Covid 19: Post-Covid, Long-Covid, Spätschäden

Erstellt am 02 Jun 2022 12:28
Zuletzt geändert: 27 Apr 2023 20:57

ICD10:
U09.9 Post-COVID-19-Zustand, nicht näher bezeichnet (Gesund.bunde.de: Long-COVID: Langzeitfolgen von COVID-19

Leitlinien

Deutschland

  • AWMF: Leitlinie "Post-COVID/Long-COVID". Registernummer 020 – 027. Stand: 17.08.2022 (in Überarbeitung), gültig bis 31.08.2023. Federführende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP). https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-027.html
    • Koczulla AR, Ankermann T, Behrends U, Berlit P, Böing S, Brinkmann F, Franke C, Glöckl R, Gogoll C, Hummel T, Kronsbein J, Maibaum T, Peters EMJ, Pfeifer M, Platz T, Pletz M, Pongratz G, Powitz F, Rabe KF, Scheibenbogen C, Stallmach A, Stegbauer M, Wagner HO, Waller C, Wirtz H, Zeiher A, Zwick RH. S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID (S1 Guideline Post-COVID/Long-COVID). Pneumologie. 2021 Nov;75(11):869-900. German. doi: 10.1055/a-1551-9734. Epub 2021 Sep 2. PMID: 34474488.
  • Der Vorstand der Bundesärztekammer hat in seiner außerordentlichen Sitzung vom 23.09.2022 auf Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats eine Stellungnahme "Post-COVID-Syndrom (PCS)" beraten und beschlossen. Die Stellungnahme (DOI: 10.3238/arztebl.2022.Stellungnahme_PCS) ist abrufbar auf der Internetseite der Bundesärztekammer: https://www.baek.de/sn-pcs-2022]; (PDF)
    • Darüber hinaus wurde die "Stellungnahme Post-COVID-Syndrom (PCS)" veröffentlicht im Deutsches Ärzteblatt vom 14. Oktober 2022. Dtsch Arztebl 2022; 119(41): A-1767 / B-1475. DOI: 10.3238/arztebl.2022.Stellungnahme_PCS.

Versicherungsrechtliche Besonderheiten

  • Während der Corona-Pandemie galt über einen längeren Zeitraum eine einrichtungsbezogene Impfflicht. Bei Impfschäden oder Verdacht auf Impfschaden sollte daher eine Anzeige beim zuständigen Gesundheitsamt gestellt werden. Hier kommen ggf. Entschädigungen nach dem § 60 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Betracht.

Beruflich erworbene Corona-Infektionen sollten der zuständigen Berufsgenossenschaft gemeldet werden. Wird die Erkrankung als berufsbedingt anerkannt, so kommt die Berufsgenossenschaft auch für die Behandlung von Folge-Erkrankungen wie Long- und Post-COVID auf.

Ausland

Österreich

Methoden: Es wurde eine systematische Literaturübersicht angefertigt.
Ergebnisse: Es wurden vierzehn Referenzen, fünf Leitlinien, vier Übersichtsarbeiten, ein Konsenspapier und vier klinische Perspektiven berücksichtigt. Diesen wurde entnommen, dass der Großteil der langwierigen COVID-bezogenen Gesundheitsversorgung in der Primärversorgung erfolgen könnte. Patienten mit komplexen Symptomen sollten an spezialisierte Ambulanzen für lange COVID überwiesen werden. Dagegen sollten Patienten mit einem dominanten Einzel-Symptom für eine zweite Beurteilung an den jeweiligen Facharzt verwiesen werden. Je nach den Bedürfnissen der Patienten können weitere Überweisungen erfolgen, z. B. an Rehabilitations- oder nichtmedizinische Gesundheitsdienste. Selbstmanagement und eine gute Kommunikation zwischen Fachleuten des Gesundheitswesens und Patienten sind entscheidende Aspekte der langfristigen COVID-Managementempfehlungen.
Schlussfolgerungen: Die methodische Qualität der einbezogenen Leitlinien und Übersichten ist aufgrund der Neuheit der Problematik und dem damit verbundenen Mangel an Forschungsdaten begrenzt. Eine aktualisierte Übersicht über den Forschungsstand in absehbarer Zeit ist zu empfehlen. Darüber hinaus wäre eine systematische Sammlung von Daten aus der realen Patientenversorgung sinnvoll, um weitere Informationen über die Dauer und den Schweregrad von Long-COVID zu sammeln. Aufbauend auf diesen Daten könnte die zukünftige Versorgung der Betroffenen besser geplant und organisiert werden.

UK

Europa

  • European Respiratory Society

Außereuropäisch:

Südkorea

Die häufigsten Symptome einer langen COVID, die bis zu 6 Monate andauerte, waren Müdigkeit, Unwohlsein nach dem Sport und kognitive Störungen.

