Erstellt am 18 Jan 2016 01:21 - Zuletzt geändert: 20 Mar 2019 22:38
- Begriffs-Abgrenzung
- Nutzenbewertung
- Methodenbewertung des G-BA
- Wirkung
- Wirksamkeit
- Evidenzbasierte Medizin
- Patienten-Nutzen
Begriffsfeld:
Aktuelle Evidenzbewertungen • Evidenzbasierte Medizin • Evidenzquellen • Experimentelle Therapie • Heilversuch • Heuristik • Health Technology Assessment • Methodenbewertung des G-BA • Nutzenbewertung • Placebo • Plausibilität • Patienten-Nutzen • Qualität • Statistische Signifikanz • Wirksamkeit • Wirkung
Siehe auch:
• Methode • Methodenbewertung des G-BA • Wirksamkeit • Wirkung • Patienten-Nutzen
Sozialrechtliche Regelungen zum Nutzenbegriff:
Regelungen des SGB V
- § 87 Abs. 3e Satz 4: Auskunft durch Bewertungsausschuss, ob es sich bei einer neuen Leistung um eine neue Methode handelt, deren Nutzen nach § 135 Absatz 1 Satz 1 durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zu bewerten ist.
- § 91 Abs. 4 Nr. 1: Verfahrensordnung des G-BA - regelt methodische Anforderungen an die wissenschaftliche sektorenübergreifende Bewertung des Nutzens
- § 92 Abs. 1 S. 1, § 116b Abs. 4 S. 1, § 135 Abs. 1 S. 1: diagnostischer oder therapeutischer Nutzen
- § 35, § 35b, § 35c: Nutzen, Zusatznutzen, therapeutischer Nutzen, therapierelevanter Nutzen
Nutzen im Arzneimittelrecht
- § 40 Abs. 1 Nr. 2 AMG: Nutzen für betroffene Person und Bedeutung des AM für die Heilkunde müssen Risiken und Nachteile überwiegen
- § 41 Abs. 1 Nr. 2 AMG: Direkter Nutzen - Unterscheidung Eigennutzen und Gruppennutzen
Nutzen-Nachweis bei der Arzneimittelzulassung:
Hier wird lediglich der Nutzen im Sinne von therapeutischer Wirksamkeit = Erreichungsgrad angestrebter messbarer Veränderungen = efficacy ermittelt; langfristige Auswirkungen auf das Leben der Patienten (effectiveness) sind unter Studienbedingungen regelmäßig nicht erfasst.
Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen
Auszüge aus dem AOK-Lexikon:
"… Die Nutzenbewertungen sollen Aussagen über den Beitrag neuer Arzneimittel zur Verbesserung der medizinischen Versorgung beinhalten sowie darüber, für welche Patientengruppen ein neues Arzneimittel im Vergleich zu bereits vorhandenen Therapiemöglichkeiten eine maßgebliche Verbesserung des Behandlungserfolgs erwarten lässt. Kriterien sind insbesondere ein verbesserter Gesundheitszustand, eine kürzere Krankheitsdauer, die Verlängerung der Lebensdauer, geringere Nebenwirkungen und die Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität.
Die Arzneimittelhersteller müssen zur Markteinführung eines neuen Präparats ein Dossier vorlegen, das dem G-BA auf Basis einer "frühen" Nutzenbewertung nach spätestens drei Monaten eine Entscheidung darüber erlaubt, ob das Präparat einen Zusatznutzen gegenüber der bisherigen Standardtherapie aufweist. Dabei wird klassifiziert in "erheblicher", "beträchtlicher" und "geringer" Zusatznutzen. Kann ein solcher Zusatznutzen nicht belegt werden, wird das Präparat als Festbetrag der Gruppe "Präparate mit vergleichbaren Wirkstoffen" zugeordnet. Für eine Übergangszeit können Hersteller unvollständige Dossiers nachbessern und jederzeit eine neue Bewertung beim G-BA beantragen. Seit 2011 hat der G-BA 63 Nutzenbewertungen (Stand Februar 2014) durchgeführt und in 36 Fällen einen Zusatznutzen festgestellt, von denen 14 einen "beträchtlichen" und 18 einen "geringen" Zusatznutzen haben. Das 14. SGB-V-Änderungsgesetz vom März 2014 beschränkte rückwirkend ab 1. Januar 2014 die Nutzenbewertung neuer Medikamente auf die ab dem 1. Januar 2011 auf den Markt gekommenen Präparate.
