Erstellt am 19 Sep 2015 00:03
Zuletzt geändert: 30 Apr 2016 12:58
Abstract
Die „Anti-TKTL1-Diät“ sieht eine Kohlenhydratreduktion auf maximal 1 g Kohlenhydrate pro kg Körpergewicht (pro Tag) vor. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) hat eine Evidenzbasierte Leitlinie: „Kohlenhydratzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten“ mit Aktualisierungsstand 2011 erarbeitet.
Zu den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung bezüglich möglicher Zusammenhänge der aufgenommen Kohlenhydratmenge und der Krebsentstehung sagt diese Leitlinie folgendes:
„Mit möglicher Evidenz besteht kein Zusammenhang der Kohlenhydratzufuhr insgesamt mit dem Risiko für maligne Tumoren in Magen, Brust, Gebärmutterschleimhaut und Pankreas1.“
Diese Formulierung bedeutet, dass aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage höchstwahrscheinlich keinerlei Zusammenhänge zwischen Kohlenhydratzufuhr und Krebs der genannten Organe bestehen; dass allerdings nicht vollkommen auszuschließen ist, dass neue Erkenntnisse evtl. zu Änderungen dieser Einschätzung führen könnten.
In einem ergänzenden Positionspapier zu der genannten Leitlinie bestimmt die DGE als Richtwert für den Energieanteil von Kohlenhydraten in der Ernährung 50% der täglichen Gesamt-Energie-Aufnahme.
Bei einem Energiebedarf von z.B. 2000 kcal pro Tag sollten also insgesamt etwa 250 g Kohlenhydrate verzehrt werden. Bei Befolgen der „Anti-TKTL1-Diät“ beträgt die Kohlenhydratzufuhr bei 50 Kg Körpergewicht beispielsweise 50 g Kohlenhydrate pro Tag. Dies liegt sehr weit unter den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V.
Gemessen an den Empfehlungen der DGE könnte also Anti-TKTL1-Diät zur "Gefahr einer signifikanten Fehlernährung" führen - was wiederum möglicherweise negative Auswirkungen auf das Immunsystem haben könnte.
Zur Anti-TKTL1-Diät schreibt die Krebsgesellschaft NRW in ihrer Info-Reihe „Komplementäre Behandlungsmethoden bei Krebserkrankungen“2:
Bedenkliche therapeutische Maßnahmen
Antikrebs-Ernährung
In jüngster Zeit wird dem Zuckerkonsum mal wieder eine Rolle bei der Entstehung und Verbreitung von Krebs angelastet. Experimentelle Laboruntersuchungen haben ergeben, dass vereinzelte Krebszellen das Enzym TKTL-1 (= Transketolase-1) enthalten, das die Fettverbrennung als Energieträger abschaltet. Die entsprechenden Krebszellen sind abhängig von Glukose (= Zucker) als Energielieferant. Daraus entstanden ist die so genannte ‚neue Anti-Krebs-Ernährung‘ oder auch ‚TKTL-1 Ernährungstherapie‘, die Blutzuckerwerte reduzieren und die Insulinfreisetzung durch die Bauchspeicheldrüse hemmen soll.
Zur Durchführung der ‚neuen Anti-Krebs-Ernährung‘ wurde vom ‚Erfinder‘ ein spezielles Nahrungsmittelpaket entwickelt, das unter anderem Marmelade, Salami, Bierwurst, Proteinnudeln, Proteinbrot, Kuchen u.a.m. enthält. Die Kosten für dieses Diätpaket sind beträchtlich.
Bewertung und Empfehlung
Die Feststellung, dass Zucker das Krebswachstum fördert oder gar an einer Krebserkrankung schuld ist, kann wissenschaftlich nicht belegt werden! Auch die Empfehlung, sich zuckerfrei zu ernähren um gesund zu bleiben, ist wissenschaftlich nicht haltbar! Es ist zwar tatsächlich so, dass Krebszellen verstärkt Kohlenhydrate (= Zucker) aufnehmen und verstoffwechseln, sie tun dies aber auch, wenn man gar keinen Zucker isst. Denn selbst, wenn man in seiner Ernährung ganz auf Zucker verzichtet, wandelt der Körper andere Nährstoffe in Zucker3 um. Es ist also nicht möglich, einen Krebs durch Zuckerverzicht ‚auszuhungern‘. …“
Untersuchungen des TKTL1-Wertes sowie anderer, in diesem Zusammenhang erhobener Immunparameter werden nicht von Vertragslaboren angeboten, sondern nur privatärztlich (bisher nur die Labore BioVis in Limburg und InVitaLab in Neuss).
