Erstellt am 13 May 2010 11:56 - Zuletzt geändert: 24 Jun 2022 10:37
Möglicherweise könnte man Arzneimittel auch als quasi "stofflich gebundene Behandlungsmethode(n)" betrachten - aufgrund der Besonderheiten und der umfangreichen Regelungen ebenso wie der unüberschaubaren Vielfalt an Arzneimitteln haben diese hier im Sozialmedizin.Wiki aber eine eigene Rubrik!
- Themenbereich Übersicht
- Arzneimittelrichtlinie
- Begutachtungshilfen
- Definitionen
- Ernährung als Arzneimittel
- Off-Label
- Nutzenbewertung
- Einzelfall-Importe
Hier geht es zu den einzelnen Unterseiten im Themenbereich:
- Aktuelles
- Aktuelle Meldungen zur Arzneimittelsicherheit
- Arzneistoff- und Präparate-Index
- Begutachtungshilfen
- Definitionen für die Arzneimittelbegutachtung
- Erstattungsbeträge und Marktrücknahmen
- Festbeträge
- Härtefallprogramme
- Krankenhaus-Arzneimittel
- Linksammlung Arzneimittel
- Medizinprodukte mit Arzneicharakter (§ 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V)
- OTC-Arzneimittel
- Rechtliche Aspekte im Rahmen der Arzneimittel-Begutachtung
- Studien und Arzneimittel
- Zulassungsinformationen
Gemäß § 92 des SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zur Sicherung der ärztlichen Versorgung Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten.
Die Arzneimittelrichtlinie ist eine umfangreiche Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, die mit derzeit (Okt. 2015) insgesamt 12 Anhängen sowie einer Arzneimittelübersicht zur sogenannten Negativliste und Beschlüssen gemäß § 35c SGB V (Klinische Studien) ergänzt wird.
Im Folgenden finden Sie nochmals den Link zur Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) des G-BA und zu einzelnen Anlagen der AM-RL:
- Arzneimittelrichtlinie mit allen Anlagen auf der Webseite des G-BA.
- Arzneimittelrichtlinie - Anlage I - OTC-Übersicht - nicht verschreibungspflichtige, aber "GKV-fähige" Arzneimittel - quasi die "raus-aber-im-Spezialfall-doch-drin-Medikamente" :-) …
- Arzneimittelrichtlinie - Anlage II - Lifestyle (Abmagerungsmittel; Mittel gegen sexuelle Dysfunktion oder Nikotinabhängigkeit; Mittel zur Steigerung des sexuellen Verlangens, Verbesserung des Haarwuchses oder des Aussehens allgemein) - Das sind die "Lebensfreude-gibt's-nicht-auf-Kasse-Medikamente" :-( …
- Arzneimittelrichtlinie - Anlage III - Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse - verschreibungspflichtige, aber nicht oder nur mit Einschränkungen "GKV-fähige" Arzneimittel. - Das sind "Gibt's-eigentlich-auch-nicht-auf-Kasse-Medikamente" :-( …
- Arzneimittelrichtlinie - Anlage IV - Therapiehinweise zur wirtschaftlichen Verordnungsweise (Das sind überwiegend kostenträchtige Medikamente, bei deren Verordnung die Ärzte sich schnell Regresse einhandeln können).
- Arzneimittelrichtlinie - Anlage V - verordnungsfähige arzneimittelähnliche oder arzneimittelhaltige Medizinprodukte
- Arzneimittelrichtlinie - Anlage VI -Verordnungsfähigkeit von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten (sog. Off-Label-Use)
- Arzneimittelrichtlinie - Anlage VII - Aut idem - Austauschbarkeit von Darreichungsformen (Tablette vs. Filmtablette vs. Kapseln, Saft vs. Tropfen, Lösung, Granulat etc.)
