Verbandmittel

Erstellt am 09 Sep 2016 15:04 - Zuletzt geändert: 23 Dec 2022 20:00

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat eine Themenseite Verbandmittel und sonstige Produkte zur Wundbehandlung eingerichtet.

Generelle Regelungen zu Verbandmitteln wurden in einem neu geschaffenen Abschnitt "P - Verbandmittel und sonstige Produkte zur Wundbehandlung" der Arzneimittel-Richtlinie eingefügt. In diesem Abschnitt werden der grundsätzliche Umfang des Leistungsanspruchs und die formalen Verordnungsvoraussetzungen zusammengefasst. Außerdem findet sich dort in § 54 eine theoretische Erläuterung zur Abgrenzung zu sonstigen Produkten der Wundbehandlung.

Die - vom Gesetzgeber in § 31 Abs. 1a Satz 4 SGB V geforderte - Liste der zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähigen Verbandmittel findet sich in Anlage Va der Arzneimittel-Richtlinie (Verbandmittel und sonstige Produkte zur Wundbehandlung).
Die Anlage Va der Arzneimittel-Richtlinie enthält einen Teil 1, der "konventionelle Verbandmittel" auflistet. Der Teil 2 ist den Verbandmitteln gewidmet, die über "ergänzende Eigenschaften" verfügen.
Teil 3 soll später Produkte aufnehmen, die "Sonstige Produkte der Wundbehandlung" sind und über z.B. pharmakologische, metabolische oder immunologische Wirkungen verfügen. Teil 3 ist derzeit (Dezember 2022) noch ungefüllt.
Alle Produkte, die in Anlage Va der Arzneimittel-Richtlinie genannt werden, sind als Regelleistungen der GKV verordnungsfähig!

In dem Nichtbeanstandungsschreiben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vom 20.10.2020 zum Beschluss vom 20.08.2020 (Inkrafttreten: 02.12.2020) wird betont, dass das BMG davon ausgeht, dass die Zusammenstellung der Produktgruppen in Anlage Va Teil 2 keinen abschließenden Charakter hat.

Aufgrund einer Übergangsregelung sind "sonstige Produkte zur Wundbehandlung" ("aktive Wundbehandlungsprodukte"; Teil 3 der Anlage Va) mit in der Wunde pharmakologisch, metabolisch oder immunologisch wirkenden Inhaltsstoffen, noch bis 02.12.2023 grundsätzlich erstattungsfähig. Dies betrifft vermutlich viele Verbandmittel mit Silber, PHMB, Ibuprofen, alle konservierten und unkonservierten Hydrogele in Gelform, resorbierbare Produkte, wie Kollagen und Hyaluronsäure und spezielle Reinigungskompressen/-tücher/-pads/-schwämme.

Weitere leistungsrechtliche Regelungen zur Wundversorgung

Folgende Regelleistungen in der GKV lassen sich identifizieren:

  • Arzneimittelähnliche Medizinprodukte gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V, die in Anlage V der Arzneimittel-Richtlinie aufgenommen wurden. Hierzu gehören derzeit:
    • Wundspül-Lösungen: Nur unkonservierte NaCl 0,9%-, Ringerlösung und Aqua von Fresenius und B.Braun für bestimmte Indikationen, wie Wundspülung, und in Abpackungen für die einmalige Anwendung (gemäß Anlage V der Arzneimittel-Richtlinie).
  • Desinfektionsmittel (ausschließlich zur Anwendung am Patienten), Monovetten und Tupfer zur Blutentnahme, physiologische Kochsalzlösung, Heftpflaster - im Rahmen des Sprechstundenbedarfs (SSB; bundeslandabhängig bzw. bezirksabhängig jährlich neu verhandelt!). Die Verwendung von Produkten des Sprechstundenbedarfs ist für eine geplante Versorgung, z. B. Verbandwechsel, unzulässig!
  • Abdeckrollen, Händedesinfektionsmittel, Einmalhandschuhe, Einmalpapierhandtücher gehören zum Praxisbedarf einer medizinischen Praxis und gehen zu Lasten des Inhabers bzw. werden nicht gesondert vergütet.
  • Medizinische Kompressionsstrümpfe, viele An- und Ausziehhilfen, einige Pflasterlöser, Analtampons, einige Hautschutzfilme als Spray oder Applikatorstab (derzeit 3M™Cavilon™, Cutimed ® protect, Askina ® Barrier Film, Sensi-Care™), Antidekubitusmatratzen/-systeme, Verbandschuhe, Positionierungshilfsmittel, können als Hilfsmittel verordnet werden, wenn die Indikation dem Hilfsmittelverzeichnis entspricht.
  • Verschreibungspflichtige Arzneimittel können unter Umständen als Kassenleistung verordnet werden:
    • Enzymatische Wundreiniger und Lokalantibiotika.
    • Contractubex® Gel für Kinder unter zwölf Jahren oder – wenn Entwicklungsstörungen vorliegen – unter 18 Jahren.
  • Laut "Anlage I" (OTC-Ausnahmeliste) der Arzneimittel-Richtlinie können folgende Produkte ausnahmsweise als Kassenleistung rezeptiert werden:
    • topische Anästhetika und/oder Antiseptika für die Selbstbehandlung schwerwiegender generalisierter blasenbildender Hauterkrankungen (z. B. Epidermolysis bullosa, hereditaria; Pemphigus).
    • Antiseptika (einschließlich Octenisept ®) und Gleitmittel (nur) für Patienten mit Katheterisierung.
    • Iod-Verbindungen (PVP-Jod) bei Dekubitus und Ulcus cruris.

