Epidermolysis Bullosa

Erstellt am 16 Sep 2015 20:21
Zuletzt geändert: 28 Apr 2016 07:48

Die Epidermolysis Bullosa ist äußerst selten. Vom Vorgutachter wurde eine Inzidenz (also ein jährliches Neu-Auftreten) von 0,06/100.000 Personen ermittelt. In Deutschland sind nach Mitteilungen der Interessengemeinschaft Epidermolysis Bullosa e.V. DEBRA derzeit 244 Betroffene in dieser Gemeinschaft vertreten.

Hinsichtlich dieser Erkrankung stellt sich die Frage, ob es sich um eine „singuläre“ Erkrankung handelt.

Eine eindeutige Antwort auf diese Frage ist allerdings kaum möglich, da es keine einheitliche Definition der Begriffe „seltene Erkrankung“ oder „singuläre Erkrankung“ gibt.

Die Epidermolysis bullosa junktionalis ist deutlich seltener als viele Krankheiten, die in die europäische Liste der „seltenen Krankheiten“ oder „Orphan diseases“ aufgenommen wurden. Aus den verfügbaren Zahlen errechnet sich für Deutschland eine Prävalenz von 0,000 003 oder 3 Erkrankte je Million Einwohner. Dies liegt noch eine Zehnerpotenz unter dem niedrigsten Grenzwert für die Definition einer „ultra-seltenen“ Erkrankung in Großbritannien („ultra orphan disease“).

Das Statistische Bundesamt zählt für das Jahr 2011 662 685 in Deutschland lebend geborene Kinder. Bei einer jährlichen Geburtenzahl in diesem Bereich ist anhand der bekannten Zahlen zur Inzidenz der Epidermolysis bullosa mit maximal einem betroffenen Neugeborenen innerhalb von zwei Jahren in Deutschland zu rechnen.

Dennoch handelt es sich nicht um eine Erkrankung, die „im nationalen wie im internationalen Rahmennicht systematisch erforscht [… …] werden“ kann.

Tatsächlich sind der nationalen und internationalen medizinischen Literatur Forschungsarbeiten zu dieser Erkrankung zu entnehmen. Forschung zur Epidermolysis bullosa findet statt.

Es existiert eine internationale Organisation „DEBRA international“, ein Konsortium selbständiger nationaler EB-Patientenorganisationen, welche Forschungsprojekte zur Diagnostik und Therapie der Epidermolysis bullosa fördert.
Keines der derzeit weltweit geförderten Projekte befasst sich mit der diätetischen Behandlung der Epidermolysis bullosa im Säuglings- und Kleinkindesalter.

Wissenschaftliche Daten über die beste diätetische Behandlung dieser Patientengruppe auf einem ausreichenden methodischen Niveau für die wissenschaftliche, statistisch abgesicherte Methodenbewertung liegen derzeit nicht vor. Es ist auch nicht absehbar, wann solche verfügbar sein werden, da die Forschungsprioritäten der DEBRA international diese Frage derzeit nicht umfassen.

Insofern ist davon auszugehen, dass zur Zeit wie auch in naher Zukunft keine mit hohem Evidenzgrad begründete Empfehlung für die beste Säuglings- und Kleinkinderernährung (oder Wundversorgung) bei Epidermolysis bullosa möglich ist. Eine „systematische“ Behandlung im Sinne der Definition in dem BSG-Urteil vom 19.10.2004 (B 1 KR 27/02 R), auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse mit ausreichendem Validierungsgrad, existiert somit trotz stattfindender Forschung derzeit nicht.

Grundsätzlich handelt es sich bei der bei Epidermolysis bullosa um ein schweres bis sehr schweres Krankheitsbild mit vielen offenen Forschungsfragen und extrem niedriger Prävalenz.

Auch wenn es eine erkennbare Forschungstätigkeit in Bezug auf die Erkrankung gibt, ist aufgrund des Fehlens wissenschaftlich begründeter anerkannter Therapieansätze in der vorliegenden Situation durchaus die Frage zu diskutieren, ob hier nicht die entsprechenden Grundsätze der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sowie auch des Bundesverfassungsgerichts zu seltenen Erkrankungen heranzuziehen wären. So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 19.3.2004 (1 BvR 131/04; Immunadsorption bei Myasthenia gravis) ausgeführt, dass auch der Gemeinsame Bundesausschuss „die zu fordernden Wirksamkeitsnachweise in Anbetracht dessen, dass es sich hier um eine sehr seltene Krankheit handeln könnte“ hinsichtlich der geforderten Evidenzgrade anpassen müsse.

Inwieweit sich unter Berücksichtigung der dargelegten Aspekte ein Leistungsanspruch von Versicherten mit dieser Erkrankung gegenüber der Krankenkasse auf der Grundlage eines verfassungsrechtlich erweiterten Leistungsanspruches ergeben könnte, obliegt nicht der Beurteilung des MDK.


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* Zitat nach: Bach, Otto: ''Über die Subjektabhängigkeit des Bildes von der Wirklichkeit im psychiatrischen Diagnostizieren und Therapieren''. In: Psychiatrie heute, Aspekte und Perspektiven, Festschrift für Rainer Tölle, Urban & Schwarzenberg, München 1994, ISBN 3-541-17181-2, (Zitat: Seite 1)

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