- Arzneimittelrichtlinie - Anlage VIII - Hinweise zu Analogpräparaten (betrifft derzeit Kalziumantagonisten und Protonenpumpenhemmer)
- Arzneimittelrichtlinie - Anlage IX - Festbetragsgruppenbildung (früher: Anlage 2)
- Arzneimittelrichtlinie - Anlage X: Aktualisierung von Vergleichsgrößen
- Anlage XI - weggefallen
- Arzneimittelrichtlinie - Anlage XII - (Frühe) Nutzenbewertung nach § 35a SGB V u.a. alphabetische Übersicht aller Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, für die der G-BA eine Nutzenbewertung nach § 35a SGB V durchführt oder bereits abgeschlossen hat und Übersicht über alle Beschlüsse zur Nutzenbewertung nach § 35a SGB V
- Anlage XIII: Bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung – noch nicht in Kraft
- Arzneimittelrichtlinie - Negativliste (früher Anlage 3) - Liste unwirtschaftlicher Arzneimittel (fragwürdige Kombinationen oder Inhaltsstoffe - häufig Mittel der besondere Therapierichtungen; aber auch anderes).
- Arzneimittelrichtlinie - Beschlüsse gemäß § 35c SGB V (Klinische Studien)
Hilfreich für die Bewertung können sein:
- Arzneistoff-Indikationsgruppen bei der Pharmazeutische Zeitung (für neue Arzneimittel)
- Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Verordnungsstärkste Indikationsgruppen nach Roter Liste in der gesetzlichen Krankenversicherung (Verordnungen in Mio. und Umsatz in Mio. Euro). Gliederungsmerkmale: Jahre, Deutschland, Art des Arzneimittels
- Schnellübersicht der KBV und des GKV-Spitzenverbandes zur Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln nach der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL)
- FAQ zu Verordnungseinschränkungen und -ausschlüssen sowie Hinweise zur wirtschaftlichen Verordnungsweise nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel
- Wikipedia: Beitrag über die "Rote Liste" mit Gliederungsübersicht der 88 Hauptgruppen (Indikations- und/oder Wirkstoffgruppen)
Der sozialmedizinische Rahmen der Arzneimittelbegutachtung durch den Medizinischen Dienst (früher: Medizinische Dienst der Krankenversicherung; MDK) wird aufgespannt durch die gesetzlichen Normen des Arzneimittelgesetzes und die spezifischen untergesetzlichen Regelungen, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) aufgestellt werden.
Erläuterungen der grundsätzlichen Vorgehensweise bei der Arzneimittelbegutachtung finden sich in dem "Begutachtungsleitfaden Produkte der Arzneimittelversorgung im SGB V" auf den Webseiten des Medizinischen Dienst Bund (MD Bund). Dieser Begutachtungsleitfaden soll vor allem einheitliche und nachvollziehbare Kriterien für die sozialmedizinische Einordnung von Produkten bzw. Arzneimitteln darlegen.
Weitere Arbeitshilfen / Begutachtungsleitfäden
- Arzneimittelversorgung: "Hinweise zur Begutachtung" - Eine Arbeitshilfe der Sozialmedizinischen Expertengruppe 6 (SEG-6)
- Arzneimittelversorgung: "Hinweise zur Begutachtung": Off-Label-Use - Arbeitshilfe der SEG-6 (Fassung vom 06.02.2008)
- Begutachtungsanleitung zur sozialmedizinischen Begutachtung von Cannabinoiden nach § 31 Absatz 6 SGB V
- Begutachtungsanleitung "Festbetragsarzneimittel"
- Begutachtungsanleitung zu einzelimportierten Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz
Nicht mehr gültige / nicht weiter gepflegte / überholte oder ersetzte Arbeitshilfen / Begutachtungsleitfäden für die Arzneimittelbegutachtung:
- Arbeitshilfe zur Begutachtung von Arzneimitteltherapien in Zusammenhang mit Krankenhausbehandlung: (Kein Link vorhanden)
- Arbeitshilfe zur sozialmedizinischen Begutachtung der Versorgung mit Medikamentenpumpen (Kein Link vorhanden)
- SEG 6 "Arzneimittelversorgung" - Aktueller Hinweis zur Begutachtung: In Deutschland zugelassene, aber nicht im Markt befindliche Arzneimittel (Kein Link vorhanden)
- Ergänzender Begutachtungsleitfaden "Ermittlung des allgemein anerkannten Standes im Bereich der vertragsärztlichen Arzneimittelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung" - Stand 19. November 2015 (Kein Link vorhanden)
Im Bereich der Arzneimittelbegutachtung sind folgende Begrifflichkeiten grundlegend und werden immer wieder benötigt bzw. in der Begutachtung aufgegriffen:
Apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel
Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP)
Frei verkäufliche Arzneimittel
Importarzneimittel
Off-Label-Use
Orphan Drugs
Produkte der Arzneimittelversorgung
Verschreibungspflichtige Arzneimittel
Rezepturen/Rezepturarzneimittel
Verkehrsfähigkeit - Zulassungsstatus
Table of Contents
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Nach der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) Abschnitt I
- sind Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, so genannte Krankenkost und diätetische Lebensmittel einschließlich Produkten für Säuglinge oder Kleinkinder von der Versorgung zu Lasten der GKV ausgeschlossen.
