Post-COVID / Long-COVID Epidemiologie

Erstellt am 01 Nov 2022 13:23
Zuletzt geändert: 24 Jun 2024 13:04

Statistiken

Ein PCS kann auch nach milderen Verläufen oder asymptomatischer Infektion auftreten. In einer kürzlich publizierten Studie traten bei etwa 30 % der Patienten, die während der akuten COVID-19 einen milden Verlauf hatten und nicht im Krankenhaus behandelt wurden (WHO „progression scale“ 1–3), bis zu sieben Monate nach der Infektion anhaltende oder späte Symptome auf, die mit einem PCS vereinbar waren. 11 % der Patienten konnten sieben Monate nach Krankheitsbeginn immer noch nicht vollständig am Alltags- und Berufsleben teilnehmen.
In einer Studie des „Office of National Statistics“ (ONS) in England wurden über 360.000 mit SARS-CoV-2-Infizierte über mehrere Monate hinweg beobachtet, unabhängig davon, ob sie Symptome aufwiesen oder nicht. Ziel der Studie war es, Langzeiteffekte im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne nachgewiesene SARS-CoV-2-Infektion zu überprüfen. Unter den ca. 22.000 positiv Getesteten berichteten nach zwölf Wochen noch etwa 14 % von Symptomen. In der Kontrollgruppe waren es lediglich 2 %, also siebenmal weniger. Weiterhin berichteten unter den positiv Getesteten 9 % von klaren Aktivitätseinschränkungen und 2,5 % von starken Einschränkungen im Alltag. Der Anteil der Patienten, die über PCS-Symptome berichteten, nahm nach vier bis fünf Monaten kaum noch ab.

Risiken / Literatur

  • Morioka S, Tsuzuki S, Suzuki M, Terada M, Akashi M, Osanai Y, Kuge C, Sanada M, Tanaka K, Maruki T, Takahashi K, Saito S, Hayakawa K, Teruya K, Hojo M, Ohmagari N. Post COVID-19 condition of the Omicron variant of SARS-CoV-2. J Infect Chemother. 2022 Nov;28(11):1546-1551. doi: 10.1016/j.jiac.2022.08.007. Epub 2022 Aug 11. PMID: 35963600; PMCID: PMC9365517.

Die Studie verglich eine Kontrollgruppe mit Zustand nach Covid-Infektion früherer Virus-Varianten (prospektive Spender für Rekonvaleszenz-Plasma) mit Patienten nach Omikron-Infektion. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Risiko für Long-COVID nach Omikron um den Faktor 10 geringer sein könnte im Vergleich zu den vorherigen Varianten.

DGN: Globale Häufigkeit von Long-COVID:
Im Ergebnis betrug der Anteil an COVID-19-Erkrankten mit mindestens einem anhaltenden Symptom der drei Symptomfelder insgesamt 6,2% (persistierenden respiratorische Probleme bei 3,7%, Fatigue-Symptomatik bei 3,2%, und kognitive Beeinträchtigungen bei 2,2%).
Entsprechende Long-COVID-Symptome drei Monate nach symptomatischer Infektion fanden sich häufiger bei Frauen ab 20 Jahren (10,6%) als bei gleichaltrigen Männern (5,4%), bei unter 20-Jährigen waren beide Geschlechter ähnlich häufig betroffen (2,8%).
Die mittlere Symptomdauer belief sich auf neun Monate bei hospitalisierten und vier Monate bei nicht-hospitalisierten Personen. Wenn die Long-COVID-Symptomatik drei Monate nach der symptomatischen Infektion fortbestand, hatten 15,1% auch noch nach zwölf Monaten Symptome. Das Risiko für Long-COVID-Symptome war größer für …. jene, die während der Akuterkrankung stationär behandelt werden mussten (besonders hoch nach Intensivtherapie).

Eine Arbeitsgruppe aus Köln führte in ihrer Post-COVID-Ambulanz eine große prospektive Kohortenstudie mit 958 Patient*innen durch… (nur rund 2,4 % hospitalisiert) … Die häufigsten berichteten Symptome zu allen Zeitpunkten waren Anosmie, Ageusie, Fatigue und Dyspnoe. Nach 7 Monaten litten noch 123 der 958 Patient*innen (12,8 %) unter mindestens einem Symptom. …
Aus China wurden erste Daten eines 2-Jahres-Follow-ups publiziert … (alle Patienten hospitalisiert) … Nach 2 Jahren klagten noch 55 % der Patient*innen über Beschwerden (68 % zum Zeitpunkt nach 6 Monaten, 49 % zum Zeitpunkt nach 12 Monaten). Unabhängig vom Schweregrad waren Fatigue/Muskelschwäche und Schlafstörungen die häufigsten berichteten Beschwerden.

