Erstellt am 21 Sep 2015 14:37
Zuletzt geändert: 08 May 2019 14:43
Abstract
Die Herzhose® wird eingesetzt als nicht invasive, ambulant durchzuführende Behandlung bei Herzinsuffizienz. Das dabei genutzte Prinzip wird Gegenpulsation genannt und soll die Bildung biologischer Bypässe anregen.
Abgrenzung / Begriffsklärung
Bei der Methode der Herzhose®-Therapie handelt es sich um eine Weiterentwicklung der so genannten externen Gegenstrompulsation (ECP).
Das Herzhose®-Verfahren der Charité unterscheidet sich von dem älteren Verfahren der externen Gegenpulsation (ECP) dadurch, dass hier nicht die Erzeugung von Blutdruck-Pulswellen bestimmter Stärke als wirksamer Therapiefaktor gesehen wird, sondern der Impuls, der durch das Aufblasen der Manschetten entsteht und spezifische Scherkräfte (Shear Stress Faktoren) erzeugt. Die so genannte „Shear Rate“ wird für jeden Patienten mittels eines patentierten Gefäßtachometer® individuell ermittelt und dient als Berechnungsgrundlage für die Einstellung der personalisierten Herzhose®-Therapie.
Die Vorgängersysteme der Herzhose®, die externen Gegenpulsationsgeräte (ECP oder EECP-Geräte), wurden 1979 von der amerikanischen Zulassungsbehörde als Medizinprodukte der Risikoklasse III eingestuft; diese Einstufung gilt in den USA bis heute.
Beschreibung / Funktionsprinzip / Hintergrund
Für die Methode wird eine komplexe apparative Vorrichtung eingesetzt:
Benötigt werden typischerweise eine Behandlungsliege, ein Satz von Druckmanschetten und eine Steuerkonsole. Über die Steuerkonsole wird die pneumatische Füllung und Entlüftung der Druck-Manschetten geregelt. Die aufblasbaren Druckmanschetten werden in Hohe der Waden, der unteren und oberen Schenkel und / oder in Gesäßhöhe angebracht. Sie werden während der diastolischen Phase des Herzzyklus, ausgehend von den Knöcheln, proximal aufsteigend schnell und sequentiell aufgeblasen.
Die Synchronisierung zwischen Herzzyklus und Inflations-Deflationszyklus der Manschetten wird über eine spezifische Software innerhalb der Steuerkonsole koordiniert. Über die eng zeitlich koordinierten Druckpulse soll sowohl der arterielle retrograder Blutfluss zum Herzen als auch der Blutfluss in den Koronararterien zu einem Zeitpunkt erhöht werden, in dem der Widerstand gegen die koronare Durchblutung niedrig ist.
Gleichzeitig soll das Volumen des venösen Blutes auf der rechten Seite des Herzens erhöht und somit eine verbesserte Füllung der Herzkammer zum Beginn der Systole (Ausstoßungsphase) erreicht werden.
Der Effekt dieser Gegenpulsation soll somit in einer Umverteilung des Blutvolumens und einer Beschleunigung des Blutstromes analog einer körperlichen Trainingseinheit führen - ohne jedoch die Herzfrequenz ansteigen zu lassen.
Indikation
Auf der Internetseite Herzhose wird lediglich die Herzinsuffizienz als Indikation für diese spezifische Therapie genannt.
Kontraindikationen
Auf der Internetseite Herzhose werden folgende Kontraindikationen genannt:
Patienten, die unter offenen Stellen an den Beinen, schweren Herzklappenfehlern oder akuten Thrombosen leiden, können nicht mit der Herzhose behandelt werden. Ebenso sind Patienten, die bereits mit Bypässen an den Beinen versorgt sind, nicht für die Therapie geeignet.
