Lymphödem

Erstellt am 30 Aug 2015 21:34
Zuletzt geändert: 14 Apr 2022 18:04

https://www.juzo.com/de/akademie/symposien/3-thueringer-lymphologie-symposium

ICD 10-Codes für Lipödem - gültig ab 01.01.2017 (pdf)
Neue ICD10-Kodierungen kommen 2017 (pdf)

Im Unterschied zum Lipödem, das nach derzeitigem Verständnis eine primäre Erkrankung des Fettgewebes darstellt, handelt es sich beim Lymphödem um eine Erkrankung des Lymphgefäßsystems.

Lymphödeme ohne andere Erkrankungen oder Veränderungen als Ursache werden als primäre Lymphödeme bezeichnet. Primäre Lymphödeme treten mit einer Häufigkeit von 0,5 ‰ auf, so dass in Deutschland nur bei insgesamt etwa 40.000 Patienten mit primären Lymphödeme zu rechnen ist. Von diesen tritt ein Teil ohne erkennbare genetische Komponenten (sporadisch) oder im Rahmen angeborener so genannter syndromaler Erkrankungen (Klippel-Trénaunay, Turner-Syndrom) auf1. Es wird geschätzt, dass nur rund 3 % der Lymphödeme erblich bedingt sind; so dass es sich bei den genetisch bedingten primären Lymphödemen um sehr seltene Erkrankungen handelt.

Sehr viel häufiger sind Lymphödeme als Folge anderer Erkrankungen oder Veränderungen (sekundäre Lymphödeme), wie z. B. einer ausgeprägten Adipositas, eines schwergradigen Lipödems oder als Folge einer Lymphknotenentfernung oder –Schädigung im Rahmen einer Tumortherapie. Die in den westlichen Ländern häufigste Erscheinungsform ist das Lymphödem der Arme im Gefolge einer Krebserkrankung der Brustdrüsen, vor allem nach Entfernung der axillären Lymphknoten und nach umfangreicher Bestrahlung. Auch die Lymphödeme, die als Folge der Therapie bösartiger Erkrankungen auftreten, sind prinzipiell gutartige Lymphödeme.

Hiervon zu unterscheiden sind die seltenen Ödeme aufgrund bösartiger Veränderungen an den Lymphorganen selbst, die als maligne (bösartige) Lymphödeme bezeichnet werden. Lymphödeme, die scheinbar spontan (grundlos) auftreten, müssen immer auf mögliche maligne Veränderungen untersucht werden.

Lymphödeme werden häufig mit anderen Ödemformen (z.B. Ödem bei Rheuma, Immobilitätsödem, Lipödem, Ödem bei Adipositas und "Dependency-Syndrom", mit oder ohne Lipohypertrophie) verwechselt. Im Unterschied zum Lipödem finden sich beim Lymphödem der Beine in der Regel Schwellungen im Bereich der Füße und beim Armlymphödem Schwellungen im Bereich des Handrückens. Bei der Untersuchung ist in den meisten Fällen das so genannte Stemmer Zeichen positiv (fehlende Abhebbarkeit der Haut über der zweiten Zehe als Ausdruck des teigigen Ödems). Fast immer lässt sich bei einem Lymphödem eine Dellenbildung durch Druck mit dem Finger erzeugen. Beim Einsatz technischer Untersuchungsmethoden können in der hochauflösenden Sonographie flüssigkeitsgefüllte Spalträume und in der Lymphabflusszintigraphie und ein verzögerter Lymphabfluss nachgewiesen werden; diese Untersuchungen sind jedoch keine Routine-Methoden der Diagnostik.

Eine Folge eines Lymphödems oder eines Lipo-Lymphödems ist eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen in den betroffenen Körperregionen. Zu nennen ist hier insbesondere die Gefahr der Entwicklung eines Erysipels, die aufgrund zusätzlich durch das Ödem beeinträchtigter Gefühls- bzw. Wahrnehmungsstörungen (Sensibilitätsstörungen) noch verstärkt wird. Spannungs- und Schweregefühle in den betroffenen Extremitäten und Kraftverlust führen zu Schwierigkeiten bei der Bewegung und zu Behinderungen und Beschwerden im Alltag der Betroffenen. Bei Lymphödem oder Lipolymphödem im Bereich der unteren Extremitäten können z.B. Probleme beim Gehen, besonders beim Gehen auf unebenem Untergrund oder beim Treppensteigen resultieren, die sich in der Regel im Laufe des Tages verstärken.

