Chemosaturation zur intrahepatisch hochdosierten Chemotherapie

Erstellt am 17 Sep 2015 19:50
Zuletzt geändert: 11 Jun 2021 13:43

Abgrenzung / Begriffsklärung / Synonyme

Chemosaturation zur intrahepatisch hochdosierten Chemotherapie, Hepatic CHEMOSAT® Delivery Systems, Chemosat®-System. In den Vereinigten Staaten wird das System unter der Bezeichnung "MelblezTM Kit" oder "Melblez (melphalan)" geführt.
Nach Aussage eines Grundsatzgutachtens, das vom MDS im Auftrage des GKV-Spitzenverbandes im Rahmen der jährlichen NUB-Neubewertungen durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) erstellt wurde, wird folgendes zur Abgrenzung der Methode festgestellt:

"Chemosaturation ist ein Neologismus und eine synonyme Bezeichnung für die Isolierte Hepatische Perfusion (IHP) mit Hämofiltration."1

OPS: 8-549.0 Perkutane geschlossene Organperfusion mit Chemotherapeutika: Leber.
Nach Einschätzung des MDS sind weitere methodenbezogene Codes sowohl bezüglich der intraarteriellen Chemotherapie als auch der Gefäßzugänge, Katheteranlage und bildgebenden Darstellung wie auch der extrakorporalen Zirkulation nicht statthaft, da sämtlich untrennbare obligate Bestandteile und damit im genannten Code enthalten2.
NB: Mit diesem Code können auch andere methodische Konstellationen unter Verwendung anderer Medizinprodukte abgebildet werden, sofern sie die OPS-Definition erfüllen.

Beschreibung / Funktionsprinzip / Hintergrund

Bei der Chemosaturation zur intrahepatisch hochdosierten Chemotherapie handelt es sich um eine sog. „Whole Organ Therapy“, bei der mittels eines Doppelballon-Katheters die Blutversorgung Leber isoliert und das Chemotherapeutikum (Melphalan) perkutan intraarteriell hepatisch appliziert wird.

Nach der Aufsättigung des Organs mit Melphalan wird das hepatische Blut über das extrakorporales Chemosat®-Filtersystem vom Chemotherapeutikum gereinigt, bevor es zurück in den Blutkreislauf des Körpers gelangt.
Durch dieses Vorgehen sollen auch Mikrometastasen von der Therapie erreicht werden, die in der Bildgebung nicht erkennbar sind. Darüber hinaus ist der Einsatz einer bis zu 10-fach höheren Dosisdichte an Melphalan möglich als bei systemischem Einsatz im Körperkreislauf. Hierdurch wird im Vergleich zur systemischen Therapie eine stärkere Antitumor-Aktivität bei gleichzeitig geringeren systemischen Nebenwirkungen (v.a. Neutropenien) erwartet.
Anwender der Methode bezeichnen diese als "minimalinvasiv, wiederholbar und technisch leicht durchführbar", wobei allerdings auf das Erfordernis einer multidisziplinären Zusammenarbeit von Onkologen und Radiologen bzw. Nuklearmedizinern hingewiesen wird.

Indikation

Behandlung von Lebermetastasen (HD Lebermetastase C79).

Bewertung der allgemeinen Evidenz

Derzeit (Okt. 2014) noch nicht abschließend zu bewerten.
Auszug aus dem MDS-Gutachten Chemosaturation-Therapie mittels perkutaner Leberperfusion - "Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 6 Absatz 2 Satz 3 KHEntgG" aus dem Jahr 2013:

"Offene Fragen, die in laufenden oder zukünftigen Studien untersucht werden, sind Therapie mit Melphalan bei HCC, CRC und NET sowie die Verwendung anderer Zytostatika wie Doxorubicin.
Aus der Literatur sind Daten zur Wirksamkeit der geschlossenen Organperfusion mit Chemotherapeutika insbesondere auf operativem Wege … als auch in geringem Umfang perkutan bekannt. Bis auf die Ausnahme Uveamelanom sind jedoch sämtliche Daten präliminär und nicht für einen Nutzennachweis geeignet.
In größerem Umfang (insgesamt 134 Patienten in 8 Studien) wurden lediglich kolorektale Karzinome in frühen Therapielinien behandelt, jedoch fehlt es bei dieser Entität vollkommen an vergleichenden kontrollierten Studien."