Bewertung der allgemeinen Evidenz
Die Ergebnisse einer kleinen kontrollierten Studie wurden 2009 publiziert1. In dieser Studie waren 23 Patienten mit stabiler KHK und mindestens einer hämodynamisch wirksamen Stenose untersucht worden. 16 Patienten erhielten die Herzhosentherapie („Shear-Training“) und 7 Patienten dienten als Kontrolle. Alle Patienten wurden zu Beginn und nach Ende des Behandlungs- bzw. Beobachtungsintervalls koronarangiografiert mit Messung des druckabhängigen kollateralen Flußindexes (CFIp; primärer Endpunkt) sowie der fraktionalen Flußreserve (FFR). Beide Parameter verbesserten sich in der Herzhosengruppe statistisch signifikant, während in der Kontrollgruppe keine nachweisbare positive Veränderung auftrat. Bei sechs der 16 Herzhosenpatienten konnte im Anschluss auf die ursprünglich geplante Stentimplantation verzichtet werden.
Eine Studie zur Arteriogenese durch Anwendung der Methode wurde als "arteriogenesis network trial 2" oder "Art.Net.-2 Trial" bezeichnet. Diese "Art.Net"- Studie wurde 2010 in einer Publikation vorgestellt und sollte eigentlich bereits nach wenigen Monaten Ergebnisse zeigen2. Bislang wurden jedoch keine Ergebnisse der "Art.Net"-Studie publiziert.
Legalstatus
Den Informationen der Anbieter (Herzhose-Station Berlin) lässt sich entnehmen, dass es sich bei der Herzhose um ein Medizinprodukt handelt, das bislang nicht in den Hilfsmittelkatalog der Gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen wurde, das jedoch evtl. als Hilfsmittel aufgefasst werden könnte.
Eine Einordnung des Produktes in das Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen oder Veror-tung in einem anderen leistungsrechtlichen Kontext erfolgten bislang jedoch noch nicht. Es handelt sich somit um ein Produkt, welches noch nicht hinsichtlich der grundsätzlichen Einord-nung als Hilfsmittel und seiner grundsätzlichen Verordnungsfähigkeit und ggf. hierzu vorauszu-setzender Indikationen geprüft wurde.
Eine Verordnung von Hilfsmitteln zu Lasten der GKV, welche nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet sind, kann aber in Einzelfällen bei außergewöhnlicher Bedarfslage in Frage kommen, wenn eine medizinische Notwendigkeit der Verordnung nachprüfbar besteht.
Die Herzhose soll allerdings prinzipiell im Rahmen eines spezifischen Behandlungskonzeptes als „Herzhosen-Therapie“ zum Einsatz kommen und stellt somit eine ärztliche „Behandlungsmethode“ im Sinne der GKV dar. Als ärztliche „Behandlungsmethoden“ im Sinne der GKV werden medizinische Vorgehensweisen bezeichnet, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll.
Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass in sozialrechtlicher Definition bei einer neuen Behandlungsmethode, welche über ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept verfügt, von einer so genannten „Neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode (NUB)“ zu sprechen ist.
Wenn ein Hilfsmittel im Rahmen einer solchen NUB eingesetzt wird, muss diese neue Methode (NUB) gemäß § 135 SGB V zuerst durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bewertet werden, bevor sie im Regelfall zu Lasten der GKV erbracht werden kann.
Eine solche Bewertung liegt für die Herzhosen-Therapie nicht vor. Das Thema wird zurzeit auch nicht im G-BA beraten.
Alternativen
Prinzipiell besteht die alternative Behandlung in der Behandlung der Grunderkrankung und Vermeidung bzw. Beeinflussung der Risikofaktoren. Bei symptomatischen Koronarverschlüssen kommen, in Abhängigkeit vom kardiologischen Befund, interventionelle oder operative Maßnahmen (Stenteinlage, Bypass) in Frage.
Quellen
- Picard F, Panagiotidou P, Wolf-Pütz A, et al. Usefulness of Individual Shear Rate Therapy, New Treatment Option for Patients With Symptomatic Coronary Artery Disease. Am J Cardiol. 2018 Feb 15;121(4):416-422. doi: 10.1016/j.amjcard.2017.11.004.
