H.E.L.P.-Apherese

Erstellt am 28 Aug 2015 12:29
Zuletzt geändert: 11 Jun 2017 14:10

Abgrenzung / Beschreibung

Bei der H.E.L.P.-Apherese handelt es sich um ein selektives Apherese-Verfahren, bei dem pathogene Substanzen selektiv aus dem Plasma entfernt werden.

Konkret beruht die Heparin-induzierte extrakorporale LDL-Präzipitation oder "H.E.L.P.-Apherese" auf dem technischen Verfahren der Präzipitation. Präzipitations-Apherese-Verfahren nutzen Änderungen der Plasma-Löslichkeit durch Ansäuerung oder durch Abkühlung. Hierdurch werden hochmolekulare Plasmaproteine zur Absetzung (Präzipitation) gebracht.

Die H.E.L.P.-Apherese kann vertragskonform im Rahmen einer genehmigten LDL-Apherese eingesetzt werden.

Indikation

Gemäß Richtlinie „Methoden Ambulante Versorgung“ sind LDL-Apheresen als "Kassenleistung" möglich in folgenden Indikationen:

(1) Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie in homozygoter Ausprägung oder
Patienten mit mit schwerer Hypercholesterinämie, bei denen grundsätzlich mit einer über zwölf Monate dokumentierten maximalen diätetischen und medikamentösen Therapie das LDL-Cholesterin nicht ausreichend gesenkt werden kann.
Im Vordergrund der Abwägung der Indikationsstellung soll dabei das Gesamt-Risikoprofil des Patienten stehen.

(2) Patienten mit isolierter Lp(a)-Erhöhung über 60 mg/dl und LDL-Cholesterin im Normbereich sowie gleichzeitig klinisch und durch bildgebende Verfahren dokumentierter progredienter kardiovaskulärer Erkrankung (koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder zerebrovaskuläre Erkrankungen).

Umstrittene Indikationen der H.E.L.P.-Apherese sind die Behandlung von Schwerhörigkeit, Tinnitus, Morbus Menière und Hörsturz.

Bewertung der allgemeinen Evidenz

Die Evidenz für den Einsatz von Apherese-Verfahren wie der H.E.L.P.-Apherese zur Behandlung bei Schwerhörigkeit, Tinnitus und Hörsturz hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in mehreren Sitzungen ausführlich bewertet und festgestellt, dass den zum damaligen Zeitpunkt veröffentlichten wissenschaftlichen Veröffentlichungen kein valider Nachweis des Nutzens der Apherese in diesen Indikation zu entnehmen war.

Konkret heißt es in dem so genannten HTA-Bericht (Health Technology Assessment) des zuständigen Arbeitsausschusses des G-BA1:

:"Bei den wissenschaftlichen Veröffentlichungen handelt es sich vor allem um die der Arbeitsgruppe Suckfüll et al.(3) , aus denen jedoch kein valider Nachweis des Nutzens geführt werden konnte. […] Nach detaillierter Beratung der Unterlagen und ihrer Auswertung kommt der Ausschuss zu der einvernehmlichen Auffassung, dass der Nutzen der Apherese (hier synonym Rheopherese) bei dieser Indikation vor dem Hintergrund der ungenügenden Datenlage nicht als belegt gelten kann. Eine Aufnahme in die vertragsärztliche Versorgung wird abgelehnt."

Auch spätere systematische wissenschaftliche Untersuchungen konnten bislang keinen patientenrelevanten Nutzen der Hämapherese bei Schwindel, Tinnitus, Hörsturz oder Morbus Menière belegen.

Eine systematische Übersichtsarbeit von Finger und Gostian aus dem Jahr 20062 kommt in einer ausführlichen Würdigung der wissenschaftlichen Datenlage zu dem Schluss, dass für die Apherese-Therapie keine eindeutige Wirksamkeit bei Hörsturz oder Tinnitus zu belegen ist.