- Dies gilt nicht für Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten und Sondennahrung (so genannte Produktgruppen), soweit sie nach den Bestimmungen der AM-RL in medizinisch notwendigen Fällen ausnahmsweise verordnungsfähig sind.
Ausführungen zur Definition der, im Regelfall richtlinienkonform verordnungsfähigen Produktgruppen, der medizinischen Notwendigkeit und zu Produktspezifikationen (Standard- und Spezialprodukten) finden sich in der Arzneimittelrichtlinie.
Eine verständlich formulierte Darstellung kann in der Pharmazeutischen Zeitung vom 17.01.2011 unter dem Titel "Trinknahrungen: Aus dem All ans Krankenbett" nachgelesen werden.
Eine ausnahmsweise Verordnungsfähigkeit von Stoffen, die sowohl als Nahrungsergänzungsmittel als auch als Arzneimittel erhältlich sein können, ergibt sich übrigens nur für die Arzneimittel-Varianten aufgrund von § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V dann, wenn eine ausreichende medizinische Begründung auf dem Rezept vermerkt wird. Konkret lautet § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V:
"Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen."
Nahrungsergänzungsmittel
In der Arzneimittelverschreibungsverordnung, Anlage 1, sind - neben quasi "eindeutigen" Arzneimitteln - auch Stoffe aufgeführt, die Nahrungsergänzungsmittel sein können, aber unter Umständen auch (wie Vitamin D und Zink bei Überschreitung bestimmter Tagesdosen) als Arzneimittel rezeptpflichtig sind.
In der Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie (Richtlinie 2002/46/EG) ist vorgesehen, dass für Vitamine und Mineralstoffe, die in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sind, Höchstmengen gesetzlich festgesetzt werden. Die Kriterien zur Festsetzung solcher Höchstwerte sind im Prinzip bereits in der Verordnung enthalten.
Bislang (mehr als 10 Jahre nach Verabschiedung der Richtlinie) steht aber eine gesetzlich normierte Festsetzung solcher Höchstmengen aber noch aus, weil eine Einigung auf europäischer Ebene über konkrete Höchstmengen noch nicht gelungen ist.
Konkret finden sich unter den laut § 3 NemV zugelassenen Stoffen nur Vitamine und Mineralien; denn die Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel, (PDF) definiert als Nährstoffe nur Vitamine und Mineralstoffe. Daher enthält auch die Aufzählung der Stoffe im Anhang I der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments nur Vitamine und Mineralstoffe.
Voraussetzung für eine Registrierung gemäß § 1 Nahrungsergänzungsmittel-Verordnung (NemV) ist es unter anderem, dass die Nahrungsergänzungsmittel
- dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung zu ergänzen,
- in dosierter Form, […] in abgemessenen kleinen Mengen in den Verkehr gebracht werden.
Die Health-Claims-Verordnung regelt, welche gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel zulässig sind; zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden dürfen Nahrungsergänzungsmittel nicht beworben werden. Eine gute Übersicht der Unterschiede zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und Arzneimitteln im Hinblick auf werbliche Aussagen präsentiert das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf seinen Webseiten.
Laut Auskunft des Lebensmittelverband Deutschland e. V. (ehemals Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V.) obliegt es derzeit in Deutschland den Herstellern von Nahrungsergänzungsmitteln, die Sicherheit und Unbedenklichkeit ihrer Produkte im Hinblick auf die Dosierung der verwendeten Vitamine und Mineralstoffe zu garantieren.
Die Verbraucherzentrale informiert, dass es für Pflanzenzubereitungen wie Aloe vera, Goji oder Noni sowie für sekundäre Pflanzenstoffe und Fettsäuren - und damit auch für Pflanzenextrakte mit Cannabidiol - noch keine gesetzlichen Regelungen gibt.