Sowohl der Arzt als auch unser Pflegedienst müssen auf die Wirtschaftlichkeit der Wundversorgung achten. Die Notwendigkeit darf hier also nicht überschritten werden, sodass die Krankenkasse nicht alle Kosten der Wundversorgung erstattet. Kosten für Wundspülungen, Desinfektion und Reinigung der Wunde müssen von Ihnen übernommen werden. Spezielle Therapien müssen durch die Krankenkasse erst genehmigt werden.

  • In ähnlicher Weise heißt es bei dem Ambulanten Pflegedienst "Aktiv Dahoam":

Der behandelnde Arzt muss bei der Verordnung auf die Wirtschaftlichkeit der medizinischen Maßnahmen achten. Die verordneten Leistungen müssen zweckdienlich, ausreichend und wirtschaftlich sein, sodass sie die Notwendigkeit nicht überschreiten. Deshalb werden auch nicht alle Leistungen in der Wundversorgung erstattet.
Therapien mit Unterdruck oder Kaltplasma müssen zunächst von der Krankenkasse genehmigt werden. Des Weiteren müssen Patienten die Kosten für Wundspülungen zur Desinfektion und Reinigung der Wunde selbst bezahlen.

Expertengruppen, Interessenverbände

Weitere Regelungen im Zusammenhang mit der Wundversorgung

Insbesondere mit folgenden Änderungen der Häusliche Krankenpflege-Richtlinie (HKP-RL) wird den Besonderheiten der Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden Rechnung getragen:
Versorgung durch spezialisierte Leistungserbringer
… Wundversorgung soll deshalb durch einen spezialisierten Leistungserbringer mit dahingehend qualifizierten Pflegefachkräften erfolgen.
Anleitung der Patientinnen und Patienten zu wundspezifischen Maßnahmen durch spezialisierte Leistungserbringer möglich

Interprofessionelle Zusammenarbeit wird gestärkt
… Um die Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen zu stärken, wurde in der Leistungsbeschreibung zur Wundversorgung ein enges Abstimmungserfordernis ergänzt. Zudem konkretisierte der G-BA die Vorgaben an die Dokumentation und die Beurteilung des Therapieverlaufs. …
Chronische und schwer heilende Wunden können zukünftig auch in spezialisierten Einrichtungen ambulant versorgt werden


Abgrenzung von Verbandmitteln und sonstigen Produkten zur Wundbehandlung


Hintergrund - Geschichte der "Anlage Va"

Mit Datum vom 20.08.2020 war vom G-BA folgendes zur Abgrenzung des Begriffes der Verbandmittel beschlossen worden:

