Erstellt am 28 Aug 2015 17:05 - Zuletzt geändert: 10 Oct 2023 10:52
Experten (z.B. bei Krankenkassen oder den Medizinischen Diensten oder Berufsverbänden oder Anbieter-Verbänden) bezeichnen unterschiedliche Untersuchungs- oder Behandlungsverfahren als "Neue Methode"; zum Beispiel aufgrund folgender Konstellationen:
- Leistungen, die (unstrittig) im EBM nicht abgebildet sind, werden von manchen Sozialrechtlern als grundsätzlich nach "§ 135 SGB V ausgeschlossene" Methode bezeichnet. im Gesetz findet sich ein solcher Ausschluss nicht.
- Die Abrechnungsmöglichkeit einer Leistung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung wird mitunter bestritten, auch wenn das Verfahren teilweise angewendet und abgerechnet wird und vom Gemeinsamen Bundesausschuss (noch) nicht über die Leistung oder Methode beraten wurde. Dies traf z.B. lange Zeit auf die multiparametrische MRT der Prostata oder die Kardio-MRT zu.
- Es gibt Leistungen, über deren Abrechnungsmöglichkeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung unterschiedliche Einschätzungen von verschiedenen Gremien der Selbstverwaltung, wie einzelnen Kassenärztliche Vereinigungen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV (KBV), dem Bewertungsausschuss oder dem Gemeinsamen Bundesausschuss vertreten werden. Dies war z.B. für einige Jahre der Fall bei der intravitrealen Injektion.
- Generell bestehen unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich des sozialrechtlichen Status von Methoden; über die der Gemeinsame Bundesausschuss nur in bestimmten Indikationen beraten hat - oder wenn die Beratung einer Methode nur in bestimmten Indikationen zu einem (positiven oder negativen) Ergebnis gekommen ist - oder wenn der G-BA eine weitere Beratung zu einer Methode oder einer Indikation einer Methode ausgesetzt hat oder wenn eine Methodenberatung vom G-BA (wie bei der PET/CT) ergebnislos abgeschlossen wurde.
- Als "NUB" bezeichnet werden mitunter Leistungen, die zwar im EBM - eigentlich - aufgeführt sind, aber unter Einhaltung der Abrechnungsmöglichkeiten des EBM aus Sicht mancher Anbieter nicht wirtschaftlich erbracht werden können. In diesen Fällen ist die - vorgebliche - Einstufung der Leistung als "NUB" dann häufig verbunden mit so genannten "IGeL"-Angeboten an gesetzlich versicherte Patienten.
- Manchmal werden (vorwiegend selten - oder selten in dieser Indikation - eingesetzte) Leistungen, Hilfsmittel oder Medizinprodukte als "neue Methode" oder "Teil einer neuen Methode" eingestuft, die ein sehr weiten Anwendungsbereich haben und die z.B. auch aus rein kosmetischen Gründen angewendet werden können, wie z.B. plastisch-chirurgische Verfahren. In ähnlicher Weise werden manchmal auch selten (oder selten in dieser Indikation) eingesetzte, medizinische Leistungen zur Behandlung bestimmter Erkrankungen, die z.B. sehr schwierig zu behandeln oder sehr selten sind oder ein sehr weites Spektrum hinsichtlich des Schweregrades und der gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufweisen, häufiger als "neue Methode" oder "Teil einer neuen Methode" eingestuft - ohne, dass die entsprechenden Leistungen, Hilfsmittel oder Medizinprodukte durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ausdrücklich als "Neue Methode" nach "§ 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V" eingeordnet wurden.
- Vom GKV-Spitzenverband war speziell zur Methodenbewertung bei Medizinprodukten und Hilfsmitteln in einer Stellungnahme vom 23.03.2015 (Ausschussdrucksache zur Anhörung am 25.03.2013, PDF) festgestellt worden:
Es besteht beispielsweise keinerlei Notwendigkeit, Herzschrittmacher, Hüftprothesen oder Defibrillatoren - obschon medizinproduktrechtlich der höchsten Risikoklasse zugeordnet - einer G-BA-Studie zu unterziehen, bloß weil sie neu in den Verkehr gebracht wurden. Eine Notwendigkeit ergibt sich erst dann, wenn die Anwendung neuer Produkte mit einem neuartigen Behandlungskonzept verbunden ist, über deren Nutzen und Schadenspotenzial im Vergleich zu etablierten Behandlungsstandards kein zureichendes Wissen vorliegt.
