Endometriumkarzinom

Erstellt am 02 Sep 2015 20:20
Zuletzt geändert: 12 Jan 2021 18:10

Endometriumkarzinome ("Gebärmutterkörperkarzinome") haben ihren Ursprung im Deck- und Drüsengewebes der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium).

Sehr selten treten Endometriumkarzinome aufgrund einer vererbbaren genetischen Veränderung auf, dem sogenannten HNPCC- oder Lynch-Syndrom. Außer zu Darmkrebs neigen betroffene Frauen auch überdurchschnittlich häufig zu Endometriumkarzinomen.
Eine Einnahme von Tamoxifen (Antiöstrogen mit östrogener Wirkung am Endometrium!) kann das Risiko für das Auftreten eines Endometriumkarzinoms erhöhen.

Das Vorkommen von endometriumähnlichem Gewebe außerhalb der Gebärmutter (Endometriose) geht bisherigen Studien zufolge nicht mit einem erhöhten Krebsrisiko der Gebärmutterschleimhaut einher.

Epidemiologie

Das Endometriumkarzinom (Gebärmutterkörperkrebs) wird pro Jahr bei etwa 11.550 Patientinnen in Deutschland festgestellt. Zum Vergleich: Jährlich erkranken etwa 70.000 Frauen neu an Brustkrebs. Statistisch gesehen fällt auf, dass ältere Frauen nach den Wechseljahren häufiger an Gebärmutterschleimhautkrebs erkranken als jüngere. Die höchsten Erkrankungsraten liegen in der Altersgruppe der 70- bis 74-Jährigen. Dies gilt sowohl für die östrogenabhängigen als auch für die östrogenunabhängigen Tumoren.

Histologie

Es existieren zwei Haupt-Untergruppen:

  • Östrogenabhängige, sogenannte Typ I Karzinome
  • Östrogenunabhängige, sogenannte Typ II Karzinome.

Diagnostik

Es gibt keine zuverlässige Früherkennungsuntersuchung für das Endometriumkarzinom. Im gesetzlichen Früherkennungsprogramm ist der Abstrich von Zellen am Gebärmutterhals und die Untersuchung unter dem Mikroskop vorgesehen. Diese Untersuchung dient aber der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs und erlaubt keine Aussage zum Risiko eines Endometriumkarzinoms.

Der sogenannten transvaginalen Ultraschall ist bei ansonsten gesunden Frauen nicht ausreichend zuverlässig und sollte zum Screening (als Früherkennung, zur Tumorsuche oder zum Tumor-Ausschluss) nicht eingesetzt werden. Der transvaginale Ultraschall ist bei nicht-symptomatischen Frauen eine sogenannte "individuelle Gesundheitsleistung (IGeL)".

Bei Symptomen (Unterleibsschmerzen, Ausfluss, Unregelmäßigkeiten beim Wasserlassen oder Stuhlgang, Blutungen aus Blase und Enddarm, Störungen des Lymphabflusses an den Beinen) kann hingegen der transvaginale Ultraschall zur Beurteilung der Endometriumdicke als GKV-Leistung eingesetzt werden.
Die diagnostische Zuverlässigkeit und Aussagekraft des transvaginalen Ultraschalls reicht zur Beurteilung verdächtiger Gebärmutterschleimhautveränderungen allerdings nicht aus.
Für eine Diagnosestellung unerlässlich ist die Entnahme einer Gewebeprobe mit anschließender histologischer Untersuchung. Zur sicheren Gewinnung von Gewebe aus dem Gebärmutterinneren wird zumeist eine Spiegelung und Ausschabung der Gebärmutter benötigt. Nur, wenn die Diagnose eines Endometriumkarzinoms bereits durch Histologie, Symptome und weitere Bildgebung gesichert wurde, kann auf eine Spiegelung der Gebärmutter verzichtet werden.

Die genaue Kenntnis der Ausbreitung eines Tumors im Gebärmutterkörper ist von zentraler Bedeutung, um die bestmögliche Behandlung durchführen zu können.

Die Beurteilung der Ausdehnung des Tumors ist beim Endometriumkarzinoms nur durch eine Operation möglich. Kein verfügbares bildgebendes Verfahren kann diese Operation ersetzen; auch die Positronenemissionstomographie (PET) nicht.