Von der Nutzenbewertung zu unterscheiden ist die aus ihr abgeleitete Kosten-Nutzen-Bewertung (Paragraf 35b SGB V), die darüber befindet, für welche Vergleichstherapie und Patientengruppen die Bewertung erfolgen soll sowie welcher Zeitraum, welche Art von Nutzen und Kosten und welches Maß an Gesamtnutzen bei der Bewertung zu berücksichtigen sind. Seit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 bildet eine solche Kosten-Nutzen-Bewertung die Grundlage auch für Preisverhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Herstellern zu patentgeschützten Arzneimitteln, für die ein Zusatznutzen festgestellt wurde. Bleiben diese Verhandlungen sechs Monate ohne Ergebnis, setzt eine Schiedsstelle innerhalb von drei Monaten den von den Kassen zu erstattenden Preis unter Berücksichtigung der Abgabepreise in anderen europäischen Ländern fest. … Dieser Preis gilt auch für die Private Krankenversicherung. … Vier Pharmaunternehmen haben bislang (Stand Februar 2014) ein Präparat nach einer für sie unbefriedigenden Nutzenbewertung vom Markt genommen.1"
Auf der Homepage des G-BA finden sich zusammengefasste Informationen zur Nutzenbewertung von Arzneimitteln gemäß § 35a SGB V und eine Übersicht der Wirkstoffe.
Von verschiedenen Verbänden, Fachgesellschaften und Einzelpersonen werden verschiedene Definitionen des Patienten-Nutzens vorgeschlagen. Eine transparente und allgemein akzeptierte Definition des Patienten-Nutzens ist Voraussetzung einer allgemein akzeptierten und konsentierten Nutzenbewertung.
Weblinks:
Siehe auch:
Methode • Nutzenbewertung • Wirksamkeit • Wirkung • Patienten-Nutzen
Der Gemeinsame Bundesausschuss ist "vom Gesetzgeber beauftragt zu entscheiden, welchen Anspruch gesetzlich Krankenversicherte auf medizinische Untersuchungs- und Behandlungsmethoden haben" - so steht es in praktisch allen Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses.
In einem Artikel zur Methodenbewertung schreibt der Gemeinsame Bundesausschuss auf seiner Webseite:
Eine medizinische „Methode“ ist eine Vorgehensweise zur Untersuchung oder Behandlung von bestimmten Erkrankungen, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt. Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind zum Beispiel Operationen, Maßnahmen zur Früherkennung einer Erkrankung, der Einsatz von Heilmitteln und Psychotherapieverfahren.
Ob eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode als Leistung der GKV zur Verfügung steht, ist vom Gesetzgeber für die ambulante und stationäre Versorgung unterschiedlich geregelt.
Niedergelassene Vertragsärztinnen und -ärzte dürfen neue Methoden erst dann als Kassenleistung anbieten, wenn der G-BA sie für den ambulanten Bereich geprüft hat und zu dem Ergebnis kam, dass ihr Einsatz dort für Patienten nutzbringend, notwendig und wirtschaftlich ist. Neue Methoden stehen im ambulanten Bereich also unter einem sogenannten Erlaubnisvorbehalt.
Im Krankenhaus können medizinische Methoden zulasten der GKV erbracht werden, solange sie nicht vom G-BA ausgeschlossen wurden. Hier spricht man von einem Verbotsvorbehalt.
Für eine Untersuchungs- oder Behandlungsmethode, deren Nutzen noch nicht hinreichend belegt ist, die jedoch das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative erkennen lässt, kann bzw. muss der G-BA eine Studie durchführen, die eine Bewertung des Nutzens der Methode auf einem für eine spätere Entscheidung ausreichend sicheren Erkenntnisniveau erlaubt (eine Studie also, mit der die fragliche Methode 'erprobt' wird).Im Rahmen von strukturierten Bewertungsverfahren überprüft der G-BA diagnostische und therapeutische Methoden auf Nutzen, medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Der G-BA legt in seinen Richtlinien die Voraussetzungen, die Art und den Umfang des Leistungsanspruchs von Versicherten auf ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der ambulanten Versorgung fest.2//.