Zur Gruppe der Verbandmittel mit ergänzenden Eigenschaften zählen beispielsweise reinigende oder feucht haltende Produkte wie Hydrofasern, Produkte mit antiadhäsiven Eigenschaften wie Salbenkompressen, reinigende oder geruchsbindende Produkte wie aktivkohlehaltige Wundauflagen sowie reinigende oder Wundexsudat-bindende/antimikrobielle Produkte wie sogenannte Superabsorber (Kompressen). Ein weiteres Beispiel für Verbandmittel mit ergänzenden Eigenschaften sind silberhaltige Wundauflagen, sofern das Silber keinen direkten Wundkontakt hat oder antimikrobiell wirkende Silberionen nicht in die Wunde abgegeben werden. Produkte dieser Kategorie erzielen zusätzlich zur Wirkung eines „klassischen“ Verbandmittels – Bedecken, Aufsaugen, Stabilisieren, Immobilisieren, Komprimieren – durch ihre ergänzenden Eigenschaften eine möglichst physiologische und damit die natürliche Wundheilung unterstützende Umgebung, ohne dabei eine auf pharmakologischer, immunologischer oder metabolischer Wirkweise beruhende therapeutische Wirkung zu entfalten. In der neuen Anlage Va Teil 2 der Arzneimittel-Richtlinie werden Regelbeispiele für Produktgruppen von Verbandmittel mit ergänzenden Eigenschaften aufgeführt.

Satz 2 in § 31 Absatz 1a SGB V wurde nunmehr wie folgt gefasst: Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, anti-mikrobiell oder metallbeschichtet ist.

Der G-BA war bereits in der Folge des "Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG)" vom Gesetzgeber beauftragt worden, Näheres zur Abgrenzung von Verbandmitteln und "sonstigen Produkten der Wundbehandlung" zu regeln. Dieser Auftrag zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung durch den G-BA wurde nun bis zum 31. August 2020 befristet.

Durch die Abgrenzung der therapeutischen Wirkung bereits im Gesetzestext wurden Produkte, die antimikrobiell im Sinne einer bakteriziden/bakteriostatischen, auf pharmakologischen Wirkungen basierenden Eigenschaft wirken, bereits durch das GSAV aus der Verbandmitteldefinition herausgenommen und damit aus der Regel-Verordnungsfähigkeit.

Nach Inkrafttreten des GSAV besteht offenbar Übereinstimmung zwischen Gesetz und Richtlinie.


In der Folge des HHVG hatte der G-BA mit Beschluss vom 19. April 2018 bereits eine Richtlinie beschlossen. Der G-BA hatte in seinem Richtlinien-Entwurf die Verbandmitteldefinition weiter eingrenzt, als es im HHVG geschehen war.

Hierzu hatte BMG-Ministerialdirektor Dr. Ulrich Orlowski 2018 in einem Schreiben an den G-BA-Vorsitzenden Hecken formuliert, der Richtlinien-Entwurf bzw. die darin vorgenommene "Eingrenzung des Verbandmittelbegriffs auf Produkte, deren ergänzende Eigenschaft ausschließlich auf physikalischem Weg erreicht wird, steht dem Gesetzestext entgegen".

Durch die Definition der therapeutischen Wirkung wurde der Verbandmittelbegriff nach damaliger (2018) Meinung des BMG enger gefasst, als es der Gesetzgeber in Gesetzeswortlaut und -begründung des HHVG vorgesehen hatte.

Neu geschaffen wurde § 31 Absatz 1a SGB V. Dieser fügte erstmals eine Definition von Verbandsmitteln in das SGB V ein.
Satz 1 in § 31 Absatz 1a lautete: Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen.
Satz 2 in § 31 Absatz 1a lautete: Darunter fallen auch Verbandmittel, wenn sie ergänzend eine Wunde feucht halten.
Satz 3 in § 31 Absatz 1a lautete: Erfasst sind auch Mittel, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen ohne offene Wunden verwendet werden können, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren.

"Sonstige Produkte der Wundbehandlung" wurden im HHVG definitorisch von den Verbandmitteln abgegrenzt. Dadurch sind entsprechende Produkte nicht von vornherein durch Ärzte verordnungsfähig. Das HHVG klärte, dass "sonstige Produkte der Wundbehandlung" nur dann eine GKV-Leistung sind, wenn sie vom G-BA als medizinisch notwendig eingestuft wurden. (Aktuell greift diese Regelung womöglich noch nicht, da die entsprechende Richtlinie des G-BA noch nicht rechtskräftig ist und noch keine Bewertungen "sonstiger Produkte der Wundbehandlung" seitens des G-BA eingeleitet wurden.)



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