Stadieneinteilung

Die Stadieneinteilung erfolgt nach dem System der (International Federation of Gynecology and Obstetrics, Internationale Vereinigung für Gynäkologie und Geburtshilfe FIGO):

Stadium I Tumor ist begrenzt auf den Gebärmutterkörper.
Stadium Ia Tumor ist begrenzt auf die Gebärmutterschleimhaut.
Stadium Ib Tumor infiltriert die Hälfte oder mehr der Muskelschicht der Gebärmutter (Myometrium).
Stadium II Tumor wächst in das stützende Bindegewebe des Gebärmutterhalses ein. Er breitet sich jedoch nicht über die Gebärmutter hinaus aus.
Stadium III Der Tumor breitet sich über die Gebärmutter hinaus wie folgt aus:
Stadium IIIa Tumor befällt die glatte Auskleidung der Bauchhöhle, das Bauchfell und/oder Eierstock und Eileiter (Adnexe). Dies kann durch eine direkte Ausbreitung, aber auch durch Metastasen geschehen.
Stadium IIIb Tumor befällt die Scheide oder das Bindegewebe im Becken, das als Halteapparat für die Gebärmutter fungiert, die sogenannten Parametrien.
Stadium IIIc Es gibt Metastasen im Becken und/oder Metastasen in den Lymphknoten neben der Hauptschlagader. Dieses Stadium wird noch weiter unterteilt, je nachdem welche Lymphknoten befallen sind:
Stadium IIIc1 Metastasen in Beckenlymphknoten.
Stadium IIIc2 Metastasen in den Lymphknoten um die Hauptschlagader mit/ohne Metastasen in Beckenlymphknoten.
Stadium IV Es wird unterteilt in:
Stadium IVa Tumor wächst in die Blasen- oder Darmschleimhaut ein.
Stadium IVb Tumor bildet Absiedlungen in entfernten Organen, sogenannte Fernmetastasen.

Kriterien, die diesem Stadieneinteilungs-System zugrunde liegen, berücksichtigen
T: Größe und örtliche Ausdehnung des Tumors
N: Lymphknotenbefall (für lateinisch Nodus - Knoten)
M: Metastasen, also Tochtergeschwülste in anderen Organen oder Geweben

Auf den Internetseiten der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) findet sich eine ausführliche Gegenüberstellung der gültigen TNM-Kategorien und der FIGO-Stadien.

Das Ausmass der Entartung bzw. der Differenzierungsverlust der Zellen des Tumorgewebes wird durch das sogenannte "Grading" in den Stufen von G1 (relativ gut differenziert) über G2 und bis G3 (schlecht differenziert) beschrieben.

Risikogruppen

Als Patientinnen mit niedrigem Rückfallrisiko gelten Betroffene mit einem hormonabhängig wachsenden Typ I Endometriumkarzinom im Stadium Ia sowie Grading G1 oder G2.
Tumoren des Östrogenunabhängigen Typs sowie Tumoren in höheren Stadien als "Ib" sowie schlecht differenzierte Tumoren ("G3") gelten als Tumore mit hohem Rückfallrisiko.

Therapie

Die Operation des Endometriumkarzinoms ist die Behandlung der Wahl, die bei erfolgreicher Entfernung aller makroskopisch sichtbaren Tumoranteile eine Heilung erzielen kann. Ob dabei eine umfangreiche Lymphknotenentfernung erforderlich ist, hängt von der tatsächlichen Ausbreitung der Tumorzellen ab und kann unter Umständen erst beim Eingriff selbst beurteilt werden.
Bei Patientinnen mit kleinen Tumoren kommt als Operationsmethode die laparoskopische Hysterektomie in Frage, die wahrscheinlich mit weniger Schmerzen, kürzerem Klinikaufenthalt und schnellerer Erholung verbunden ist als die "klassische Operation mit eröffneter Bauchwand.

Eine weitere "moderne" Operationsmethode ist die laparoskopisch assistierte vaginale Hysterektomie, die hinsichtlich der Nutzen-Risiko-Einschätzung aber derzeit noch nicht sicher im Vergleich zur offenen Bauchoperation zu beurteilen ist.
Nur Patientinnen in schlechtem Allgemeinzustand und/oder mit sehr fortgeschrittener Erkrankung werden primär bestrahlt.