Die Grundsätze der Methodenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss sind rechtsverbindlich in der G-BA-Verfahrensordnung festgelegt.
Die Durchführung der Methodenbewertungen des G-BA erfolgt durch den ''Unterausschuss Methodenbewertung''3 und führt in der Regel zu entsprechenden Richtlinien-Beschlüssen4 sowie in der Folge zu geänderten Richtlinien5.
Zu den Bewertungsgrundlagen der Arbeit des G-BA und seiner Unterausschüsse existiert eine übergreifende Informationsseite innerhalb des Web-Präsenz des G-BA zur Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden für die ambulante und/oder stationäre Versorgung.6.
Diesem Artikel kann folgende, sehr wesentliche Information entnommen werden:
Ein Bewertungsverfahren muss durch einen gesetzlichen Antragsberechtigten ausgelöst werden: Dies sind die sektoral jeweils zuständigen Spitzenverbände der Leistungserbringer (KBV, KZBV und/oder die DKG), der GKV-Spitzenverband, die als maßgeblich anerkannten Patientenorganisationen sowie die drei unparteiischen Mitglieder des G-BA. Außerdem kann jede Kassenärztliche und Kassenzahnärztliche Vereinigung Anträge auf Bewertung einer Methode für ambulante Versorgung stellen.
Das bedeutet, eine medizinische Leistung / Verfahrensweise / Behandlungs- oder Diagnose-Methode, wird erst dann vom G-BA bewertet, wenn irgendeine berechtigte Partei innerhalb des G-BA einen Antrag auf eine entsprechende Bewertung durch den G-BA stellt - und wenn dieser Antrag dann angenommen wird.
Den Webseiten des G-BA sind keine eindeutigen Aussagen dazu zu entnehmen, wie in der Versorgungspraxis solche Methoden zu behandeln sind, die zwar vielleicht tatsächlich "neu" sind oder deren Abrechnung über den Regelleistungskatalog "EBM" nicht möglich ist - für deren Beratung aber entweder ein Antrag nicht gestellt oder nicht angenommen wurde.
Weiteres zur Aufnahme neuer Leistungen in den Katalog der ambulanten gesetzlichen Krankenversorgung findet sich im Artikel Neue Leistungen für die ambulante Versorgung.
Terminvorgaben für die Methodenbewertungsverfahren des G-BA
Die Bewertungsverfahren nach § 135 Absatz 1 Satz 5 SGB V sind innerhalb von zwei Jahren abzuschließen.
Im Ergebnis soll festgestellt werden, ob für das jeweilige Verfahren ein "diagnostischer und therapeutischer Nutzen" sowie eine medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung (nach § 135 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB V) zu bestätigen ist oder nicht.
Das bedeutet, eigentlich müsste am Ende einer Beratung durch den G-BA immer eine eindeutige Aussage stehen, ob eine Methode die Kriterien nach § 135 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB V erfüllt oder nicht.
In der Realität ist dies allerdings, u.a. aufgrund oftmals fehlender Daten, nicht immer so.
Der G-BA hatte bislang auch keineswegs alle Beratungsverfahren innerhalb von zwei Jahren oder mit einer Aussage bezüglich der Kriterien nach § 135 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB V abgeschlossen.
Allerdings wurde die Begrenzung auf eine Bearbeitungsdauer von zwei Jahren auch erst im Rahmen einer Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuches vom 12.12.2019 eingeführt (Vergleich der Gesetzesfassungen vor dem 18.12.2019 auf "buzer.de".
Terminvorgaben nach positiver Bewertung einer Methode im G-BA
Für "NUB", die der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V bewertet und in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V positiv empfohlen hat, regelt § 87 Abs. 5b Satz 1 SGB V folgendes:
1Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 in Verbindung mit § 135 Absatz 1 anzupassen.
Siehe auch:
• Methode • Methodenbewertung des G-BA • Nutzenbewertung • Wirksamkeit • Patienten-Nutzen
Die Wirkung eines Medikaments oder eines Medizinprodukts oder einer nicht-medikamentösen medizinischen Therapie ist nicht mit der therapeutischen Wirksamkeit gleichzusetzen.
