Erstellt am 16 Sep 2015 21:11
Zuletzt geändert: 09 Jul 2018 17:19
Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, auch pAVK genannt, sind die Herzfernen (peripheren) Blutgefäße, vor allem der unteren Extremitäten (Beine, Becken) und zum Teil auch der oberen Extremitäten (Arme, Hände) durch Anlagerungen an den Gefäß-Innenwänden verengt. Dadurch wird bei den Betroffenen die Durchblutung gestört und es kann zu Beschwerden in Form von Schmerzen beim Laufen oder Gehen kommen. Die Verengungen der Beinarterien führen aufgrund von Schmerzen zu häufigen Gehpausen. Da die Gehpausen scheinbar der Betrachtung von Schaufenster-Auslagen dienen, führte diese Symptomatik zur Bezeichnung der Erkrankung als „Schaufensterkrankheit“ (Claudicatio intermittens).
In schweren Fällen mit fortgeschrittener arterieller Verschlusskrankheit treten Schmerzen bei den Betroffenen schon im Liegen oder Sitzen auf.
Folgen einer arteriellen Durchblutungsstörung bzw. pAVK an den Beinen können schlecht heilende (chronische) Wunden sein. Weit fortgeschrittene Gefäßverschlüssen können bei ungünstigem Verlauf zur Amputation betroffener Gliedmaßen und in der Folge zu schwerwiegenden Behinderungen führen.
Die Häufigkeit (Prävalenz) der peripheren arteriellen Durchblutungsstörung liegt (je nach Definition) bei 3–10 % der Gesamtbevölkerung, wobei der Anteil der Patienten mit einer pAVK bei über 70-jährigen Personen auf 15–20 % ansteigt. In der älteren Bevölkerung handelt es sich um ein häufiges Leiden.
In Deutschland erfolgt im Allgemeinen eine Schweregrad-Einteilung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) nach der Klassifikation mittels des sogenannten Fontaine-Schemas. Bei einem Fontaine-Stadium IIb ist die schmerzfreie Gehstrecke stark eingeschränkt. Erfolgt in einem Stadium ab II b keine Therapie oder ist diese nicht erfolgreich, kommt es zur Ausbildung eines Fontaine-Stadiums IV mit sogenannter Nekrosenbildung, d. h. dem Untergang von Gewebe und dem „Schwarzwerden“ von Zehen. Die Stadien III und IV nach Fontaine werden auch als kritische Minderdurchblutung (Ischämie) bezeichnet. Insbesondere im Stadium IV besteht prinzipiell ein Risiko für einen Verlust betroffener Gliedmaßen im Rahmen notwendiger Amputationen.
Nach der derzeit gültigen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) der Deutschen Gesellschaft für Angiologie und der Gesellschaft für Gefäßmedizin (Redaktionell überarbeitete Langfassung vom 15.01.20161 ) sollte die Behandlung abgestuft und – insbesondere in fortgeschrittenen Stadien – als Ergebnis einer vernünftigen interdisziplinären, stadiengerechten Abwägung zwischen Aufwand, Risiko und Ergebnis erfolgen.
In den Anfangsstadien (Stadium I und II) wäre gemäß der genannten Leitlinie ein intensives Gehtraining als Behandlungsmethode der ersten Wahl anzusehen. Darüber hinaus sollten zum therapeutischen Konzept, in Abhängigkeit von den Ursachen der arteriellen Verschlusskrankheit, weitere Maßnahmen gehören wie z. B. das Einstellen des Rauchens, die Behandlung mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. Aspirin®, Clopidogrel® oder andere geeignete Präpa-rate) und ggf., bei Erhöhung der Blutfett-Werte, die Behandlung mit einem Medikament aus der Gruppe der so genannten Statine (z. B. Simvastatin oder andere geeignete Wirkstoffe).
In den Fontaine-Stadien III und IV werden unter Umständen so genannte „interventionelle“, endovaskuläre Maßnahmen oder operative Vorgehensweisen erforderlich.
