CTO - Chronischer Koronarverschluss

Erstellt am 16 Apr 2019 15:20
Zuletzt geändert: 14 May 2019 21:11

Leitlinien

Die aktuelle ESC-Leitlinie (2018) zur Myokardrevaskularisation enthält folgende Empfehlungen zur Revaskularisation bei CTO:

Broadly speaking, the treatment of CTOs may be considered analogous to the treatment of non-CTO lesions. … In cases of regional wall motion abnormalities in the territory of the CTO, objective evidence of viability should be sought. The decision to attempt CTO-PCI should be considered against the risk of greater contrast volume, longer fluoroscopy time, and higher MACE rates in comparison with non-CTO PCI patients.
Ad hoc PCI is generally not recommended for CTOs, although it may be necessary in selected cases (e.g. acute bypass graft failure not amenable to recanalization of the bypass graft).

Übersetzt:

Die Behandlung von CTOs kann prinzipiell analog zur Behandlung von Nicht-CTO-Läsionen betrachtet werden. … Bei regionalen Wandbewegungsstörungen im Gebiet des CTO sollte ein objektiver Nachweis der Lebensfähigkeit des Gewebes im Versorgungsgebiet gesucht werden. Die Entscheidung für einen CTO-PCI-Versuch sollte gegen das Risiko eines größeren Kontrastvolumens, einer längeren Durchleuchtungszeit und höherer MACE-Raten im Vergleich zu Nicht-CTO-PCI-Patienten abgewogen werden.
Ad-hoc-PCI wird im Allgemeinen für CTOs nicht empfohlen, obwohl dies in ausgewählten Fällen erforderlich sein kann (z. B. akutes Versagen des Bypass-Transplantats, das nicht für eine Rekanalisation des Bypass-Transplantats zugänglich ist).

Quelle:

Die ESC-Leitlinien (2014) zur Myokardrevaskularisation empfahlen, eine CTO-Rekanalisation in Betracht zu ziehen, wenn Symptome bestehen und vitales Myokardgewebe im Versorgungsgebiet der okkludierten Koronararterien objektivierbar ist (Klasse-IIa-Empfehlung). Die Evidenz für den klinischen Nutzen einer solchen Behandlung ist jedoch, was Daten aus randomisierten kontrollierten Studien betrifft, sehr limitiert.

Bezüglich der Empfehlungsqualität der Leitlinien der Europäischen und Amerikanischen kardiologischen Gesellschaften kam eine internationale Arbeitsgruppe aus Autoren von mehreren renommierten Universitäten zu dem Ergebnis, dass nur eine kleine Minderheit der Empfehlungen tatsächlich evidenzbasiert ist - und dass dieser Zustand sich im Wesentlichen seit 2008 nicht geändert hat:

Ergebnisse:
In 26 aktuellen ACC / AHA-Richtlinien (2930 Empfehlungen; Median 121 Empfehlungen pro Richtlinie [25.-75. Perzentil, 76-155]) wurden 248 Empfehlungen (8,5%) als LOE A, 1465 (50,0%) als LOE B eingestuft. und 1217 (41,5%) als LOE C. Der mittlere Anteil der LOE A-Empfehlungen betrug 7,9% (25.-75. Perzentil, 0,9% -15,2%). In 25 aktuellen ESC-Leitliniendokumenten (3399 Empfehlungen; Median 130 Empfehlungen pro Leitlinie [25.-75. Perzentil, 111-154]) wurden 484 Empfehlungen (14,2%) als LOE A, 1053 (31,0%) als LOE B und 1862 (54,8%) als LOE C. Beim Vergleich der aktuellen Richtlinien mit früheren Versionen stieg der Anteil der Empfehlungen, die LOE A entsprachen, weder bei ACC / AHA (Median 9,0% [aktuell] noch bei 11,7% [früher]) oder ESC an Leitlinien (Median 15,1% [aktuell] gegenüber 17,6% [vorher]).
Schlussfolgerungen und Relevanz:
Unter den Empfehlungen in den wichtigsten Leitlinien der kardiovaskulären Gesellschaft wurde nur ein geringer Prozentsatz durch Beweise aus mehreren RCTs oder einem einzelnen großen RCT gestützt. Dieses Muster scheint sich von 2008 bis 2018 nicht wesentlich verbessert zu haben.

Literatur:

Abstract
A coronary chronic total occlusion (CTO) is a common finding during coronary angiography and is associated with increased mortality and poorer cardiovascular prognosis. Technological developments in percutaneous strategies for revascularisation have resulted in increased interest in this area. However, until recently, there has been a paucity of robust scientific randomised data comparing the efficacy of medical management with percutaneous strategies. Both observational data, and to a lesser extent, randomised data, suggest that CTO percutaneous coronary intervention (PCI) should be considered in symptomatic patients. However, in the absence of any randomised data, CTO PCI should not be performed for prognostic benefit. Ongoing trials are needed to confirm these findings as well as to identify the optimal timing and strategy of such interventions.