Ein Arzneimittel beispielsweise kann eine pharmakologische Wirkung erzielen, die - z. B. biochemisch oder physikalisch - gemessen und nachgewiesen werden kann. In Studien kann die Wirkung als Effekt in einer Versuchsanordnung oder als statistisch signifikanter Unterschied zwischen Therapiegruppen gemessen werden.
Aus diesem Nachweis, dass das Medikaments oder Medizinprodukt oder die nicht-medikamentöse medizinische Therapie im Versuch bzw. in der Studie eine objektiv gemessene Wirkung bzw. einen statistisch signifikanter Unterschied zu einer anderen Therapie gezeigt hat, folgt nicht automatisch, dass Menschen, bei denen dieses Medikament oder dieses Medizinprodukt oder diese nicht-medikamentöse medizinische Therapie anschließend eingesetzt werden, einen tatsächlichen und nachhaltigen gesundheitlichen Nutzen aus der Behandlung haben werden.
Der Wissenschafts- und Medizinjournalist Marcus Anhäuser drückt dies in einem Beitrag in seinem Blog "Placeboalarm" auf der Plattform Scienceblog folgendermaßen aus:
"… ein Arzneimittel kann wirken, zugelassen sein, aber es nützt nichts7."
Siehe auch:
• Methode • Methodenbewertung des G-BA • Nutzenbewertung • Wirkung • Patienten-Nutzen
Als Wirksamkeit wird in der Evidenzbasierten Medizin im Allgemeinen eine (positiven) Veränderung im Gesundheitszustand bezeichnet, die als Folge der Wirkung eines Arzneimittels oder einer sonstigen medizinischen Behandlung eintritt oder eintreten soll.
Dabei sind verschiedene Facetten von Wirksamkeit in der deutschen Sprache normalerweise nicht voneinander zu trennen. Aus diesem Grunde werden von Anwendern der Evidenzbasierten Medizin oft englische Begriffe benutzt, um hier differenzieren zu können:
- "Efficacy" oder Wirkung dient der Beschreibung der unmittelbaren (und erwarteten oder erhofften) Ergebnisse einer Maßnahme unter Studienbedingungen; z. B. der erzielten Normalisierung der Herzfrequenz durch ein Medikament.
- "Effectiveness" oder Effektivität dient der Beschreibung der Wirksamkeit einer Maßnahme unter Alltags-/Routinebedingungen und schließt auch langfristige gesundheitliche Effekte einer Therapie ein, die in zeitlich befristeten Studien nicht gezeigt werden können; wie z. B. die Auswirkungen der medikamentösen Herzfrequenz-Normalisierung auf das mittel- und langfristige Überleben oder auf die Häufigkeit des Auftretens relevanter zerebrale Durchblutungsstörungen bzw. Apoplexien.
- "Efficiency" oder Effizienz beschreibt in der Evidenzbasierten Medizin das Verhältnis zwischen dem Aufwand und dem Ergebnis einer spezifischen Intervention (den benötigten Ressourcen, z.B. finanzieller, personeller, zeitlicher Aufwand).8
Andere deutsche Autoren aus dem Umfeld der Evidenzbasierten Medizin ziehen eine Abgrenzung zwischen Wirkung und Wirksamkeit auf der einen Seite und der Effectiveness bzw. dem Nutzenbegriff auf der anderen Seite vor, so z.B. Windeler und Antes in einem Beitrag, der auf den Webseiten des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin veröffentlicht ist9.
Auch der Wissenschafts- und Medizinjournalist Marcus Anhäuser folgt in einem Beitrag in seinem Blog "Placeboalarm" auf der Plattform Scienceblog den Definitionen von Nutzen als Effectiveness und Wirksamkeit als Efficacy, die in einem Beitrag auf Spiegel Online von dem Spiegel-Autor Markus Grill verwendet wurden10.