Dabei wird die Vorgehensweise unter anderem an der Länge der betroffenen Gefäß-Abschnitte ausgerichtet. Sind nur kürzere Strecken schwer betroffen, kann als interventionelle Maßnahme – ähnlich wie bei Herzoperationen – eine Aufweitung des Gefäßes mittels eines in das Gefäß eingeschobenen Ballons (Ballondilatation, „perkutane transluminale Angioplastie“ = „PTA“) versucht werden. Zur Stabilisierung und um zu verhindern, dass das Gefäß sich rasch erneut verengt oder verschließt, kann auch ein so genannter Stent eingelegt werden.
Können Ablagerungen an den Gefäß-Innenwänden nicht aufgedehnt werden, kommt evtl. auch eine chirurgische Ausschälung (Thrombendarteriektomie; TEA) in Frage. Bei ausgedehnten und komplexen Gefäßverschlüssen besteht eine weitere chirurgische Behandlungsmöglichkeit darin, die vorhandenen Engstellen durch Einsetzen gesunder Blutgefäße (Teile von Patienten-Arterien oder -Venen) oder unter Verwendung von Gefäßprothesen (künstliche Ersatzgefäße), zu überbrücken. Man spricht dann von einer so genannten Bypass-Operation. In schwierigen Fällen werden die minimal-invasiven Techniken mit der Bypass-Operation und mit der chirurgischen Entfernung von abgestorbenem (nekrotischem) Gewebe und ggf. auch mit Amputations-Eingriffen kombiniert.
Nach endovaskulären oder operativen Eingriffen zur Wiederherstellung der Durchblutung sollten Patienten gemäß aktueller Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der pAVK im Rahmen einer interdisziplinär geführten Rezidivprophylaxe regelmäßig überwacht und die Patienten zur sorg-fältigen Beobachtung der von Minderdurchblutung gefährdeten Körperteile angeleitet werden.
Als wesentlichen Bestandteil der Nachsorge nach Gefäß-Eingriffen bezeichnet die Leitlinie regelmäßige Bewegung und strukturierten Gefäßsport: Die Wirksamkeit körperlicher Aktivität mit einem Gehtraining zur Verbesserung der allgemeinen Leistungsfähigkeit und zur Verbesserung der Lebensqualität gilt als wissenschaftlich belegt (Evidenz). Aus diesem Grunde soll allen pAVK-Patienten ein strukturiertes Gefäßtraining als Bestandteil der Basisbehandlung angeboten werden. Diese Empfehlung wird ausdrücklich auch für Patienten ausgesprochen, die bereits medikamentöse, minimal-invasive (interventionelle, endovaskuläre) oder operative Be-handlungsmaßnahmen erhalten oder erhalten haben.
Bezüglich der ganzheitlichen gesundheitlichen Entwicklung betroffener Patienten ist festzuhalten, dass diese vorrangig durch die Mitbeteiligung des Herzens am Erkrankungsgeschehen bestimmt wird. Patienten mit kritischer Extremitätenischämie haben eine gegenüber Gefäß-Gesunden erhöhte Sterblichkeit (Mortalität) durch Ereignisse, die von den Herzgefäßen oder vom Herzen selbst ausgehen (kardiovaskuläre Mortalität). Daher sind für Betroffene mit pAVK und Herzerkrankung ganzheitliche therapeutische Ansätze unter Einbeziehung des ganzen Körpers und Förderung der allgemeinen Beweglichkeit und Belastbarkeit von großer Bedeutung.
Weblinks:
- Schematische Darstellung der Therapien der pAVK in den einzelnen Regionen - Immanuel Klinikum Bernau
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* Zitat nach: Bach, Otto: ''Über die Subjektabhängigkeit des Bildes von der Wirklichkeit im psychiatrischen Diagnostizieren und Therapieren''. In: Psychiatrie heute, Aspekte und Perspektiven, Festschrift für Rainer Tölle, Urban & Schwarzenberg, München 1994, ISBN 3-541-17181-2, (Zitat: Seite 1)
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