Allgemeine Literatur / Risiken / Symptomspektrum

  • Renz-Polster H, Scheibenbogen C. Post-COVID-Syndrom mit Fatigue und Belastungsintoleranz: Myalgische Enzephalomyelitis bzw. Chronisches Fatigue-Syndrom (Post-COVID syndrome with fatigue and exercise intolerance: myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome). Inn Med (Heidelb). 2022 Aug;63(8):830-839. German. doi: 10.1007/s00108-022-01369-x. Epub 2022 Jul 13. PMID: 35925074; PMCID: PMC9281337. (Springermedizin-Volltext).
    • Bei ME/CFS handelt es sich um eine zumeist infektinduzierte, in der Regel lebenslang persistierende neuroimmunologische Erkrankung mit mindestens 6 Monate anhaltender Fatigue und dem definierendem Kernmerkmal der Belastungsintoleranz („post-exertional malaise“ [PEM]). Darunter versteht man eine nach (auch leichter) Alltagsanstrengung auftretende Verschlechterung der Beschwerden, die meist erst nach mehreren Stunden oder am Folgetag einsetzt, mindestens 14h nach Belastung noch spürbar ist und oft mehrere Tage (bis Wochen oder länger) anhält.
    • Des Weiteren bestehen bei ME/CFS Schmerzen, Störungen von Schlaf, Denk- und Merkfähigkeit sowie Fehlregulationen von Kreislauf, Hormon- und Immunsystem.
    • Als eigenständige klinische Entität ist ME/CFS von der chronischen Fatigue abzugrenzen, die als Symptom bei ganz unterschiedlichen Erkrankungen auftritt.
    • Die Diagnose ME/CFS wird anhand etablierter internationaler Diagnosekriterien klinisch gestellt und erfordert zum Ausschluss anderer Diagnosen eine sorgfältige Stufendiagnostik. Eine kausale Therapie für ME/CFS ist nicht etabliert, im Vordergrund steht die Linderung der Beschwerden, die Behandlung der oft begleitenden orthostatischen Intoleranz sowie die Unterstützung beim vorausschauenden Energiemanagement („pacing“).

Diagnostik und Schweregrad-Bestimmung / Biomarker

  • Kedor C, Freitag H, Meyer-Arndt L, Wittke K, Hanitsch LG, Zoller T, Steinbeis F, Haffke M, Rudolf G, Heidecker B, Bobbert T, Spranger J, Volk HD, Skurk C, Konietschke F, Paul F, Behrends U, Bellmann-Strobl J, Scheibenbogen C. A prospective observational study of post-COVID-19 chronic fatigue syndrome following the first pandemic wave in Germany and biomarkers associated with symptom severity. Nat Commun. 2022 Aug 30;13(1):5104. doi: 10.1038/s41467-022-32507-6. Erratum in: Nat Commun. 2022 Oct 12;13(1):6009. PMID: 36042189; PMCID: PMC9426365.
    • Die Handkraft (Griffstärke) ist bei den meisten Patienten im Vergleich zu normalen Werten bei Gesunden vermindert. Bei post-COVID-19-Syndrom/nicht-myalgischer Enzephalomyelitis/chronischem Müdigkeitssyndrom findet sich eine Assoziation der Handkraft mit Hämoglobin, Interleukin 8 und C-reaktivem Protein und mit N-terminalem Prohormon des natriuretischen Hirnpeptids, Bilirubin und Ferritin. Dies könnte auf eine niedriggradige Entzündung und Hypoperfusion als mögliche Pathomechanismen hinweisen.
  • Bynke A, Julin P, Gottfries CG, Heidecke H, Scheibenbogen C, Bergquist J. Autoantibodies to beta-adrenergic and muscarinic cholinergic receptors in Myalgic Encephalomyelitis (ME) patients - A validation study in plasma and cerebrospinal fluid from two Swedish cohorts. Brain Behav Immun Health. 2020 Jul 18;7:100107. doi: 10.1016/j.bbih.2020.100107. PMID: 34589868; PMCID: PMC8474431.
    • Signifikante Erhöhungen der Autoantikörperspiegel bei ME-Patienten im Vergleich zu Kontrollen wurden für M3- und M4-Rezeptoren in beiden Kohorten und für β1-, β2-, M3- und M4-Rezeptoren in einer Kohorte festgestellt. Es wurden keine signifikanten Korrelationen zwischen den Autoantikörperspiegeln und dem Schweregrad der Erkrankung gefunden. In den Liquorproben wurden keine signifikanten Mengen an Autoantikörpern nachgewiesen.
    • Diese Ergebnisse unterstützen frühere Erkenntnisse, dass es ein allgemeines Muster erhöhter Antikörperspiegel gegen adrenerge und muskarinische Rezeptoren in der Gruppe der ME-Patienten gibt. Die Rolle erhöhter Autoantikörper gegen adrenerge und muskarinische Rezeptoren in der Pathogenese von ME ist jedoch noch ungewiss, und weitere Forschung ist erforderlich, um die klinische Bedeutung dieser Befunde zu bewerten.
  • Szewczykowski C, Mardin C, Lucio M, Wallukat G, Hoffmanns J, Schröder T, Raith F, Rogge L, Heltmann F, Moritz M, Beitlich L, Schottenhamml J, Herrmann M, Harrer T, Ganslmayer M, Kruse FE, Kräter M, Guck J, Lämmer R, Zenkel M, Gießl A, Hohberger B. Long COVID: Association of Functional Autoantibodies against G-Protein-Coupled Receptors with an Impaired Retinal Microcirculation. Int J Mol Sci. 2022 Jun 29;23(13):7209. doi: 10.3390/ijms23137209. PMID: 35806214; PMCID: PMC9266742.
    • Frühere Studien ergaben, dass ein beeinträchtigter Blutfluss, die Bildung von Mikroklumpen und Autoimmunmechanismen mögliche Faktoren in dem komplexen Zusammenspiel bei der Entstehung von Long-Covid sind.
    • Da bei Patienten nach einer SARS-CoV-2-Infektion funktionell aktive Autoantikörper gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR-AAbs) beobachtet wurden, sollte in dieser Studie das Auftreten von GPCR-AAbs mit der kapillaren Mikrozirkulation korreliert werden.
    • Die Seropositivität von GPCR-AAbs wurde mit einem etablierten Kardiomyozyten-Bioassay bei 42 Patienten mit Lomg-Covid (LC) und 6 Kontrollen gemessen. Die retinale Mikrozirkulation wurde mittels OCT-Angiographie gemessen und als Makula- und peripapilläre Gefäßdichte (VD) mit dem Erlangen-Angio-Tool quantifiziert. Eine statistische Analyse ergab, dass die VD bei Patienten mit LC im Vergleich zu den Kontrollen beeinträchtigt war, was bei weiblichen Personen besonders ausgeprägt war. Für AAbs, die auf den adrenergen β2-Rezeptor, den MAS-Rezeptor, den Angiotensin-II-Typ-1-Rezeptor und den adrenergen α1-Rezeptor abzielen, wurde eine signifikante Abnahme der Makula- und peripapillären VD beobachtet. Die vorliegende Studie könnte darauf hindeuten, dass eine Seropositivität von GPCR-AAbs mit einer gestörten retinalen kapillaren Mikrozirkulation verbunden sein kann, die möglicherweise die systemische Mikrozirkulation mit konsekutiven klinischen Symptomen widerspiegelt.