Dafür, dass der Nutzen von Arzneimitteln nicht bereits durch die Arzneimittelzulassung ausreichend belegt ist, sprechen viele Fakten. Im Mai 2019 publizierte eine Gruppe kritischer Onkologen eine Analyse der zwischen Januar 2013 und Juli 2018 von der FDA zugelassenen ontologischen Medikamente und kam zu dem Schluss, dass in fast einem Fünftel der Fälle die Zulassungsstudien eine nur suboptimale Kontroll-Therapie erfolgt war. Damit ist durch die entsprechenden Zulassungen noch nicht einmal gezeigt, dass die neu zugelassenen Medikamente mindestens genau so gut sind wie der tatsächliche Therapiestandard. (Hilal T, Sonbol MB, Prasad V. Analysis of Control Arm Quality in Randomized Clinical Trials Leading to Anticancer Drug Approval by the US Food and Drug Administration. JAMA Oncol. Published online May 02, 2019. doi:10.1001/jamaoncol.2019.0167.)
Siehe auch: Effektivität - Effizienz
Unter Evidenz-basierter Medizin (EbM) oder evidenzbasierter Praxis im engeren Sinne versteht man eine Vorgehensweise des medizinischen Handelns, individuelle Patienten auf der Basis der besten zur Verfügung stehenden Daten zu versorgen. Diese Technik umfasst die systematische Suche nach der relevanten Evidenz in der medizinischen Literatur für ein konkretes klinisches Problem, die kritische Beurteilung der Validität der Evidenz nach klinisch-epidemiologischen Gesichtspunkten; die Bewertung der Größe des beobachteten Effekts sowie die Anwendung dieser Evidenz auf den konkreten Patienten mit Hilfe der klinischen Erfahrung und der Vorstellungen der Patienten.
Ein verwandter Begriff ist die evidenzbasierte Gesundheitsversorgung ("Evidence-Based Health Care"), bei der die Prinzipien der EbM auf alle Gesundheitsberufe und alle Bereiche der Gesundheitsversorgung, einschließlich Entscheidungen zur Steuerung des Gesundheitssystems, angewandt werden.
Quelle: AG Glossar des DNEbM
Glossar zur Evidenzbasierten Medizin; mit direktem Link zum PDF des Glossar auf der Webseite des herausgegeben vom Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin.
Eine gute Definition der Evidenzbasierten Medizin wurde von Professor Böhm formuliert:
EBM ist nichts Neues, sondern war und wird von allen ernsthaften Ärzten schon immer praktiziert, die (selbst)kritisch ihre klinische Tätigkeit beurteilen. EBM ist vom Prinzip her relativ einfach, weil sie auf drei Prämissen basiert:
1. mache Dich mit den Wünschen und Erwartungen des Patienten vertraut;
2. bringe Deine klinische Erfahrung ein und
3. mache Dich mit der externen, wissenschaftlichen Evidenz vertraut.11
Speziell in Deutschland werden allerdings die Aspekte der klinischen Erfahrung und der Vorstellungen der Patienten in der Anwendung der EbM, z.B. bei Anträgen auf Leistungen an die Krankenkassen, häufig ignoriert.
Eine Praxis der Evidenzbasierten Medizin ohne die Integration individueller klinischer Erfahrung und ohne Bezug zu Patienten-Präferenzen drückt sich auch in deutschsprachigen Publikationen aus; die an keiner Stelle Hinweise auf die Integration vorhandener klinischer, ärztlicher oder pflegerischer Expertise oder auf den Einfluss der Lebensumstände und gesundheitlichen Ziele sowie Wertvorstellungen der Patienten enthalten.
Als ein Beispiel für diese Auslassung kann ein Beitrag im Deutschen Ärzteblatt mit dem Titel "Evidenzbasierte Medizin: Grundlage ärztlichen Handelns" dienen:
Weblinks:
- Was ist EbM - Abdruck der deutschen Version eines Grundsatzbeitrages von David Sackett auf den deutschen Webseiten der Cochrane Collaboration.
- Kurze Geschichte der Evidenz-basierten Medizin auf dem Portal "gesundheitsinformation.de".
- Ärztliche Kunst oder Evidenz-basierte Entscheidungen – eine kurze Erläuterung der Methode, Erfahrungen mit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ergänzen.
- Kapitel 2.3 “Möglichkeiten und Grenzen evidenzbasierter Medizin” im GUTACHTEN 2000/2001 des Sachverständigenrates zur Begutachung der Entwicklung im Gesundheitswesen.
- Leserbrief von Günter Jonitz im Deutschen Ärzteblatt zur korrekten Definition des Begriffs "Evidenzbasierte Medizin".