Beim Lymphödem ist nach übereinstimmenden Experten-Aussagen und Leitlinien immer eine komplexe physikalische Entstauungstherapie mit anschließender bedarfsadaptierter Erhaltungstherapie indiziert.

Zur Diagnostik und Therapie der Lymphödeme liegt aus Deutschland eine Leitlinie der Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen (GDL) vor2. Diese Leitlinie enthält die Empfehlung zur Durchführung einer Liposuktion als mögliche Option sowohl bei primären als auch bei sekundären Lymphödemen, wenn rekonstruktive3 Maßnahmen zur Wiederherstellung des Lymphsystems nicht möglich oder zu riskant erscheinen und eine konservative Therapie über eine Dauer „von mindestens 6 Monaten4“ durchgeführt wurde.

Nach aktuellen Angaben sind in der Versorgung zunehmend sekundäre Lymphödeme bei Adipositas zu behandeln. Hierzu publizierte der Chefarzt einer führenden lymphologischen Klinik bereits 2018 eine Streitschrift:

Bertsch T. Adipositas-assoziierte Lymphödeme – unterschätzt und unterbehandelt. Phlebologie 2018; 47: 75–83. DOI:10.12687/PHLEB2410-2-2018. (Volltext-PDF)


Siehe auch:

Wiki-Links

Ärzte-Listen

Fachgesellschaften, Leitlinien, Experten


• Deutsche Gesellschaft für Phlebologie u. Lymphologie e.V. (DGPL), in Zusammenarbeit mit weiteren Fachgesellschaften und der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften (AWMF). S2k-Leitlinie Lipödem. AWMF-Registernummer 037 – 012. Stand: 22.01.2024. Gültig bis: 21.01.2029. Online Datenbankeintrag der AWMF: "https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/037-012".

European Lipoedema Forum Consensus und wissenschaftliche Diskussion

Dieser Artikel führt aus, dass bei manchen Patientinnen ein zyklusabhängiges (idiopathic cyclic edema) Ödem bestehen kann, das einerseits eine Kontraindikation gegen eine Liposuktion darstellt, andererseits mit spezifischer Arzneitherapie erfolgreich behandelt werden kann. Außerdem wird ein Schaden im lymphatischen System beim echten Lipödem vermutet, der z.B. durch apparative Untersuchungen des Lymph-Flusses objektiviert werden könnte.

Beschreibung eines Einzelfalls, in dem eine Patientin mit fachärztlich diagnostiziertem Lipödem dieses über einen Zeitraum von zwei Jahren durch eine ketogene Diät - gemeinsam mit der zusätzlich vorhandenen Adipositas - erfolgreich zum Verschwinden bringen konnte.

Anhand einer retrospektiven Kohortenanalyse wird gezeigt, dass sowohl Schauchmagen- als auch Magenbypass-Operationen im Ergebnis bei Patientinnen mit vermutetem Lipödem dazu führen, dass das Volumen der Oberschenkel nachweislich verringert wird.

  • Bertsch T, Erbacher G, Elwell R. Response from the authors…. J Wound Care. 2021 Mar 2;30(3):250. doi: 10.12968/jowc.2021.30.3.250. PMID: 33729845. Antwort auf Leserbriefe.

Abstract:
Compression hosiery is commonly used for the management of lymphoedema as well as lipoedema, but it is more commonly indicated for the lower limbs than for the upper limbs. The effects of compression hosiery on upper-limb lipoedema are poorly understood and researched. It is known that compression hosiery works in conjunction with activity or movement when standing or walking, which produces anti-inflammatory and oxygenating effects in the tissues. This effect is naturally difficult to realise in the upper limbs. Lymphoedema practitioners who treat those with lipoedema should bear in mind that compression treatment might not produce the same effects in upper-limb lipoedema as it does in lower-limb lipoedema. In these times of an overstretched health service, pragmatic resource use is essential.

