Kopforthesen

Erstellt am 17 Dec 2015 16:48
Zuletzt geändert: 21 Sep 2022 12:38

Die Sozialmedizinische Expertengruppe "Hilfsmittel und Medizinprodukte" der MDK-Gemeinschaft (SEG 5) hatte im Jahr 2005 ein Grundsatzgutachten zu Kopforthesen (Molding helmets) zur Behandlung der nicht-synostotischen Schädelasymmetrie erstellt. Dieses Gutachten wurde im Oktober 2010 aktualisiert.

Kernaussagen dieses Gutachtens sind:

  • Krankheitswertigkeit bzw. drohende Behinderung

Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass es eine sozialrechtlich anerkannte Definition der Krankheitswertigkeit von nicht verknöchernden Kopfformvariationen nicht gibt. Wann eine Entstellung im o. a. Sinne vorliegt, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Wissenschaftlich gesicherte Belege, dass eine nicht-synostotische Schädelasymmetrie – neben dem ggf. entstellenden Aspekt – im späteren Leben zu strukturellen oder funktionellen Schädigungen oder gar lebenslangen Behinderungen führt, gibt es nicht.

  • Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode und Nutzenbeleg

Die Versorgung mit Kopforthesen zur Korrektur der nicht-synostotischen Schädelasymmetrie - mit der erforderlichen ärztlichen Diagnostik, Therapieeinleitung, -Begleitung und -beendigung - stellt ein Vorgehen dar, das in seiner Gesamtheit die Kriterien einer "Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode" erfüllt. Damit handelt es sich bei einer entsprechenden Anfrage nicht um die bloße Verordnung eines Hilfsmittels.
Der Nachweis, dass der Einsatz von Kopforthesen zur Behandlung der Schädeldeformität der Lagerungstherapie und ggf. weiterer erforderlicher Maßnahmen (z.B. Krankengymnastik oder Manuelle Therapie) gleichwertig oder überlegen ist, konnte in gut geplanten und einwandfrei durchgeführten Studien bislang noch nicht geführt werden.

  • Medizinische Interventionen bei nicht-synostotischen Schädelasymmetrien zu Lasten der GKV

Zeigen sich bei der Kinderuntersuchung (z. B. im Rahmen der Kindervorsorge-Untersuchungen) Schädelasymmetrien, sind differenzialdiagnostische Abklärungen erforderlich, da die Asymmetrie ein Hinweis auf andere behandlungsbedürftige Erkrankungen sein kann. Primäres Behandlungsziel ist aber nicht die Korrektur einer Schädelasymmetrie, sondern die Behandlung der zugrundeliegenden Störung. Funktionelle oder strukturelle Schädigungen bei Säuglingen und Kleinkindern wie beispielsweise Torticollis (Muskelverkürzungen im Bereich des Halses), Koordinationsstörungen und persistierende pathologische Reflexe, die zu Lagerungsstörungen (und somit möglicherweise auch zur Schädelasymmetrie) führen, bedürfen einer ärztlichen Diagnostik und Therapie (u. a. Verordnung von Heilmitteln).
Sind Risikofaktoren bekannt (z. B. Neigung des Kindes zu einer bevorzugten einseitigen Lagerung), die zur Entwicklung einer Schädeldeformität führen können, sollten antizipatorische Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehören eine frühzeitige Instruktion im Handling und in der Lagerung wie z. B. das Durchführen der Bauchlage im Wachzustand ("Tummy-time"). Diese Instruktionen im Handling und in der Lagerung sollten ggf. schon bei der ersten und spätestens bei der zweiten Vorsorgeuntersuchung erfolgen.

  • Fazit

Der G-BA hat die Behandlung von nicht-synostotischen Schädelasymmetrien durch Kopforthesen noch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Nach Einschätzung der Autoren des SEG-5-Grundsatzgutachtens handelt es sich bei der nicht-synostotischen Schädelasymmetrie weder um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit noch um eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung (Verlust eines nicht kompensierbaren Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion) noch um einen sogenannten Seltenheitsfall, so dass die diesbezüglichen Ausnahmeregelungen für eine Leistungspflicht nicht in Betracht kommen.

Vom GKV-Spitzenverbandes wurde zu Zeiten vor dem so genannten "MDK-Reformgesetz" geäußert, dass eine Einzelfallbegutachtung bei Anträgen auf Kopforthesen, u. a. nach der Begutachtungsanleitung zu außervertraglichen "Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB)" durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) nicht in Betracht komme. Damals lag die Richtlinienkompetenz für die MDK-Begutachtung beim GKV-Spitzenverband.

Der GKV-Spitzenverband hatte in einem Rundschreiben mit der laufenden Nr. RS 2011/342 vom 13.07.2011 den Krankenkassen empfohlen, Anträge auf Übernahme der Kosten für die Behandlung von nicht-synostotischen Schädelasymmetrien durch Kopforthesen abzulehnen, soweit die Durchführung außerhalb von Modellvorhaben nach § 63 bis § 65 SGB V erfolgte.
Eine aktuelle Einschätzung durch den Medizinischen Dienst Bund als aktueller Richtliniengeber der Medizinischen Dienste liegt (derzeit; 2022) nicht vor.

Laut Aussage des GKV-Spitzenverband können das Grundsatz-Gutachten vom 29. Oktober 2010 sowie das dazugehörige Rundschreiben bei Verfahren vor Widerspruchsausschüssen und Sozialgerichten hinzugezogen werden.
Das Gutachten war auch in die damalige Informationsdatenbank der Medizinischen Dienste "InfoMeD-KK" (Version für die Krankenkassen) eingestellt worden mit Vermerk, dass es für die genannten Zwecke verwendet werden darf.

Siehe auch: Rehadat zur Helmtherapie - Urteil des LSG Berlin-Brandenburg L 1 KR 140/12 vom 19.10.2012

Weblinks:


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