Eine Möglichkeit der Behandlung bei Kinderwunsch und sehr niedrigem Risiko (TNM-Stadium Ia, G1 oder G2) kann eine Hormontherapie mit Gestagenen darstellen. Wegen des bei diesem Vorgehen bestehenden hohen Rückfallrisikos wird entsprechenden Patientinnen empfohlen, bald nach der Geburt eines Kindes die Gebärmutter entfernen zu lassen.

Je nach operativem Befund wird die Operation durch eine adjuvante Strahlentherapie ergänzt. Diesbezüglich sind Fragen zum genauen Nutzen der verschiedenen Bestrahlungsmöglichkeiten noch offen. Generell gilt nur folgendes: Je höher das Rückfallrisiko erscheint, desto eindeutiger fallen zurzeit die Empfehlungen zur Durchführung einer Strahlentherapie aus.
Angewandte Bestrahlungsmethoden sind die Brachytherapie, die perkutane Strahlentherapie und die Kombination beider Bestrahlungsverfahren.
Bei hohen Rückfallrisiko wird je nach histologischem Befund eine ergänzende, adjuvante Chemotherapie eingesetzt.

Eine hormonelle Therapie hat bei der Behandlung des Endometriumkarzinoms nur einen sehr untergeordneten Stellenwert und kommt nur infrage, wenn eine Operation oder eine Bestrahlung nicht möglich sind, da die künstlichen Gestagene (Gelbkörperhormone) zwar das Tumorwachstum eine gewisse Zeit lang zurückdrängen, insgesamt jedoch die Rückfallrate nach einer Operation oder Bestrahlung nicht nachweislich verringern.

Therapie im Rezidiv

15 von 100 Patientinnen mit Endometriumkarzinom in den Stadien I und II müssen mit lokalen Rückfällen rechnen. Bei Patientinnen mit einem Tumorrückfall (Rezidiv), der auf die Scheide und/oder den unteren Bauchraum begrenzt ist, kann zur Behandlung unter Umständen – bei gutem Allgemeinzustand – möglicherweise eine (erneute) Operation durchgeführt werden.

Wenn eine Frau Fernmetastasen hat, oder wenn sich Tumoren in Scheide und Becken nicht mehr bei einer Operation entfernen lassen, ist eine Behandlung trotzdem möglich: Sie zielt darauf, das Tumorwachstum nach Möglichkeit zu bremsen und vor allem Beschwerden durch die Erkrankung zu lindern.

Bei Patientinnen mit östrogenabhängigen, nicht (mehr) operablen Tumoren wird eine Behandlung mit Gestagenen empfohelne, die das Tumorwachstum bremst und verzögert. Möglich sind auch Medikamente, die die Östrogenwirkung blockieren. Dazu gehört zum Beispiel die Substanz Tamoxifen.

Wenn das Tumorgewebe nicht oder nicht mehr auf Hormone anspricht, kann bei gutem Allgemeinzustand eine Kombinations-Chemotherapie das Tumorwachstum aufhalten und das Überleben verlängern. Bei schlechtem Allgemeinzustand wird unter palliativen Gesichtspunkten (Aufrechterhaltung der Lebensqualität) eine Monotherapie bevorzugt.

In vielen Fällen wird die Rezidivtherapie als Behandlung zur Linderung von Beschwerden und möglichst individuell geplant.

Patientinnen, die von einem Endometriumkarzinom-Rezidiv oder einer Metastasierung betroffen sind, können unter Umständen an klinischen Studien teilnehmen, in denen neue Kombinationen von Therapieverfahren oder auch ganz neue Ansätze darauf hin geprüft werden, ob sie die bisherigen Möglichkeiten verbessern. Ansprechpartner für solche Studien sind große spezialisierte Zentren, zum Beispiel an Universitätskliniken oder anderen großen Krankenhäusern.

