Biotechnologische Herzklappen

Erstellt am 04 May 2020 15:50
Zuletzt geändert: 04 May 2020 18:13

Synonyme

Dezellularisierte Homograft-Herzklappe, "mitwachsende Herzklappe", zellfreie Allograft Prothesen.

Allgemeines Prinzip, Hintergrund

Dezellularisierte Allotransplantate sind genehmigungspflichtige Arzneimittel (und keine Medizinprodukte). Zuständig ist das Paul-Ehrlich-Institut. Eine europäische oder nationale Zulassung ist bei Gewebezubereitungen nicht möglich. Die Genehmigung nach § 21a AMG ist der ranghöchste Nachweis der Verkehrsfähgkeit und steht vor der Eigenherstellung nach § 20d AMG. Die Genehmigungen sind auf "www.pei.de/DE/arzneimittel/gewebezubereitungen/gewebezubereitungen-node.html" veröffentlicht.
Derzeit erfolgt die Vergütung über ein krankenhausindividuell zu vereinbarendes NUB-Entgelt. Die "Implantation mitwachsender Herzklappen" wird vom InEK bereits seit 2012 mit dem NUB-Status 1 (2019 Nr. 127; 2020 Nr. 144). Eine Überführung der Leistung in das G-DRG-System oder in ein Zusatzentgelt ist bislang nicht gelungen. Hierzu wäre auch eine spezifische und einheitliche Kodierung Voraussetzung. Diese sollte mit einem Anpassungsvorschlag an das DIMDI für 2020 ermöglicht werden.

Kodierung

Der Antragsteller empfiehlt den Wegfall der Klammerbezeichnung "mitwachsende Herzklappe". Sarikouch et al. beschreiben in dem Artikel "Early Insight into In-vivo recellularization of cell-free allogenic heart valves" die strukturelle Rezellularisierung (The Annals of Thoracic Surgery, accepted 2019) dezellularisierter Allotransplantate. Insgesamt 11 Proben wurden untersucht, die 7-60 Monate nach Implantation genommen wurden. Der Grad der Repopulation betrug 40-80% eines gesunden, nativen Gewebes. Vier Gewebeproben zeigten diese Güte bereits 7-9 Monate nach Implantation. Dennoch vergehen Monate bis die Herzklappen repopuliert werden - und eine vitale Zellstruktur ist Voraussetzung für Regenration und Wachstum. In dieser Zeit ist eine signifikante Größenzunahme von Kleinkindern zu erwarten, mit der die Regeneration und nachfolgend das Wachstum des bei Implantation zellfreien Allotransplantats ggfs. nicht mithalten kann. Das Attribut "mitwachsene Herzklappe" wirkt als Versprechen, welches bei Kleinkindern nicht sicher eingelöst werden kann.

Literatur:

Nach dem Abschluss der durch die EU geförderten Studien ESPOIR für die zellfreie Pulmonalklappe und ARISE für die zellfreie Aortenklappe wurden nun die neuesten Ergebnisse präsentiert. 10 Jahre nach der Implantation liegt die Freiheit von Degeneration und Explantation der zellfreien Pulmonalklappen - insbesondere auch bei Kindern - bei 85 Prozent und ist damit bis zu 20 Prozent besser als herkömmliche Homografts. Für die dezellularisierten aortalen Homografts liegen nun 5-Jahresergebnisse vor. Hier liegt die Freiheit von Explantation für Patienten unter 18 Jahren bei 91 Prozent, für Patienten über 18 Jahren bei 93,5 Prozent. Im Vergleich mit anderen Klappenersatzmethoden wie den mechanischen Klappen, Bioprothesen, der Ross-Methode (Austausch der defekten Aortenklappe durch die patienteneigene Pulmonalklappe) zeigt dieses Verfahren weniger nachteilige Befunde innerhalb der ersten 5 Jahre nach Implantation.

Studien

  • ESPOIR-Studie (European clinical study for the application of regenerative heart valves): Beginn Januar 2012; acht große europäische Kinderherzzentren; Einsatz dezellularisierten Herzklappen als Lungenschlagaderklappe (Pulmonalklappe); insgesamt über 100 Patienten.
  • ARISE-Studie (Aortic Valve Replacement using Individualised Regenerative Allografts: Bridging the Therapeutic Gap): Beginn Anfang 2015. Einsatz dezellularisierten Herzklappen als Aortenklappe. sechs führende europäische Herzzentren; insgesamt rund 120 Patienten.

Der Einschluss von Patienten in beide Studien erfolgte in Zusammenarbeit mit einem unabhängigen, speziell für die Studie gegründeten, internationalen Ethik-Komitee unter Beteiligung europäischer Patientenorganisationen. Finanziell unterstützt wurden die Studien von der Europäischen Union. Die menschlichen Spenderklappen stammen aus Gewebespenden von zwei gemeinnützigen Einrichtungen, der DGFG und der European Homograft Bank Brüssel. Die Dezellularisierung der Herzklappen hat die Firma Corlife durchgeführt.


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