Daneben informiert die Verbraucherzentrale auch darüber, dass zunehmend Produkte nicht als Nahrungsergänzungsmittel, sondern als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (ergänzende bilanzierte Diäten) vermarktet werden.
Es gab bislang in Deutschland schon eine Vielzahl von juristischen Auseinandersetzungen zu Abgrenzungsfragen zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und Arzneimitteln bzw. zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung bei Produkten mit strittiger Einordnung, z.B. hinsichtlich des Nahrungsergänzungs-/Arzneimittels Melatonin:
Zu dieser Problematik hatte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) am 14.06.1996 eine Meldung mit folgender Überschrift herausgegeben: Melatonin als Arzneimittel zulassungspflichtig - Empfehlung der Bundesinstitute erfolgt dosisunabhängig.
Hintergrund war, dass Melatonin trotz einer Einstufung durch das BfArM, wonach es sich bei Melatonin in allen Dosierungen um ein Arzneimittel handelt, aufgrund einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 20.08.1998 (Az. 2 L 46/98) weiterhin als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben wurde.
Der damaligen Stellungnahme des BfR war folgendes zu den rechtlichen Rahmenbedingungen zu entnehmen:
Melatonin in isolierter und konzentrierter Form aus pflanzlichen Lebensmitteln dient weder der Ernährung oder dem Genuß, noch besteht ein Bedarf im Sinne eines lebensnotwendigen Mikronährstoffes. Damit ist Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel nach Ansicht des BgVV nicht verkehrsfähig. … BfArM und BgVV halten eine abschließende Nutzen-Risiko-Bewertung für zwingend erforderlich.
Die endgültige Entscheidung über die Einstufung von Melatonin obliegt den Überwachungsbehörden der Bundesländer. Sie kontrollieren die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und damit die Verkehrsfähigkeit der Produkte einschließlich ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit.
Um auch den Direktvertrieb solcher Präparate unterbinden zu können, ist es erforderlich, daß sich die zuständige europäische Kommission in Brüssel für eine einheitliche Beurteilung in den europäischen Ländern einsetzt.
Eine Regelung durch die Europäische Kommission ist hinsichtlich der Einstufung von Nicht-Vitaminen und Nicht-Mineralstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln bislang nicht erfolgt.
Auf der Webseite DRM Legal des Rechtsanwaltes Dr. Florian Meyer findet sich eine Sammlung von Urteilen zur Abgrenzung von Medizinprodukten, Arzneimitteln und "Funktionsarzneimitteln", psychoaktiv wirksamen Pflanzen sowie Kosmetika.
Dr. Latté vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat am 19. September 2016 einen Vortrag zu den Problemen der Abgrenzung zwischen Arzneimitteln, Medizinprodukten und speziellen Lebensmitteln aus Sicht der Überwachungsbehörde gehalten. Die Folien dieses Vortrags können hier online angesehen werden. Auf den Webseiten des BfArM finden sich auch Erläuterungen zu Abgrenzungsfragen.
Produkte zur enteralen Ernährung
Nach § 31 Abs. 5 SGB V haben Versicherte Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung, wenn eine diätetische Intervention mit bilanzierten Diäten medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) Abschnitt I festgelegt, unter welchen Voraussetzungen welche bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung vom Vertragsarzt verordnet werden können.
Der Begriff bilanzierte Diät (mit den Unterbegriffen ergänzende bilanzierte und/oder vollständige bilanzierte Diät) ist in der Diätverordnung (DiätV) definiert.
Danach sind bilanzierte Diäten diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, die
"…auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert und für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt sind. Sie dienen der ausschließlichen oder teilweisen Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder ihrer Metaboliten oder der Ernährung von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf, für deren diätetische Behandlung eine Modifizierung der normalen Ernährung, andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung oder eine Kombination aus beiden nicht ausreichen."
Vollständige bilanzierte und ergänzende bilanzierte Diäten weisen beide eine
"Nährstoff-Standardformulierung" oder "für bestimmte Beschwerden spezifische oder für eine bestimmte Krankheit oder Störung angepasste Nährstoffformulierung" auf.
Vollständige bilanzierte Diäten können bei Verwendung nach den Anweisungen des Herstellers die einzige Nahrungsquelle für Personen, für die sie bestimmt sind, darstellen.
Ergänzende bilanzierte Diäten dagegen eignen sich nicht für die Verwendung als einzige Nahrungsquelle.