Nachsorge

Bis dato gibt es keinen Nachweis für den Nutzen einer strukturierten Nachsorge in Bezug auf eine Reduktion der Mortalität beim Endometriumkarzinom. Regelmäßige bildgebende Verfahren und kurzfristige Tumormarkerkontrollen sind in der routinemäßigen Nachsorge des Endometriumkarzinoms nicht sinnvoll.
Ziel der Nachsorge ist neben dem Erkennen von Rezidiven vor allem die Behandlung länger anhaltender Nebenwirkungen der Therapie:
Zu den möglichen Folgen bzw. Nebenwirkungen einer Krebstherapie bei Endometriumkarzinom zählen neben Infektionen (Blaseninfektion 12%, Wundinfektion 5%, pelviner Abszess 3%, Pneumonie 2%) vor allem post-operative Adhäsionen, die mit einer Inzidenz von 60–90% relativ häufig vorkommen. Des Weiteren ist mit dem Auftreten von Seromen, Lymphzysten sowie Bein- und Beckenvenenthrombosen zu rechnen. Seltener sind intestinale Obstruktion bzw. ein prolongierter Ileus (1–2%), Ureterverletzungen (1%) und Ureterstrikturen (4%).

Palliativtherapie

Aufgrund der individuellen Patientenbedürfnisse erfordert Palliativmedizin (Palliative Care) einen multiprofessionellen und interdisziplinären Ansatz. Dieser soll größtmögliche Patientinnenautonomie gewährleisten. Symptomkontrolle, Palliativpflege und psychosoziale Begleitung stehen dabei für drei Dimensionen palliativer Behandlung, die in jedem qualifizierten palliativen Betreuungsangebot enthalten sein müssen.

Die allgemeine palliative medikamentöse Therapie sollte gemäß AWMF-Leitlinie "Zervixkarzinom; Diagnostik, Therapie und Nachsorge .." in Form einer Kombinations-Chemotherapie mit Cisplatin und Topotecan oder Paclitaxel durchgeführt werden.

Zur speziellen Palliativtherapie bei fortgeschrittener Endometriumkarzinomerkrankung gehören die Symptomkontrolle durch Behandlung des Lymphödems der unteren Extremitäten, die adäquate Schmerztherapie sowie die Behandlung von Dysurien und Spasmen, der Ureterstenose, der Fistelbildung, der Blutungen, des fötiden Fluors und der Obstipation bzw. des Ileus.

Jede palliativmedizinische Betreuung hat das Ziel, eine bestmögliche Lebensqualität in der noch verbleibenden Zeit zu ermöglichen. Dies kann letztendlich nur durch die Integration der psychischen, sozialen und seelsorgerischen Bedürfnisse der Patienten und ihrer Angehörigen in die Therapieentscheidung sowie durch eine Kooperation von Krankenhausstation, Hausärzten, palliativen und karitativen Einrichtungen erreicht werden.

Studien für Patientinnen mit Endometriumkarzinom

NOGGO: Klinische Studien

Studien in Deutschland gemäß Deutsches Register klinischer Studien (DRKS):

Studien in Deutschland gemäß Studiendatenbank der Europäischen Union (EU Clinical Trials Register):

Studien in der US-amerikanischen Studiendatenbank "Clinical Trials":

Ergänzungen, Belege

AWMF-Leitlinie Endometriumkarzinom
Informationsseiten der Universitäts-Frauenklinik Essen zum Endometriumkarzinom
Informationsseiten des DKFZ zu Gebärmutterkörperkrebs
Informationsblatt "Klinische Studien" der DKFZ
ENDOMETRIUMKARZINOM-Therapieempfehlungen im Online-Handbuch Onkologie
Liste der in der Indikation Endometriumkarzinom bei der EMA zugelassenen Arzneimittel
Kliniken Essen-Mitte (KEM): Therapiestandards der Kliniken für Gynäkologie & Gynäkologische Onkologie


Siehe auch in diesem Wiki:


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* Zitat nach: Bach, Otto: ''Über die Subjektabhängigkeit des Bildes von der Wirklichkeit im psychiatrischen Diagnostizieren und Therapieren''. In: Psychiatrie heute, Aspekte und Perspektiven, Festschrift für Rainer Tölle, Urban & Schwarzenberg, München 1994, ISBN 3-541-17181-2, (Zitat: Seite 1)

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