Untersuchung an SARS-CoV-2-positiv Getesteten: Unter Berücksichtigung neuer Symptome mit mindestens mäßiger Beeinträchtigung des täglichen Lebens und ≤80 % wiederhergestellter allgemeiner Gesundheit oder Arbeitsfähigkeit betrug die Gesamtschätzung für das Post-Covid-Syndrom 28,5 % (3289/11 536, 27,7 % bis 29,3 %) unter den Teilnehmern oder mindestens 6,5 % (3289/50 457) in der infizierten erwachsenen Bevölkerung (unter der Annahme, dass sich alle Non-Responder vollständig erholt hatten). Der tatsächliche Wert dürfte zwischen diesen Schätzungen liegen.

Die Clusteranalyse ergab drei Symptomgruppen:
Cluster1 hatte nur wenige Symptome (am häufigsten Kopfschmerzen).
Cluster2 hatte viele Symptome, darunter ein hohes Maß an Angst und Depression.
Cluster3 umfasste vor allem Kurzatmigkeit, Kopfschmerzen und kognitive Symptome.
Die Post-Covid-Symptome beeinträchtigten bei 55/122 (45 %) die Arbeit, bei 61/122 (50 %) die Haushaltsführung und bei 66/122 (54 %) die Freizeitgestaltung. Beim Vergleich von Patienten mit und ohne Post-Covid-Symptome gab es keine Unterschiede in Bezug auf Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen (Bluthochdruck, Diabetes, Lungenerkrankungen, Demenz, psychiatrische Erkrankungen, Kopfschmerzstörungen), Impfstatus oder Anteil der Patienten mit neurologischen Ereignissen (alle P>0,05).
Der Schweregrad der COVID-19-Infektion - gemessen an der Notwendigkeit einer invasiven mechanischen Beatmung - war jedoch signifikant mit der Entwicklung von Post-Covid-Symptomen verbunden (73 % der beatmeten Patienten entwickelten PASC im Vergleich zu 43 % der nicht mechanisch beatmeten Patienten, P<0,001).

  • Donnachie E, Hapfelmeier A, Linde K, Tauscher M, Gerlach R, Greissel A, Schneider A. Incidence of post-COVID syndrome and associated symptoms in outpatient care in Bavaria, Germany: a retrospective cohort study using routinely collected claims data. BMJ Open. 2022 Sep 22;12(9):e064979. doi: 10.1136/bmjopen-2022-064979. PMID: 36137635; PMCID: PMC9511014.

Ergebnisse: Von allen Patienten mit bestätigter COVID-19 erhielten 14,2 % (95 % CI 14,0 % bis 14,5 %) die Diagnose eines Post-COVID-Syndroms, und 6,7 % (95 % CI 6,5 % bis 6,9 %) erhielten die Diagnose in mindestens zwei vierteljährlichen Zeiträumen während einer zweijährigen Nachbeobachtung.
Im Vergleich zu Patienten mit anderen Atemwegsinfektionen und zu Kontrollpersonen erhielten Patienten mit COVID-19 häufiger eine Reihe von Diagnosen, darunter chronisches Müdigkeitssyndrom (1,6 % gegenüber 0,6 % bzw. 0,3 %), Müdigkeit (13,3 % gegenüber 9,2 % bzw. 6,0 %), Atemnot (9,9 % gegenüber 5,1 % bzw. 3,2 %) und Geschmacks- und Geruchsstörungen (3,2 % gegenüber 1,2 % bzw. 0,5 %). Die Behandlungshäufigkeit des Post-COVID-Syndroms war am höchsten bei Erwachsenen im Alter von 40-59 Jahren (19,0 %) und am niedrigsten bei Kindern unter 12 Jahren (2,6 %).

Aus dieser Kohortenstudie geht hervor, dass Patientinnen und Patienten 12 Wochen und länger nach der Infektion viel häufiger über eines oder mehrere von 62 Symptomen berichteten als Patienten, die sich nicht mit SARS-CoV-2 infiziert hatten.

  • Koczulla AR, Ankermann T, Behrends U, Berlit P, Böing S, Brinkmann F, Franke C, Glöckl R, Gogoll C, Hummel T, Kronsbein J, Maibaum T, Peters EMJ, Pfeifer M, Platz T, Pletz M, Pongratz G, Powitz F, Rabe KF, Scheibenbogen C, Stallmach A, Stegbauer M, Wagner HO, Waller C, Wirtz H, Zeiher A, Zwick RH. S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID (S1 Guideline Post-COVID/Long-COVID). Pneumologie. 2021 Nov;75(11):869-900. German. doi: 10.1055/a-1551-9734. Epub 2021 Sep 2. PMID: 34474488.

Im Niedrigprävalenzbereich zeigen sich bei 2,3% der Test-positiven Studienteilnehmer/innen Symptome ≥ 12 Wochen Dauer.
Die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung eines Long/Post-COVID-Syndroms ist nach Infektion mit der Omikron-Variante deutlich geringer als nach Infektion mit der Delta-Variante.

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* Zitat nach: Bach, Otto: ''Über die Subjektabhängigkeit des Bildes von der Wirklichkeit im psychiatrischen Diagnostizieren und Therapieren''. In: Psychiatrie heute, Aspekte und Perspektiven, Festschrift für Rainer Tölle, Urban & Schwarzenberg, München 1994, ISBN 3-541-17181-2, (Zitat: Seite 1)

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