Übersetzung:

Eine koronar-chronische totale Okklusion (CTO) ist ein häufiger Befund bei der Koronarangiographie und geht mit einer erhöhten Mortalität und einer schlechteren kardiovaskulären Prognose einher. Technologische Entwicklungen bei perkutanen Strategien zur Revaskularisierung haben zu einem erhöhten Interesse in diesem Bereich geführt. Bis vor kurzem gab es jedoch einen Mangel an soliden wissenschaftlichen randomisierten Daten, die die Wirksamkeit des medizinischen Managements mit perkutanen Strategien verglichen. Sowohl Beobachtungsdaten als auch in geringerem Maße randomisierte Daten legen nahe, dass eine perkutane CTO-Koronarintervention (PCI) bei symptomatischen Patienten in Betracht gezogen werden sollte. Da jedoch keine randomisierten Daten vorliegen, sollte die CTO-PCI nicht zu prognostischen Zwecken durchgeführt werden. Die Ergebnisse laufende Studien sind erforderlich, um diese Ergebnisse zu bestätigen und den optimalen Zeitpunkt und die Strategie solcher Interventionen zu ermitteln.

METHODS:
Between January 2007 and December 2016, a total of 1655 patients with ≥1 CTO were enrolled in our center and were divided into the MT group (n = 800) and revascularization group (n = 855) according to the initial treatment strategy. Propensity score matching was also performed to adjust for baseline characteristics. The primary outcome was cardiac death.
Revascularization or MT was selected according to the presence of symptoms, high comorbidity or high risk for revascularization, indication of heart surgery (SYNTAX score >22 with/without valve disease), the suitability of the target distal vessel for revascularization (diameter >2.0 mm and non-negligible distal bed length), and patients’ economic burden.
Conclusion:
As an initial management strategy in patients with CTOs, revascularization did not reduce the risk of cardiac death compared with treatment with medical therapy alone. However, revascularization was associated with reduction in the prevalence of TVR and MACE. Furthermore, successful CTO-PCI was also not associated with improved long-term survival compared with MT alone.

Übersetzt:

Methode:
Zwischen Januar 2007 und Dezember 2016 wurden insgesamt 1655 Patienten mit ≥1 CTO in unser Zentrum aufgenommen und gemäß der anfänglichen Behandlungsstrategie in die Medikamenten-Gruppe (MT; n = 800) und die Revaskularisierungsgruppe (n = 855) unterteilt. Die Übereinstimmung der Neigungsbewertung wurde auch durchgeführt, um die Grundlinienmerkmale anzupassen. Das primäre Ergebnis war der Herztod.
Die Entscheidung für oder gegen Revaskularisation oder MT erfolgte anhand von Symptomen, Komorbidität und/oder individuelles Risiko bei Revaskularisation, Indikation einer Herzoperation (SYNTAX-Score> 22 mit/ohne Klappenerkrankung), Eignung des distalen Zielgefäßes für Revaskularisation (Durchmesser> 2,0 mm; ausreichende distale Ausdehnung des Gefäßbettes) und unter Berücksichtigung der wirtschaftliche Belastung der Patienten.
Fazit:
Als anfängliche Behandlungsstrategie bei Patienten mit CTOs reduzierte die Revaskularisierung das Risiko eines Herztodes im Vergleich zur Behandlung mit alleiniger medizinischer Therapie nicht. Die Revaskularisierung war jedoch mit einer Verringerung der Prävalenz von TVR und MACE verbunden. Darüber hinaus war eine erfolgreiche CTO-PCI auch nicht mit einer Verbesserung des Langzeitüberlebens im Vergleich zu medikamentösen Therapie (MT) allein verbunden.

Ergebnisse der Studie "DECISION-CTO"
During a median follow-up of 4.0 years (interquartile range, 2.4 to 5.1 years), there was no significant difference between the CTO-PCI and the no CTO-PCI strategies in the incidence of the primary end point ("composite of death, myocardial infarction, stroke, or any revascularization"; 22.3% versus 22.4%, hazard ratio, 1.03; 95% CI, 0.77 to 1.37; P=0.86). Both CTO-PCI and no CTO-PCI strategy were associated with significant improvements but without between-group differences in disease-specific health status that was sustained through 36 months.