- Wikipedia: Artikel in der deutschen und in der englischen Version der Wikipedia zum Thema Evidenzbasierte Medizin.
- Oxford Centre for Evidence-Based Medicine: Levels of Evidence.
- Evidence based medicine: a movement in crisis?
Literatur
- Yeh RW, Valsdottir LR, Yeh MW, Shen C, Kramer DB, Strom JB, Secemsky EA, Healy JL, Domeier RM, Kazi DS, Nallamothu BK; PARACHUTE Investigators. Parachute use to prevent death and major trauma when jumping from aircraft: randomized controlled trial. BMJ. 2018 Dec 13;363:k5094. doi: 10.1136/bmj.k5094. Erratum in: BMJ. 2018 Dec 18;363:k5343. PMID: 30545967; PMCID: PMC6298200.
- Smith GC, Pell JP. Parachute use to prevent death and major trauma related to gravitational challenge: systematic review of randomised controlled trials. BMJ. 2003 Dec 20;327(7429):1459-61. doi: 10.1136/bmj.327.7429.1459. PMID: 14684649; PMCID: PMC300808.
- Concato J, Shah N, Horwitz RI. Randomized, controlled trials, observational studies, and the hierarchy of research designs. N Engl J Med. 2000 Jun 22;342(25):1887-92. doi: 10.1056/NEJM200006223422507. PMID: 10861325; PMCID: PMC1557642.
Siehe auch:
EbM in der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses
§35 Abs.1 SGB V (Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin)
§35a SGB V (Evidenzstufen von Studien)
§35b SGB V und §139a Abs.4 SGB V (Berücksichtigung anerkannter internationaler Standards der EbM durch das IQWiG)
§ 65d SGB V (Förderung besonderer Therapieeinrichtungen – wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Modellvorhaben … zur Erreichung möglichst hochwertiger Evidenz)
§137f SGB V (Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien)
§139a Abs. 3 Ziffer 3 SGB V (Bewertung evidenzbasierter Leitlinien)
§139e SGB V (Berücksichtigung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin).
§73b SGB V (Hausärztliche Behandlung nach evidenzbasierten Leitlinien)
Siehe auch:
• Methode • Methodenbewertung des G-BA • Nutzenbewertung • Wirksamkeit • Wirkung •
Die Definition des Patienten-Nutzens ergänzt den sozialgesetzlich im SGB V festgelegten und durch die untergesetzlichen Normen der Verfahrensordnung des G-BA und des IQWiG-Methodenpapiers näher definierten allgemeinen medizinischen Nutzenbegriff um Patienten-eigene und Patienten-individuelle Gesichtspunkte.
Definition des Patienten-Nutzens gemäß Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG):
"Beim Patienten‐Nutzen sollen insbesondere
- die Verbesserung des Gesundheitszustandes,
- eine Verkürzung der Krankheitsdauer,
- eine Verlängerung der Lebensdauer,
- eine Verringerung der Nebenwirkungen sowie
- eine Verbesserung der Lebensqualität
…berücksichtigt werden12."
Diese Parameter werden in der Bewertung durch das IQWiG allerdings nur anhand von Studiendaten erhoben, weshalb die langfristigen Auswirkungen auf das Leben der Patienten und die gesundheitlichen Ergebnisse unter Alltagsbedingungen ("effectiveness") in IQWiG-Bewertungen in der Regel nicht erfasst werden können13,14
Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. ·(DGHO) befasste sich auf ihrer Frühjahrstagung 2013 mit der Definition des Patienten-Nutzens.
In der Konferenz-Berichterstattung stellt die DGHO fest, dass traditionelle Endpunkte in onkologischen Studien wie das Gesamtüberleben und das progressionsfreie Überleben zwar weiterhin grundsätzlich wichtige Ergebnis-Parameter seien, jedoch nicht ausreichend zur Erfassung des Patienten-Nutzens. Notwendig seien vielmehr objektivierte Informationen darüber, wie Patienten eine Krebsbehandlung und ihre Folgen subjektiv erleben, in Form validierter Scores zur Erfassung der Lebensqualität15.
Link zu dem berühmten Grundsatz-Artikel von David Sackett, der das Wesen der Evidenzbasierten Medizin erklärt: Evidence based medicine: what it is and what it isn't
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