In der wissenschaftlichen Datenbank des DIMDI findet sich ein HTA-Bericht mit dem Thema „Therapie des unspezifischen Tinnitus ohne organische Ursache“ aus dem Jahr 2006. Dieser HTA-Bericht kommt zu dem Schluss, dass keine wissenschaftlichen Belege für eine effektive Therapie bei einem seit mehr als 1 Monat bestehenden Hörsturz existieren.

Eine aktuellere randomisierte kontrollierte Studie ist 2009 erschienen (Mösges et al. 20093). In dieser Studie konnte keine Überlegenheit der Apheresetherapie gegenüber einer konventionellen medikamentösen Therapie mit Corticosteroiden oder einer Hämodilutionstherapie gefunden werden. Die Studie war allerdings als so genannte „Nicht-Unterlegenheits-Studie“ angelegt und konnte in dieser Hinsicht zeigen, dass die Apherese der konventionellen Therapie - bei dem gewählten statistischen Sicherheitsfaktor - nicht signifikant unterlegen war. Ein positiver Wirksamkeitsbeleg kann mit einer solchen „Nicht-Unterlegenheits-Studie“ beim Hörsturz nicht erbracht werden, da für die konventionelle Therapie beim Hörsturz eine statistisch robuste Wirksamkeitsschätzung nicht möglich ist. Anzumerken ist zu dieser Studie des Weiteren, dass die konventionelle Therapie in der statistischen Auswertung eine Tendenz zu besserer Wirksamkeit zeigte, die aber bei dem gewählten Aufbau (Design) und Auswertungsplan der Studie keine statistische Signifikanz erreichte. Zu erwähnen ist, dass in dieser Studie zwei schwerwiegende unerwünschte Ereignisse bei einem Apherese-Patienten dokumentiert wurden. Insgesamt traten acht von zehn beobachteten unerwünschten Ereignissen in der Apherese-Gruppe auf. Ein spezifischer Effekt der Fibrinogen- oder Cholesterin-Senkung konnte in dieser Studie nicht gezeigt werden.

Gegen einen Effekt der H.E.L.P.-Apherese bei länger als drei Tage zurückliegendem Hörsturz spricht unter anderem auch die Aussage des Leiters einer Studie zur H.E.L.P-Apherese bei Hörsturz-Patienten, Andreas Dietz, Direktor der HNO-Universitätsklinik Leipzig. Prof. Dietz betonte in einer Pressemitteilung vom 1.03.2007 "Neuer Therapieansatz bei Hörsturz" ausdrücklich, dass die Methode möglichst innerhalb von drei Tagen nach Einsetzen der Symptome angewendet werden müsse, um einen Erfolg zu erzielen. Die Studie scheint nicht sehr erfolgreich verlaufen zu sein, da sich bislang keine Publikation von Prof. Dietz mit Studienergebnissen in den wissenschaftlichen Datenbanken findet (Zum Selber-Nachsehen: Sprung in die Pubmed-Datenbank: Suchergebnis einer Suche nach Prof. Dietz als Autor und "Apherese" als Thema einer Publikation in Medline4). Die Studie wird auch auf der Internetseite der Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Universitätsklinik Leipzig nicht (mehr) aufgeführt. Statt dessen erbringt die Recherche jedoch eine Dissertation aus dem Jahr 2014, in der zwei verschiedene Apherese-Ansätze beim Hörsturz miteinander verglichen werden (Hagemeyer.Fibrinogen und LDL-Apherese zur Behandlung des akuten Hörturzes im Vergleich zur Standardtherapie nach Stennert. Dissertation. Medizinische Fakultät der Universität Leipzig; 2014.) Die Ergebnisse dieser Dissertationsarbeit wurden auch von Berger auf der 84. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. vorgetragen (Die Behandlung des akuten Hörsturzes. Ein Vergleich der H.E.L.P.-Apherese mit der Stennert-Therapie an 200 Patienten. Meeting abstract.).

Anhand der wissenschaftlichen Datenlage lassen sich keine validen Belege für die Wirksamkeit der H.E.L.P.-Apherese in den Indikationen Schwindel, Hörsturz, Tinnitus oder Morbus Menière darstellen. Eine Wirksamkeit in diesen Indikationen ist anhand der wissenschaftlichen Datenlage als nicht belegt anzusehen.

