Adipositas

Erstellt am 29 Sep 2015 16:54
Zuletzt geändert: 21 May 2023 15:49

Adipositas als Krankheit

Deutsches Ärzteblatt 2018: Therapie der Fettleibigkeit: Nur Hürden statt Hilfe für Adipöse
Deutsches Ärzteblatt 2014: EuGH-Gutachter: Extreme Adipositas kann als Behinderung gelten
Deutsches Ärzteblatt 2004: Ist Adipositas eine Krankheit? Interdisziplinäre Perspektiven - Eine differenzierte Diskussion des Krankheitsbegriffs am Beispiel der Adipositas.
Demgegenüber
Deutsches Ärzteblatt 2000: Plastische Chirurgie: Was die Kassen als Krankheit anerkennen - Dieser Artikel bezieht klar Position mit der Formulierung:
Beseitigung von Fettleibigkeit geht grundsätzlich nicht zulasten der Versicherungsträger.

Sozialrechtlich

Bereits im Urteil des Bundessozialgerichts B 1 KR 1/02 R vom 19.02.2003 wurde höchstrichterlich festgestellt:

Erfordert die Adipositas eine ärztliche Behandlung, so belegt das zugleich die Regelwidrigkeit des bestehenden Zustandes und damit das Vorliegen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne.

Vor dem Hintergrund dieses Urteils ist die medizinisch behandlungsbedürftige Adipositas als Krankheit im Sinne des § 27 SGB V anzusehen.
Die Grenze zur Behandlungsbedürftigkeit besteht nach den damaligen Feststellungen des BSG bei einem Übergewicht mit einem BMI von mehr als 30. Ab dieser Grenze wurde im Jahr 2003 von den Sozialrichtern des BSG eine Behandlung mit dem Ziel einer Gewichtsreduktion als erforderlich angesehen. Begründet wurde das damals mit dem erhöhten Risiko für Begleit- und Folgeerkrankungen ab diesem BMI.

Nach der aktuellen S3-Adiositas-Leitlinie besteht eine Indikation für die Behandlung übergewichtiger und adipöser Menschen bei:

  • BMI ≥ 30,0 kg/m² oder
  • BMI zwischen 25,0 und 29,9 kg/m² und gleichzeitigem Vorliegen übergewichtsbedingter Gesundheitsstörungen (z.B. Hypertonie, T2DM) oder einer abdominalen Adipositas oder von Erkrankungen, die durch Übergewicht verstärkt werden, oder auch bei hohem psychosozialen Leidensdruck!
  • Siehe hierzu auch: Deutsche Adipositas-Gesellschaft e.V.: Definition der Adipositasgrade

Morbidität, Mortalität, gesundheitliche Folgen

allgemein

  • Eine Studie aus 2010, die systematisch alle Raucher und Ex-Raucher ausgeschlossen hatte, wurde 2010 publiziert und seitdem viel zitiert. Nach den Ergebnissen dieser Studie liegt das Gewicht, das bei Personen <60 Jahre mit der niedrigsten Mortalität assoziiert ist, bei einem BMI von 20–25 kg/m2. Die Studie enthält aber auch Daten, die darauf hindeuten, dass das optimale Gewicht bei älteren Personen höher liegt:
Body-mass index and mortality among 1.46 million white adults. N Engl J Med. 2010 Dec 2;363(23):2211-9.
  • Eine chinesische prospektive Kohortenstudie mit anfangs 384 533 über-18-jährigen Teilnehmern, von denen nach 5 Jahren (2004 bis 2009) 372 793 Teilnehmer in die Auswertung eingeschlossen werden konnten, ergab ein anderes Bild: Unterhalb eines BMI von <22,5-24,9 war das Risiko für ein Versterben an jeglicher Ursache statistisch erhöht; Teilnehmer mit einem BMI zwischen 25,0 und 34,9 hatten ein reduziertes Risiko für Tod jeglicher Ursache ("all-cause mortality"). Korrektur-Berechnungen unter Ausschluss der Raucher, der Teilnehmer mit bekannten chronischen Erkrankungen sowie der Teilnehmer mit weniger als vier Jahren Beobachtungszeit änderten die Ergebnisse nicht:
Wang JB, Gu MJ, Shen P, Huang QC, Bao CZ, Ye ZH, Wang YQ, Mayila M, Ye D, Gu ST, Lin HB, Chen K. Body Mass Index and Mortality: A 10-Year Prospective Study in China. Sci Rep. 2016 Aug 22;6:31609.
  • Ein wieder anderes Ergebnis erbrachte eine kombinierte 32-Jahres-Auswertung der "Nurses Health Study (1980-2012)" und der "Health Professionals Follow-up Study (1986-2012)". Hier wurde zwar auch festgestellt, dass Personen mit einem höheren BMI dann ein reduziertes Mortalitätsrisiko haben, wenn bei ihnen mindestens ein positiv-präventiver Gesundheitsfaktor zusätzlich vorliegt. Das niedrigste Risiko für vorzeitiges Versterben wurde jedoch in der Gruppe der Teilnehmer mit einem BMI von 18,5 - 22,4 gefunden, die zusätzlich einen hohen Score des so genannten "alternate healthy eating index" aufwiesen, körperlich sehr aktiv waren, mäßig Alkohol zu sich nahmen und nicht rauchten.
Veronese N, Li Y, Manson JE, Willett WC, Fontana L, Hu FB. Combined associations of body weight and lifestyle factors with all cause and cause specific mortality in men and women: prospective cohort study. BMJ. 2016 Nov 24;355:i5855.