Durch die Einführung des § 137h SGB V zur Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse wurden in der Folge neue Möglichkeiten zur transparenten Steuerung der Bewertung von Medizinprodukten hoher Risikoklasse geschaffen.
Anmerkung: Auch Arzneimittel können einer Einstufung als "NUB" gemäß obiger Liste unterliegen, wenn sie im Rahmen einer besonderen Behandlungsmethode angewendet werden und die Methode im Vordergrund steht.
Klarheit hinsichtlich der Zuordnung von Methoden zu "NUB" sollte wohl eigentlich eine Gesetzesänderung durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) geben, das am 16.07.2015 in Kraft trat. Im Zuge dieses Artikelgesetzes wurde auch § 87 Abs. 3e SGB V geändert. Neu wurden Vorgaben für den Bewertungsausschuss eingeführt, die der formalen Abgrenzung von neuen Leistungen und "neuen Methoden" nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V dienen.
Eine entsprechende Änderung der Verfahrensordnung des G-BA erfolgte mit Datum vom 18.07.2019:
Beschluss zur Verfahrensordnung: Abgrenzung einer neuen Leistung zu einer neuen Methode nach § 87 Abs. 3e SGB V.
Die aktuelle Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses macht indessen deutlich, dass ohne einen Antrag der hierzu Berechtigten (Unparteiische nach § 91 Abs. 2 Satz 1 SGB V, Vertreter von KBV, KV, GKV-SV im G-BA) keine Leistung als neue Methode gemäß § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V vom G-BA bewertet wird, unabhängig davon, was das "gemeinsame Einverständnis" im Rahmen der Abstimmungen nach § 87 Abs. 3e SGB V ergeben hat.
Die Einleitung eines Bewertungsverfahrens als "NUB" hängt entscheidend davon ab, ob ein entsprechender Antrag im G-BA überhaupt gestellt - und dann auch angenommen wird.
Die Einstufung als "NUB" kann im Übrigen vom G-BA (einseitig) geändert werden, wenn dem G-BA zu einem späteren Zeitpunkt neue Erkenntnisse vorliegen. Das bedeutet, auch eine einvernehmlich von G-BA und Bewertungsausschuss vorgenommene Einordnung einer Leistung als "NUB" muss keinen Bestand haben. Wenn es im Fall einer solchen Leistung nicht zu einem Bewertungsverfahren kommt, so muss das also nicht zwangsläufig bedeuten, dass es sich um eine Methode im Sinne des § 135 SGB V handelt - auch, wenn diese Feststellung nach Einvernehmen von G-BA und Bewertungsausschuss zeitweise zutraf (siehe Tragende Gründe zum Beschluss vom 18.07.2019).
So wurde vom G-BA ausgeführt:
"Stellt also der Auskunftsberechtigte nach einvernehmlicher Auskunft, es handele sich bei der von ihm vorgelegten Leistung um eine neue Methode, einen Antrag nach § 137e Absatz 7 SGB V, kann der Gemeinsame Bundesausschuss neben anderen Erwägungen auch eine Erprobung ablehnen mit der Begründung, es liege keine neue Methode vor, wenn er zu diesem Zeitpunkt über neue Erkenntnisse verfügt, welche der Auskunftsberechtigte bei Ersuchen um Auskunft im Rahmen des Verfahren nach § 87 Absatz 3e SGB V nicht vorgelegt hat."
Letztlich kann nur der Gemeinsame Bundesausschuss eine Methode zur "NUB" erklären. Dies erklärt, dass sich neben den positiv bewerteten und in den Richtlinien des G-BA aufgenommenen Methoden auch für eine "NUB"-Bewertung ausgewählte Methoden auf den Webseiten des G-BA aufgelistet finden, deren Bewertung noch nicht abgeschlossen wurde - und dass darüber hinaus auch eine Liste negativ bewerteter Methoden in der "Anlage II" der "Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung" geführt wird.