Vollständige bilanzierte Diäten dürfen gewerbsmäßig nur hergestellt und in Verkehr gebracht werden, wenn sie die in Anlage 6 der Diätverordnung (DiätV) aufgeführten Stoffe enthalten (also alle aufgeführten Stoffe) und den dort festgelegten altersabhängigen Anforderungen entsprechen.
Ergänzende bilanzierte Diäten dürfen gewerbsmäßig nur hergestellt und in Verkehr gebracht werden, wenn der Gehalt an den Stoffen der Anlage 6 der Diätverordnung (DiätV) die dort aufgeführten Höchstmengen nicht überschreitet (sie müssen dabei nicht alle aufgeführten Stoffe enthalten) und den dort festgelegten altersabhängigen Anforderungen entspricht.
Für die Herstellung bilanzierter Diäten bedarf es einer Genehmigung, die für eine bestimmte Betriebsstätte erteilt wird.
Wer eine bilanzierte Diät als Hersteller oder Importeur in den Verkehr bringen will, hat dies dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit anzuzeigen.
Bilanzierte Diäten dürfen nur mit einer Gebrauchsanweisung in den Verkehr gebracht werden, sofern diese für die sachgerechte Zubereitung, Verwendung und Lagerung des Lebensmittels nach Öffnen der Fertigpackung erforderlich ist.
Es gibt keine Auflistung aller im Verkehr befindlichen bilanzierten Diäten und die Produkte ändern sich zum Teil sehr schnell in ihrer Zusammensetzung unter Beibehaltung des Namens, so dass es in der Begutachtung schwierig sein kann, die Zusammensetzung eines Produktes und seiner Zuordnung als vollständige bzw. ergänzende bilanzierte Diät und seine Zusammensetzung nachzuvollziehen.
Bewährt hat sich die Suche auf der Internetseite des Herstellers und den dort ggf. hinterlegten Produktinformationen und
Gebrauchsanweisungen.
Gelegentlich hilft auch eine Suche auf der Internetseite des Diätverbandes (Bundesverband der Hersteller von Lebensmitteln für eine besondere Ernährung), wobei aber immer die Aktualität und Korrektheit der Angaben überprüft werden müssen.
Einen schönen Überblicksartikel zur Problematik der "Trinknahrungen" veröffentlichte die Zeitschrift APOTHEKE ADHOC am 10.07.2020 Trinknahrung – wann zahlt die Krankenkasse.
Siehe auch in diesem Wiki:
Weblinks:
- Deutsches Apothekenportal: DAP Retax-Arbeitshilfen: Arbeitshilfe Arzneimittel vs. Nahrungsergänzungsmittel
- Deutsches Apothekenportal: Apothekenfrage vom 07.05.2018: Darf ein Nahrungsergänzungsmittel für ein Kind auf Kassenrezept abgerechnet werden?
- Haufe Lexikon: News vom 11.01.2022:Nahrungsergänzungsmittel sind keine Arzneimittel
- Landesgesundheitsamt Bayern: Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln
- Milupa Portal für wissenschaftliche Fachkreise: Indikationskarten Aptamil
- Nestle Vitaflo® - Produkte zur diätetischen Therapie krankheitsbedingter Mangelernährung sowie zur Behandlung angeborener Stoffwechselkrankheiten
- Wikipedia(de): Produktabgrenzung
- Ballauff A. Sondenernährung. Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung. 2013:639–43. German. doi: 10.1007/978-3-642-24710-1_32. PMCID: PMC7498782.
- Swiss Medical Forum: Medikamente via Sonde: eine interprofessionelle Herausforderung Veröffentlichung: 25.09.2019; Swiss Med Forum. 2019;19(3940):637-641. https://doi.org/10.4414/smf.2019.08348
- Pharmazeutische Zeitung.de, 09.03.2009: Was bei Sonden zu beachten ist
- PPM online: Ernährung und Medikamentengabe über PEG: Grundlagen von Arzneimittelapplikation und Sondenkost
- Altenpflegemagazin PQSG: Standard "Applikation von Medikamenten mittels PEG-Sonde"
- Uni Giessen-Marburg: Handlungsleitlinien Enterale Ernährung
Die sozialmedizinische Arzneimittelbegutachtung bei Fragen nach einem Off-Label-Use geschieht unter Berücksichtigung der sozialrechtlichen Rahmenbedingungen, welche auf der Seite Off-Label-Use dargestellt werden. Als Hilfestellung für die Gutachter und als Grundlage für die Transparenz der Begutachtung wurden von der Sozialmedizinischen Expertengruppe "Arzneimittelversorgung" (SEG 6) unter Bezug auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes Arzneimittelversorgung: "Hinweise zur Begutachtung": Off-Label-Use - Arbeitshilfe der SEG-6 (Fassung vom 06.02.2008) für die Begutachtung in den Medizinischen Diensten erstellt.
