in der Bevölkerung "zu dünn verteilt" sind.
Aus diesem Grunde fehlt es bei den seltenen Erkrankungen an entsprechender medizinischer Erfahrung und Expertise im Rahmen der Regelversorgung.
Zu vielen konkreten Fragen bezüglich der Diagnostik und Behandlung der seltenen Erkrankungen existieren keine Antworten, die sich auf wissenschaftliche Evidenz aus guten Studien stützen könnten. Selbst bei mehreren Tausend Betroffenen in der Bundesrepublik erweist sich die Durchführung randomisierter kontrollierter Studien als sehr aufwändig und oft nicht finanzierbar; zudem wäre ein Durchführung entsprechender Studien zur Klärung mehrerer gleichzeitig offener Fragen zur Behandlung oder Diagnostik bei Einschluss ein- und derselben Personen in mehreren Studien oftmals aus methodischen Gründen nicht statthaft.
Sozialrecht
Vor diesem Hintergrund hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in seiner Verfahrensordnung
(VerfO 2. Kapitel, 4. Abschnitt, §13) festgehalten, dass "es bei seltenen Erkrankungen, bei Methoden ohne vorhandene Alternative oder aus anderen Gründen unmöglich oder unangemessen sein [kann], Studien der höchsten Evidenzstufen durchzuführen oder zu fordern. In solchen Konstellationen kann zur Anerkennung des Nutzens auf Erkenntnisse auch deutlich niedriger Evidenzstufen zurückgegriffen werden."
Weiter enthält die Verfahrensordnung die Angabe, dass in solchen Fällen die Ermittlung des gegenwärtigen Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf dessen Berücksichtigung die Patientinnen und Patienten bei ihrer Behandlung gemäß SGB V Anspruch haben, durch eine schriftliche und/oder mündliche Expertenanhörung möglich ist.
Von der Europäischen Kommission, dem französischen nationalen Institut "INSERM" (Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale) und dem französischen Gesundheitsministerium (Direction Générale de la Santé) gemeinsam wird im Internet eine Datenbank seltener Erkrankungen unter dem Titel "OrphaNet" als Referenz-Portal bereitgestellt. Der jeweilige Orphanet-Vorsitzende war bis März 2014 auch zugleich Vorsitzender des "European Union Committee of Experts on Rare Diseases (EUCERD)". EUCERD wurde im März 2014 durch eine "Commission expert group on rare diseases" abgelöst, die aber ebenfalls die Unterstützung von Registerdatenbanken zur Erfassung seltener Erkrankungen in ihrem Programm hat.
Seit 2011 existiert neben einer deutschen Version der Orphanet-Datenbank auch ein "Team Orphanet Deutschland" an der Medizinischen Hochschule Hannover, das vom Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) eine Startförderung über drei Jahre erhielt.
In der OrphaNet-Datenbank der "seltenen Erkrankungen" finden sich praktisch alle bekannten Malignome ebenso aufgeführt wie eine Vielzahl genetisch bedingter Krankheiten oder Auffälligkeiten, deren Krankheitswert zum Teil nicht anhand wissenschaftlicher Fakten beurteilbar ist; es finden sich dort auch Krankheiten, über deren tatsächliche Häufigkeit höchst widersprüchliche Angaben in der Literatur zu finden sind wie z.B. das Lipödem.
Außerhalb Europas wird in den USA eine weitere Datenbank seltener Erkrankungen von der NORD — National Organization for Rare Disorders betrieben; die RARE-Datenbank. Die Definitonen, ab wann eine Erkrankung als selten einzustufen ist, sind in der OrphaNet-Datenbank und der RARE-Datenbank nicht identisch.
Neben der deutschen Version der Orphanet-Datenbank existiert auch eine nicht-staatliche Sammlung von Informationen zu seltenen Erkrankungen bei der Organisation ACHSE – Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen.
Die ACHSE ist gemeinsam mit Orphanet beteiligt an dem Projekt Kartierung von Versorgungseinrichtungen für Menschen mit Seltenen Erkrankungen. Dieses Projekt wird gemeinsam getragen von ACHSE, Orphanet Deutschland, dem Zentrum für Seltene Erkrankungen Tübingen und dem Referenzzentrum für Seltene Erkrankungen Frankfurt.
- Akromegalie
- Alkaptonurie
- Amyotrophe Lateralsklerose
- Antikörper-assoziierte Encephalitis
- Antikörper-assoziierte Neuropathie
- Antisynthetase-Syndrom
- Beckwith-Wiedemann-Syndrom (BWS)
- Dermatomyositis
- Diamond-Blackfan-Anämie
- Duchenne Muskeldystrophie (DMD)
- Ependymom
- Epidermolysis Bullosa
- Gastrointestinale Stromatumoren (GIST)
- Hereditäre Ataxie
- Hereditäre Sensomotorische Neuropathien (HMSN)
- Hypereosinophilie Syndrom (HES)
- Hyper-IgE-Syndrom (HIES)
- Hypokaliämische Periodische Paralyse (HypoPP)
- Ionenkanalerkrankungen
- Juvenile Dermatomyositis
- Juvenile Granulosazelltumore
- Konjunktivales Plattenepithelkarzinom
- Langerhanszell Histiozytose
- Li Fraumeni Syndrom
- Lipödem
- Lipomatosis dolorosa, Morbus Dercum
- Lupus erythematodes, systemischer (SLE)
- Maligne Hyperthermie
- Mastozytose
- MEN-Syndrom (multiple endokrine Neoplasie)
- Mikrodeletionssyndrom 15q13.3
- Mikrodeletionssyndrome
- Morbus Castleman
- Morbus Hailey-Hailey - Pemphigus chronicus benignus familiaris
- Morbus Ormond
- Morbus Paget der Haut, extramammär
- Morbus Wilson
- Moyamoya
- Neurofibromatose
- Osteosarkom
- Paragangliom
- Polychondritis, rezidivierend
- Polymyalgia Rheumatica
- Primär sklerosierende Cholangitis (PSC)
- Primäre biliäre Zirrhose
- Primäre Immundefekte (PID)
- Progressive supranukleäre Blickparese
- Pyoderma gangraenosum
- Pyridoxin-responsive Epilepsie
- Querschnittssyndrom
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Und noch:
Orpha-Selbsthilfe
Information Network on Rare Cancers der Europäischen Union
Zentren für seltene Erkrankungen - Research for Rare
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