Legalstatus

Das Chemosat-System ist CE-zertifiziert und kann in Europa somit legal in den zertifizierten Indikationen angewendet werden.
Das Chemosat-System ist in den Vereinigten Staaten als Kombinationsprodukt aus Medikament und Medizinprodukt (Drug/Device Combination Product) unter dem Namen Melblez® nur für Forschungszwecke und nur bei in die Leber metastasierten Uvea-Melanomen zugelassen.
Eine erweiterte Zulassung für die klinische Anwendung ist in Vorbereitung; die Firma hat hierzu konkrete Auflagen von der FDA erhalten, die auf der Homepage der Firma benannt werden.

Die zur Herstellung einer Injektionslösung bei der Chemosaturation verwendeten Melphalan-Präparate sind in Deutschland nur beim Multiplen Myelom und nur zur intravenösen Applikation zugelassen. Die Anwendung im Rahmen dieser Methode ist in Deutschland daher mindestens Off-Label-Use.

Es handelt sich um eine "NUB im Krankenhaus" und NUB-Anträge gemäß § 6 KHEntgG wurden bereits mehrfach gestellt.
Nach Einschätzung eines MDS-Gutachtens mit dem Thema "Chemosaturation-Therapie mittels perkutaner Leberperfusion" aus dem Jahr 2013 entspricht das Verfahren "nur bei hepatisch metastasierten Uveamelanomen (HD ICD C78.7, ND C69.3 oder C69.4) regelmäßig den Anforderungen nach § 2 (1a) SGB V, sofern ausschließlich Melphalan zum Einsatz kommt".

Qualität/Anwendungsvoruassetzungen

Die Leistung erfordert ein multidisziplinäres onkologisches Zentrum mit Fachabteilungen für Augenheilkunde (bei Uveamelanom als Primärtumor), Hämatoonkologie, Gastroenterologie, Kardiologie, Anästhesie, Herz-Thoraxchirurgie und Radiologie, Erfahrung mit extrakorporaler Zirkulation sowie besondere Expertise in der Behandlung in die Leber metastasierter Tumore und Beherrschung insbesondere auch der Differentialtherapien und deren jeweiliger Indikationsstellung.
Diese Konstellation wird regelmäßig nur an Universitätskliniken oder Maximalversorgern mit universitäts-klinikartigem Leistungsspektrum und besonderer Expertise in der Behandlung der genannten Krankheitssituationen vorhanden sein.

Alternativen

Das MDS-Gutachten Chemosaturation-Therapie mittels perkutaner Leberperfusion - "Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 6 Absatz 2 Satz 3 KHEntgG" aus dem Jahr 2013 nannte folgende systemischen und lokalen Therapieverfahren bei Lebermetastasen als je nach Einzelfall mögliche Alternativen:

Systemische Verfahren:
Systemische Chemotherapie (OPS 8-542 bis 8-544),
Systemische Immuntherapie (OPS 8-547)
Lokale Chemotherapieverfahren:
Intraarterielle Chemotherapie (HAI) (OPS 8-541.6),
Transarterielle (Chemo-) Embolisation (OPS 8-836.- und 8-83b.-)
Lokal destruierende Verfahren:
Radiofrequenzablation und andere Hochfrequenzverfahren (OPS 5-501.5-),
Kryotherapie (OPS - keiner),
Laser-Ablation (OPS 5-501.6-),
Alkoholinjektion (5-501.4-)
Chirurgische Verfahren:
Leber(teil)resektion (OPS 5-501 und 5-502),
Lebertransplantation (OPS 5-504)
Strahlentherapeutische und nuklearmedizinische Verfahren:
Stereotaxie am Linearbeschleuniger inkl. Cyber-Knife (OPS 8-523-01, 8-523-11),
IMRT und andere Hochvoltbestrahlungen (OPS 8-522.-),
Protonenbestrahlung (OPS 8-52a.-),
Schwerionenbestrahlung (OPS 8-52b, 8-52c),
interstitielle Brachytherapie (OPS 8-525.-),
intraarterielle Therapie mit offenen Radionukliden (OPS 8-530.a)

Studien

Quellen und WebLinks (sortiert nach Aktualität)

Siehe auch in diesem Wiki:


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