Übersetzt:

Während einer medianen Nachbeobachtungszeit von 4,0 Jahren (Interquartilbereich 2,4 bis 5,1 Jahre) gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen der CTO-PCI- und der No-CTO-PCI-Strategie bei der Inzidenz des primären Endpunkts (Kombination aus Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder jedweder Revaskularisation; 22,3% gegenüber 22,4%; Hazard Ratio 1,03; 95% CI 0,77 bis 1,37; P = 0,86). Sowohl CTO-PCI- als auch keine CTO-PCI-Strategie waren mit signifikanten Verbesserungen verbunden, jedoch ohne Unterschiede im krankheitsspezifischen Gesundheitszustand zwischen den Gruppen im Verlauf einer 36-monatigen Nachbeobachtung.

CONCLUSIONS:
The presence of a CTO in implantable cardioverter defibrillator patients was associated with more appropriate device therapy and worse prognosis at long-term follow-up. Further investigation is warranted regarding a potential beneficial effect of CTO revascularization on the incidence of ventricular arrhythmias.

Übersetzung:

SCHLUSSFOLGERUNGEN:
Das Vorhandensein eines CTO bei Patienten mit implantierbarem Kardioverter-Defibrillator war mit häufigeren angemesseneren Gerätetherapien und einer schlechteren Prognose bei der Langzeitbeobachtung verbunden. Weitere Untersuchungen zur möglichen positiven Auswirkung der CTO-Revaskularisation auf die Häufigkeit von ventrikulären Arrhythmien sind erforderlich.

Complete freedom from angina was more frequent with PCI 71.6% than OMT 57.8% (P = 0.008). There was no periprocedural death or myocardial infarction. At 12 months, major adverse cardiac events were comparable between the two groups.

Übersetzt:

Nach einer PCI mit 71,6% kam es häufiger zum Abklingen der Angina als bei optimaler medikamentöser Therapie (OMT) mit 57,8% (P = 0,008). Es gab keinen periprozeduralen Tod oder Myokardinfarkt. Nach 12 Monaten gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen hinsichtlich schwerwiegender unerwünschter kardialer Ereignisse.

METHODS:
A total of 445 consecutive patients diagnosed with a CTO by angiography from January 2011 to December 2013 were enrolled.
CONCLUSIONS:
Elderly patients with CTOs presented with seriously diseased coronary arteries and poor prognoses. CTO PCI did not seem to significantly improve long-term clinical outcomes among elderly patients with CTOs. Right coronary artery CTO and LM disease combined with 3-vessel disease might be independent predictors of 3-year cardiac mortality in elderly CTO patients.

Übersetzt:

SCHLUSSFOLGERUNGEN:
Ältere Patienten mit CTO präsentierten sich mit schwer erkrankten Herzkranzgefäßen und schlechter Prognose. CTO-PCI schien die langfristigen klinischen Ergebnisse bei älteren CTO-Patienten nicht signifikant zu verbessern. Die CTO- und LM-Erkrankung der rechten Koronararterie in Kombination mit einer 3-Gefäße-Erkrankung könnte als unabhängiger Prädiktor für die 3-Jahres-Herzsterblichkeit bei älteren CTO-Patienten anzusehen sein.

CONCLUSIONS:
Additional CTO PCI within 1 week after primary PCI for STEMI was feasible and safe. In patients with STEMI and concurrent CTO, we did not find an overall benefit for CTO PCI in terms of LVEF or LVEDV. The finding that early CTO PCI in the left anterior descending coronary artery subgroup was beneficial warrants further investigation. (Evaluating Xience and Left Ventricular Function in Percutaneous Coronary Intervention on Occlusions After ST-Segment Elevation Myocardial Infarction; NTR1108).

Übersetzung:

SCHLUSSFOLGERUNGEN:
Eine zusätzliche CTO-PCI innerhalb von 1 Woche nach der primären PCI für STEMI war machbar und sicher. Bei Patienten mit STEMI und gleichzeitigem CTO fanden wir keinen Gesamtnutzen für CTO PCI in Bezug auf LVEF oder LVEDV. Die Feststellung, dass eine frühe CTO-PCI in der linken vorderen absteigenden Koronararterien-Untergruppe von Vorteil war, rechtfertigt eine weitere Untersuchung. (Evaluierung von Xience und linksventrikulärer Funktion bei perkutanen Koronarinterventionen bei Verschlüssen nach einem Myokardinfarkt mit ST-Strecken-Hebung; NTR1108).

CONCLUSIONS:
In this large prospective observational study of patients with coronary artery disease, CTO was associated with increased mortality. This association was most prominent in younger patients and in those with acute coronary syndromes.

Siehe auch in diesem Wiki


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* Zitat nach: Bach, Otto: ''Über die Subjektabhängigkeit des Bildes von der Wirklichkeit im psychiatrischen Diagnostizieren und Therapieren''. In: Psychiatrie heute, Aspekte und Perspektiven, Festschrift für Rainer Tölle, Urban & Schwarzenberg, München 1994, ISBN 3-541-17181-2, (Zitat: Seite 1)

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