Antikörper-Diagnostik

Pathophysiologie

Was Long-COVID anbetrifft, so gibt es keine Studie über SARS-CoV-2-spezifische B-Zell-Gedächtniszellen für Long-COVID. Wie in den Abschnitten über Gedächtnis-T-Zellen erwähnt, ist es plausibel, dass zumindest einige Long-COVID-Fälle auf eine anhaltende Infektion in einigen Gewebestellen zurückzuführen sind. Somit könnte ein Teil der ausgedehnten substanziellen somatischen Hypermutation (SHM) von B-Zell-Gedächtniszellen auf eine neue Generation von SARS-CoV-2-Antigenen zurückzuführen sein, nachdem die akute Phase der Krankheit abgeklungen ist. Dies sind bedeutende verbleibende Wissenslücken.

Netzwerke, Spezielle Versorgungsangebote

  • Institut Long Covid:
    • Das Institut Long Covid hat seinen Sitz in Rostock. Direktorin ist die Pneumologin Dr. Jördis Frommhold, Expertin zum Thema Long-COVID. Sie hat an der Median-Reha-Klinik in Heiligendamm schon mehr als 5.500 Patienten betreut. Ziel ist eine Beratung und Steuerung der Behandlung von Menschen mit Long-COVID. Eine Kassenzulassung hat das Institut bislang nicht. Das Angebot richten sich derzeit an Privatpatienten und an Selbstzahler.

WebLinks

  • ARD-Mediathek: Hirschhausen und Long-Covid - die Pandemie der Unbehandelten:
    • Prof. Scheibenbogen:
    • " wenn man das Risiko in sich trägt, eine Autimmunreaktion zu entwickeln, kann das auch durch eine Impfung ausgelöst werden. Dies Menschen hätten aber viel häufigere und viel schwerere Probleme, wenn sie eine Infektion gehabt hätten anstatt der Impfung, die sie vor der Infektion schützen könnten."

Artikel zum Thema Covid-19 auf Wikidot



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* Zitat nach: Bach, Otto: ''Über die Subjektabhängigkeit des Bildes von der Wirklichkeit im psychiatrischen Diagnostizieren und Therapieren''. In: Psychiatrie heute, Aspekte und Perspektiven, Festschrift für Rainer Tölle, Urban & Schwarzenberg, München 1994, ISBN 3-541-17181-2, (Zitat: Seite 1)

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