Ausführliche Informationen zur Nutzenbewertung von Arzneimitteln gemäß § 35a SGB V finden sich auf den Webseiten des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Hilfreich kann evtl. auch der AMNOG Monitor des [https://ippmed.de/
Institut für Pharmakologie und präventive Medizin (IPPMED) Dr. Bramlage & Dr. Hankowitz Partnerschaft] sein.
- Alphabetische Übersicht der Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Nutzenbewertung nach § 35a SGB V durchführt oder abgeschlossen hat
- GKV-Spitzenverband: Übersicht zu den Verhandlungen der Erstattungsbeträge nach § 130b SGB V
- AWMF: Ad-hoc-Kommission "Nutzenbewertung" der AWMF
- Gemeinsamer Bundesausschusses (G-BA): Beschluss "Einstellung der Nutzenbewertung von Arzneimitteln im Bestandsmarkt" Beschlussdatum: 17.04.2014
- Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) - Pressemitteilung "G-BA legt Kriterien für Bestandsmarktaufruf fest und bestimmt erste Wirkstoffgruppen für die Nutzerbewertung" vom 18. April 2013
- Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu Kriterien für Bestandsmarktaufruf vom 18.04.2013
- Gesundheitsinformation.de: Frühbewertung von Arzneimitteln: Vom IQWiG bewertete Wirkstoffe
- Ecker + Ecker GmbH: Verfahren der Frühen Nutzenbewertung, die vor mindestens 9 Monaten abgeschlossen wurden - Übersicht nach Wirkstoffen
- Alphabetische Übersicht der Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Nutzenbewertung nach § 35a SGB V durchführt oder abgeschlossen hat
- Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 18.04.2013
- Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) "Einstellung der Nutzenbewertung von Arzneimitteln im Bestandsmarkt" Beschlussdatum: 17.04.2014
- Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) - Pressemitteilung "G-BA legt Kriterien für Bestandsmarktaufruf fest und bestimmt erste Wirkstoffgruppen für die Nutzerbewertung" vom 18. April 2013
Die sozialmedizinische Begutachtung bei Fragen an den MDK nach einem Import-Arzneimittel geschieht unter Berücksichtigung der sozialrechtlichen Rahmenbedingungen, welche auf der Seite Arzneimittel-Einzelimporte dargestellt werden. Zu diesem Themenkomplex hat die Sozialmedizinische Expertengruppe "Arzneimittelversorgung" (SEG 6) eine "Begutachtungsanleitung zu einzelimportierten Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz" erstellt.
Aus sozialmedizinischer Sicht unproblematisch sind im Übrigen Import-Arzneimittel, die gemäß § 73 Abs. 1 Arzneimittelgesetz eingeführt werden - hierbei handelt es sich z.B. um die bekannten Parallel- und Reimporte, die sogar gemäß § 129 SGB V - "Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung" gesetzlich vorgeschrieben sind, um Preisunterschiede der verschiedenen nationalen europäischen Arzneimittelmärkte für die gesetzlichen Krankenkassen und die gesetzlich krankenversicherten Patienten zu nutzen.
Siehe auch:
Die Rechtsanwaltskanzlei Michael Wüstefeld hält auf ihrer Homepage ein schönes Glossar der Begriffe im Querschnittsbereich "Arzneimittelrecht-Sozialrecht" bereit.
Alle medizinischen und sozialrechtlichen Aussagen und Informationen in diesem Wiki dienen nicht der individuellen Beratung und können und sollen eine persönliche fachliche ärztliche oder sonstige Beratung nicht ersetzen! Auch erheben die hier gemachten Aussagen keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit. Dies ist keine Gesundheitsberatungsseite und auch keine Sozialberatungsseite!