Nahrungsergänzungsmittel

Erstellt am 02 Aug 2018 19:07 - Zuletzt geändert: 18 Dec 2020 19:33

In der Arzneimittelverschreibungsverordnung, Anlage 1, sind - neben quasi "eindeutigen" Arzneimitteln - auch Stoffe aufgeführt, die Nahrungsergänzungsmittel sein können, aber unter Umständen auch (wie Vitamin D und Zink bei Überschreitung bestimmter Tagesdosen) als Arzneimittel rezeptpflichtig sind.
In der Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie (Richtlinie 2002/46/EG) ist vorgesehen, dass für Vitamine und Mineralstoffe, die in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sind, Höchstmengen gesetzlich festgesetzt werden. Die Kriterien zur Festsetzung solcher Höchstwerte sind im Prinzip bereits in der Verordnung enthalten.
Bislang (mehr als 10 Jahre nach Verabschiedung der Richtlinie) steht aber eine gesetzlich normierte Festsetzung solcher Höchstmengen aber noch aus, weil eine Einigung auf europäischer Ebene über konkrete Höchstmengen noch nicht gelungen ist.
Konkret finden sich unter den laut § 3 NemV zugelassenen Stoffen nur Vitamine und Mineralien; denn die Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel, (PDF) definiert als Nährstoffe nur Vitamine und Mineralstoffe. Daher enthält auch die Aufzählung der Stoffe im Anhang I der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments nur Vitamine und Mineralstoffe.
Voraussetzung für eine Registrierung gemäß § 1 Nahrungsergänzungsmittel-Verordnung (NemV) ist es unter anderem, dass die Nahrungsergänzungsmittel

  • dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung zu ergänzen,
  • in dosierter Form, […] in abgemessenen kleinen Mengen in den Verkehr gebracht werden.

Die Health-Claims-Verordnung regelt, welche gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel zulässig sind; zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden dürfen Nahrungsergänzungsmittel nicht beworben werden. Eine gute Übersicht der Unterschiede zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und Arzneimitteln im Hinblick auf werbliche Aussagen präsentiert das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf seinen Webseiten.

Laut Auskunft des Lebensmittelverband Deutschland e. V. (ehemals Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V.) obliegt es derzeit in Deutschland den Herstellern von Nahrungsergänzungsmitteln, die Sicherheit und Unbedenklichkeit ihrer Produkte im Hinblick auf die Dosierung der verwendeten Vitamine und Mineralstoffe zu garantieren.

Die Verbraucherzentrale informiert, dass es für Pflanzenzubereitungen wie Aloe vera, Goji oder Noni sowie für sekundäre Pflanzenstoffe und Fettsäuren - und damit auch für Pflanzenextrakte mit Cannabidiol - noch keine gesetzlichen Regelungen gibt.
Daneben informiert die Verbraucherzentrale auch darüber, dass zunehmend Produkte nicht als Nahrungsergänzungsmittel, sondern als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (ergänzende bilanzierte Diäten) vermarktet werden.

Es gab bislang in Deutschland schon eine Vielzahl von juristischen Auseinandersetzungen zu Abgrenzungsfragen zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und Arzneimitteln bzw. zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung bei Produkten mit strittiger Einordnung, z.B. hinsichtlich des Nahrungsergänzungs-/Arzneimittels Melatonin:

Zu dieser Problematik hatte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) am 14.06.1996 eine Meldung mit folgender Überschrift herausgegeben: Melatonin als Arzneimittel zulassungspflichtig - Empfehlung der Bundesinstitute erfolgt dosisunabhängig.
Hintergrund war, dass Melatonin trotz einer Einstufung durch das BfArM, wonach es sich bei Melatonin in allen Dosierungen um ein Arzneimittel handelt, aufgrund einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 20.08.1998 (Az. 2 L 46/98) weiterhin als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben wurde.
Der damaligen Stellungnahme des BfR war folgendes zu den rechtlichen Rahmenbedingungen zu entnehmen:

Melatonin in isolierter und konzentrierter Form aus pflanzlichen Lebensmitteln dient weder der Ernährung oder dem Genuß, noch besteht ein Bedarf im Sinne eines lebensnotwendigen Mikronährstoffes. Damit ist Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel nach Ansicht des BgVV nicht verkehrsfähig. … BfArM und BgVV halten eine abschließende Nutzen-Risiko-Bewertung für zwingend erforderlich.
Die endgültige Entscheidung über die Einstufung von Melatonin obliegt den Überwachungsbehörden der Bundesländer. Sie kontrollieren die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und damit die Verkehrsfähigkeit der Produkte einschließlich ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit.
Um auch den Direktvertrieb solcher Präparate unterbinden zu können, ist es erforderlich, daß sich die zuständige europäische Kommission in Brüssel für eine einheitliche Beurteilung in den europäischen Ländern einsetzt.

Eine Regelung durch die Europäische Kommission ist hinsichtlich der Einstufung von Nicht-Vitaminen und Nicht-Mineralstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln bislang nicht erfolgt.

Auf der Webseite DRM Legal des Rechtsanwaltes Dr. Florian Meyer findet sich eine Sammlung von Urteilen zur Abgrenzung von Medizinprodukten, Arzneimitteln und "Funktionsarzneimitteln", psychoaktiv wirksamen Pflanzen sowie Kosmetika.
Dr. Latté vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat am 19. September 2016 einen Vortrag zu den Problemen der Abgrenzung zwischen Arzneimitteln, Medizinprodukten und speziellen Lebensmitteln aus Sicht der Überwachungsbehörde gehalten. Die Folien dieses Vortrags können hier online angesehen werden. Auf den Webseiten des BfArM finden sich auch Erläuterungen zu Abgrenzungsfragen.



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