Abstract
The aim of this study was to elucidate if patients with coronary artery disease (CAD), who fail to respond to revascularization procedures, can improve from individual shear rate therapy (ISRT). The ISRT is an adaptation of the external counterpulsation with lower individual treatment pressures based on Doppler-ultrasound measurements during counterpulsation. In contrast to the external counterpulsation therapy, the ISRT is based on the detection of the individual intra-arterial shear rate. Here we report about the first clinical trial of 31 patients with CAD who were enrolled for 30 sessions of ISRT. To determine the therapeutic effect of ISRT we measured the exercise capacity, the arterial stiffness, the aortic wave reflection, and the 24-hour blood pressure before and after 30 treatment sessions. After 6 weeks of accomplished ISRT the walking distance during the 6-minute walking test extended by 78 m (p = 0.007). The total exercise duration in the exercise stress electrocardiogram increased by 84 seconds (p = 0.012) but not the stress intensity (p = 0.086). The pulse wave velocity decreased by 1.2 m/s (p = 0.004) and demonstrated a decrease in arterial stiffness. Pulse wave analysis results demonstrated a progressive decrease in central blood pressure by 12 mmHg (p = 0.008), in pulse pressure by 9 mmHg (p = 0.005), and in augmentation pressure by 5.3 mmHg (p = 0.004). The 24-hour blood pressure decreased systolic by 15 mmHg (p <0.001) and diastolic by 8 mmHg (p = 0.033). The patients also benefited subjectively followed by New York Heart Association and Canadian Cardiovascular Society classifications. In conclusion, the ISRT is an effective treatment for patients with CAD to improve cardiac fitness, arterial stiffness, and to reduce blood pressure.
Übersetzt:
Ziel dieser Studie war es, zu klären, ob Patienten mit koronarer Herzkrankheit (CAD), die nicht auf Revaskularisationsverfahren ansprechen, sich durch eine individuelle Schergeschwindigkeitstherapie (ISRT) verbessern können. Der ISRT ist eine Anpassung der externen Gegenpulsation mit niedrigeren individuellen Behandlungsdrücken, basierend auf Doppler-Ultraschallmessungen während der Gegenpulsation. Im Gegensatz zur externen Gegenpulsationstherapie basiert die ISRT auf der Erfassung der individuellen intraarteriellen Schergeschwindigkeit. Hier berichten wir über die erste klinische Studie mit 31 Patienten mit CAD, die für 30 Sitzungen der ISRT eingeschrieben waren. Um die therapeutische Wirkung der ISRT zu bestimmen, haben wir die Belastungskapazität, die arterielle Steifheit, die Aortenwellenreflexion und den 24-Stunden-Blutdruck vor und nach 30 Behandlungssitzungen gemessen. Nach 6 Wochen absolvierter ISRT verlängerte sich die Gehstrecke während des 6-minütigen Gehversuchs um 78 m (p = 0,007). Die Gesamtübungsdauer im Elektrokardiogramm für Belastungsübungen erhöhte sich um 84 Sekunden (p = 0,012), nicht jedoch die Belastungsintensität (p = 0,086). Die Pulswellengeschwindigkeit nahm um 1,2 m/s ab (p = 0,004) und zeigte eine Abnahme der arteriellen Steifheit. Die Ergebnisse der Pulswellenanalyse zeigten eine progressive Abnahme des zentralen Blutdrucks um 12 mmHg (p = 0,008), des Pulsdrucks um 9 mmHg (p = 0,005) und des Augmentationsdrucks um 5,3 mmHg (p = 0,004). Der 24-Stunden-Blutdruck verringerte sich systolisch um 15 mmHg (p <0,001) und diastolisch um 8 mmHg (p = 0,033). Die Patienten profitierten auch subjektiv, was sich in entsprechenden Re-Klassifizierungen nach New York Heart Association und Canadian Cardiovascular Society zeigte. Zusammenfassend ist die ISRT eine wirksame Behandlung für Patienten mit CAD zur Verbesserung der kardialen Fitness, der arteriellen Steifheit und zur Senkung des Blutdrucks.
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