Wissenschaftliche Diskussion vor/außerhalb European Lipoedema Forum 2019:

Artikel auf Spanisch; englischer Abstract:
Conclusions: Diagnosis of lipoedema is mainly clinical and through exclusion of other disorders. There is no consensus on its treatment, but treatment focuses on attempting to minimise symptoms and prevent disease progression and the disability it may generate.

  • Bertsch T, Erbacher G, Corda D, Damstra R, van Duinen KV, Elwell R, van Esch-Smeenge J, Faerber G, Fetzer S, Fink J, Fleming A, Frambach Y, Gordon K, Hardy D, Hendrickx A, Hirsch T, Koet B, Mallinger P, Miller A, Moffatt C, TorÍo‐Padrón N, Ure C, Wagner S, Zähringer T. Lipoedema – myths and facts, Part 5. European Best Practice of Lipoedema – Summary of the European Lipoedema Forum consensus. Phlebologie 2020; 49(01): 31-50. DOI: 10.1055/a-1012-7670. (Volltext)

Alphabetische Liste

Sozialrechtliche Rahmenbedingungen

Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind erfüllt. Der Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs 3a S 7 SGB V ist eröffnet (dazu a). Die von der Klägerin beantragten Liposuktionen gelten als von der Beklagten genehmigt. Die Klägerin beschaffte sich daraufhin die erforderlichen Leistungen selbst, während sie als genehmigt galten. Hierdurch entstanden ihr 11 400 Euro Kosten.
Die von der Klägerin begehrten Liposuktionen liegen nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV. Gründe, warum die Klägerin die beantragten Liposuktionen nicht aufgrund der fachlichen Befürwortung durch ihre behandelnden Ärzte für erforderlich halten durfte, hat das LSG nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Beklagte ermittelte zudem selbst in medizinischer Hinsicht. Es ergeben sich auch sonst keine Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch aus den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG).
Nach der stRspr des Senats ist die Fünf-Wochen-Frist bei Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme, insbesondere des MDK, nur maßgeblich, wenn der Leistungsberechtigte durch die KK von der Einholung der gutachtlichen Stellungnahme unterrichtet wird.
Ohne diese gebotene Information über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme können Leistungsberechtigte nach drei Wochen annehmen, dass ihr Antrag nicht fristgerecht beschieden wurde und daher als genehmigt gilt.
Die Klägerin durfte sich die Liposuktionen privatärztlich selbst verschaffen, weil die Beklagte unter Missachtung der fingierten Genehmigung deren Gewährung abgelehnt hatte. Versicherte, denen ihre KK rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vornherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems.

Besprechung bei Anwalt.de

Der Antrag betraf eine Leistung, die die Klägerin für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Wie der Senat bereits entschieden hat, bewirkt die Begrenzung auf "erforderliche Leistungen" nach § 13 Abs. 3a S 7 SGB V eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Die Regelung soll es dem Berechtigten einerseits erleichtern, sich die ihm zustehenden Leistungen zeitnah zu beschaffen, ihn andererseits aber nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Klägerin durfte aufgrund der fachlichen Befürwortung ihres Antrags durch ihre Ärzte Liposuktionen zur Behandlung ihres Lipödems für geeignet und erforderlich halten, ohne Einzelheiten zu den Voraussetzungen ambulanter und stationärer Leistungserbringung wissen zu müssen. …
… Versicherte, denen ihre KK rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. …

Versorgungsforschung

Sonstiges, Weblinks

Literatur


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* Zitat nach: Bach, Otto: ''Über die Subjektabhängigkeit des Bildes von der Wirklichkeit im psychiatrischen Diagnostizieren und Therapieren''. In: Psychiatrie heute, Aspekte und Perspektiven, Festschrift für Rainer Tölle, Urban & Schwarzenberg, München 1994, ISBN 3-541-17181-2, (Zitat: Seite 1)

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