Nach den Ausführungen zur Interpretation der TKTL1-Befunde ist der TKTL1-Test nur verwertbar, wenn entweder die Therapie noch nicht abgeschlossen ist oder innerhalb von fünf Jahren nach Therapieabschluss. Zur "Nachsorge" und Spätrezidiv-Erkennung sind diese Laborwerte also nach eigenen Aussagen nicht geeignet.
Auch sei hingewiesen auf Veröffentlichungen des Entdeckers des TKTL1-Genes und Haupt-Befürworters der Anwendung von TKTL-1 in der Krebstherapie:
Danach ist der so genannte EDIM-TKTL1-Test nicht bei allen Tumorarten verwertbar. Studien hätten bis jetzt Hinweise auf einen Nutzen des EDIM-TKTL1-Tests bei Bronchialkarzinom, kolorektalen Karzinomen, Plattenepithelkarzinomen der Mundhöhle sowie Hirntumoren ergeben.
Aufgrund der Veränderungen des Blutbilds bei systematischen Krebserkrankungen (z.B. Lymphomen und Leukämien) wird der Einsatz des EDIM-TKTL1-Bluttest bei diesen Erkrankungen von Dr. Coy selbst nicht empfohlen. Auch als Screening oder Früherkennungs-Untersuchung sei der EDIM-TKTL1-Bluttest nicht geeignet.
Der EDIM-TKTL1-Test ist eigentlich wohl als [*nubdef NUB] einzuschätzen. Da der EDIM-Test mittels einer Bestimmung von Apo10 und TKTL1 in Immunzellen durchgeführt wird, werden diese Arbeitsschritte von Laborärzten jedoch offenbar als Immunphänotypisierung bei Tumorerkrankungen abgerechnet.
Als Selbstzahlerleistung wird der Test mit mindestens 148 € veranschlagt. (Prof. inv. Dr. med. Hans-Joachim Muhs, Evangelisches Krankenhaus BETHESDA zu Duisburg, in einem Interview der Zeitschrift "MamazoneMag" vom Mai 2014).
Zu sämtlichen Varianten der TKTL1-Messung sagt die Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen in ihrer Info-Reihe „Komplementäre Behandlungsmethoden bei Krebserkrankungen“ vom März 20114 folgendes:
„TKTL-1 Enzymaktivitätstest
Transketolase-1 (TKTL-1) ist ein Enzym, das den Glukose (Zucker) Stoffwechsel von Zellen reguliert. TKTL-1 positive Zellen nehmen mehr Glukose auf als TKTL-1 negative Zellen. Daraus wurde gefolgert (aber bislang klinisch nicht bewiesen!), dass eine erhöhte Glukoseaufnahme mit der Nahrung zu einer gesteigerten Aggressivität von TKTL-1 positiven Krebszellen führe.
Folgende Methoden zum Nachweis von TKTL-1 Enzymaktivität in Krebszellen werden von Fürsprechern angewendet:
1. Nachweis der Enzymaktivität in operativ bzw. per Biopsie entnommenem Tumorgewebe. Das Tumorgewebe wird vom Pathologen gefärbt und feingeweblich untersucht.
2. Nachweis durch Blutentnahme. Blut bzw. definierte Zellen des Blutes (so genannte ‚aktivierte Makrophagen‘/Fresszellen) werden mittels spezifischer Antikörper und Lasertechnik auf TKTL-1 getestet.
Bewertung und Empfehlung
Beide Verfahren sind aus wissenschaftlicher Sicht bislang nicht hinreichend auf Richtigkeit geprüft und sind aus diesem Grunde für eine patientenorientierte Diagnostik nicht geeignet.“
Abgrenzung / Begriffsklärung / Legalstatus
Es handelt sich um eine Ernährungsform, die umstritten ist und die bei einseitiger/unkritischer Auslegung durch Patienten möglicherweise zu Fehlernährung bzw. Unterernährung führen kann.
Hinsichtlich der Ernährung ergeben sich keine leistungsrechtlichen Probleme, da es sich hier um eine Ernährungsform handelt, die keine Notwendigkeit einer enteralen Ernährung mit Diätprodukten gemäß Arzneimittelrichtlinie bedingt.
Im Zusammenhang mit dem propagierten Ernährungskonzept werden diverse Testverfahren angeboten, deren Nutzen ebenfalls umstritten ist und die vermutlich als "NUB" einzustufen sind.
Weblinks
- Leserbrief von Dr. Coy an den Herausgeber des "INTERNATIONAL JOURNAL OF ONCOLOGY"
- Webseite der Vermarktungsfirma Zyagnum
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