Legalstatus

Die Apherese ist eine Behandlungsmethode, die gemäß Richtlinie „Methoden Ambulante Versorgung“ nur in ganz bestimmten, in dieser Richtlinie genannten Indikationen zu Lasten der GKV erbracht werden kann. In allen Indikationen, die nicht explizit in der Anlage 1 der Richtlinie „Methoden Ambulante Versorgung“ aufgezählt sind, handelt es sich um eine "NUB".

Ob die Abrechnung unspezifischer therapeutischer Apheresen über die GOP 13602 und 13611 des EBM - z. B. aufgrund einer Einzelfallentscheidung der Krankenkasse - grundsätzlich überhaupt möglich ist, ist derzeit nicht abschließend geklärt.

Die LDL-Apherese wird nach der GOP 13620 des EBM abgerechnet, dabei werden die Sachkosten nach den allgemeinen Bestimmungen 7.3 und 7.4 einzeln erstattet.

Achtung bei Fragen der Krankenkasse nach Sachkostenabrechnungen: Die Sachkostenpauschalen aus dem Kapitel 40 sind nur bei Dialyse, nicht bei unspezifischer Plasmapherese abrechenbar!

Qualität

In Anlage 1, § 6 des Kapitels „Ambulante Durchführung von Apheresen als extrakorporales Hämotherapieverfahren“ der Richtlinie „Methoden Ambulante Versorgung“ bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), dass Kommissionen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen einzurichten sind, welche die Indikationsstellung zur Apherese fachkundig beraten sollen.

Voraussetzung für die Durchführung einer jeden Apherese-Therapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ist es demnach, dass die Notwendigkeit der Apherese im Einzelfall von der Apherese-Kommission der jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) bestätigt wird.

Sofern also nicht eine außerordentliche zeitliche Dringlichkeit einer Einzelfallentscheidung von einem Antragsteller geltend gemacht wird, wäre hier zunächst auf die Zuständigkeit der jeweiligen Apherese-Kommission zu verweisen.

Anmerkung: Ein Arzt, der Apheresen durchführen will, benötigt:
1. eine Genehmigung der KV nach der Vereinbarung zu Blutreinigungsverfahren gemäß § 135 Abs. 2 SGB V.

2. gemäß Anlage 1, § 6 des Kapitels „Ambulante Durchführung von Apheresen als extrakorporales Hämotherapieverfahren“ der Richtlinie „Methoden Ambulante Versorgung“ nicht gleichzeitig die Indikation für die Apherese stellen - die Indikation sollte immer von einem anderen Arzt gestellt und von der Apherese-Kommission geprüft werden!

Alternativen

Gemäß Richtlinie „Methoden Ambulante Versorgung“ müssen die Möglichkeiten der medikamentösen Therapie, die unter "Indikationen" in dieser Richtlinie genannt sind, zunächst ausgeschöpft (oder aufgrund von Kontraindikationen nicht einsatzfähig) sein, bevor die Methode richtlinienkonform zu Lasten der GKV eingesetzt werden darf.

In Einzelfällen, die im Hinblick auf §2 Abs. 1a SGB V bewertet werden, müsste hier jeweils eine außerordentliche zeitliche Dringlichkeit nachgewiesen/nachvollziehbar in den Antragsunterlagen dargestellt sein, damit aus gutachterlicher Sicht eine Unzumutbarkeit oder Patienten-Gefährdung aufgrund einer Zeitverzögerung durch Antragstellung bei der Apherese-Kommission nachvollzogen werden kann.

Siehe auch andere Apherese-ArtikelAphereseExtrakorporale PhotophereseH.E.L.P.-AphereseImmunaphereseLDL-ApheresePlasmapherese

Quellen


Alle medizinischen Aussagen und Informationen in diesem Wiki dienen nicht der individuellen Beratung und können und sollen eine persönliche fachliche ärztliche oder sonstige Beratung nicht ersetzen! Auch erheben die hier gemachten Aussagen keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit. Dies ist keine Gesundheitsberatungsseite und auch keine Sozialberatungsseite!



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