Literatur zu Mortalitätsrisiko und Adipositas (Publikations-Datum absteigend)

Schlussfolgerungen: In der Jackson Heart Study fanden wir heraus, dass Adipositas, definiert durch Waist circumference (WC) und waist-to-hip ratio (WHR), mit einem erhöhten Risiko für die Gesamt- und CVD-Mortalität verbunden war, während Adipositas, definiert durch BMI, nur mit einem erhöhten Risiko für die CVD-Mortalität verbunden war. Die waist-to-hip ratio (WHR) war das einzige Maß für Adipositas, das eine monoton steigende Beziehung zur Gesamt- und CVD-Mortalität aufwies. (Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator; kostenlose Version)
Studie der Autorengruppe der Universität von Ohio, die Effekt von Faktoren wie Alter bei Beginn der Adipositas, Mortalitätsrisiken anderer Ursachen etc. auf die Risiko-Berechnungen im Lebensverlauf untersucht und zu dem Schluss kommt, dass intervenierende Variablen die scheinbare Abnahme des Mortalitätsrisikos im Laufe des Lebens bis zum 60.ten Lebensjahr rechnerisch vollständig ausgleichen; nach dem 60.ten Lebensjahr teilweise ausgleichen.
  • Mehta NK, Zheng H, Myrskylä M. How do age and major risk factors for mortality interact over the life-course? Implications for health disparities research and public health policy. SSM Popul Health. 2019 Jun 25;8:100438. doi: 10.1016/j.ssmph.2019.100438. Erratum in: SSM Popul Health. 2020 Dec 10;12:100714. PMID: 31321279; PMCID: PMC6612923.
Eine entscheidende Frage in der Lebenslaufforschung ist, ob die Beziehung zwischen einem Risikofaktor und der Sterblichkeit mit dem Alter stärker oder schwächer wird oder konstant bleibt. Ziel dieses Beitrags ist es, die Bedeutung der Messskala für die Untersuchung dieser Frage zu beleuchten. Viele Studien befassen sich mit dieser Frage ausschließlich auf der multiplikativen (relativen) Skala und berichten, dass die mit einem Risikofaktor verbundene Sterblichkeitsrate mit dem Alter abnimmt. Es hat sich gezeigt, dass eine breite Palette von Risikofaktoren diesem Muster entspricht, darunter sozioökonomische, verhaltensbedingte und physiologische Faktoren. Ausgehend von bekannten Grundsätzen zur Interpretation statistischer Wechselwirkungen zeigen wir, dass Auswertungen auf der additiven (absoluten) Skala oft zu anderen Schlussfolgerungen darüber führen, wie sich der Zusammenhang zwischen einem Risikofaktor und der Sterblichkeit mit dem Alter verändert, als Interpretationen auf der multiplikativen Skala. Wir zeigen, dass auf der additiven Skala das übermäßige Sterberisiko der wichtigsten soziodemografischen und verhaltensbezogenen Risikofaktoren mit dem Alter zunimmt. In Studien wurde die additive Interpretation nicht allgemein anerkannt, sie ist jedoch für die Prüfung von Theorien über den Lebensverlauf und für die Information über Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit von Bedeutung. Wir erörtern diese Implikationen und geben allgemeine Hinweise zur Wahl einer Skala. Zur empirischen Untermauerung werden Daten aus dem U.S. National Health Interview Survey herangezogen. Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
Studie von Epidemiologen (Soziologen) der Universität von Ohio, wonach Personen mit einer Adipositas Grad II oder III in den höheren Altersgruppen ein - gegenüber den Normalgewichtigen - verringertes Sterberisiko aufweisen; sogar dann, wenn relevante Komorbiditäten (Diabetes etc.) bestehen.
  • Carslake D, Jeffreys M, Davey Smith G. Being overweight in early adulthood is associated with increased mortality in middle age. Sci Rep. 2016 Oct 26;6:36046. doi: 10.1038/srep36046.
Carslake et al. (britische Epidemiologen) zitierten die Arbeit von Zheng et al. 2016 und meinten:
"We interpret the association with later BMI as being probably distorted by reverse causality, although it remains possible instead that the optimum BMI increases with age."

Psycho-soziale Aspekte

Extreme Adipositas (super-obesity, super-super-obesity)

  • Malinowski MJ.Biting the Hands that Feed "the Alligators": A Case Study in Morbid Obesity Extremes, End-of-Life Care, and Prohibitions on Harming and Accelerating the End of Life. Am J Law Med. 2018 Mar;44(1):23-66. doi: 10.1177/0098858818763813.
    • Abstrakt:
    • Dieser Artikel konzentriert sich auf Fälle von "extrem morbider Adipositas" ("EMO") - Situationen, in denen ohne aggressive medizinische Eingriffe der Tod unmittelbar bevorsteht und die bariatrische Chirurgie die einzige Behandlungsoption mit einer realistischen Erfolgschance ist. Bariatrische Operationen selbst stellen ein sehr hohes Risiko für EMO-Patienten dar. Die Menschen in diesem Zustand sind in ihrer Mobilität eingeschränkt und sind teilweise, wenn nicht sogar ganz, bettlägerig, hochgradig gefährdet und von Pflegepersonal abhängig, das oft die Grundlage für ihre Nahrungsmittelsucht bildet. Der Artikel stützt sich auf die bestehenden Richtlinien und Verfahren der Centers for Medicare and Medicaid Services ("CMS") und der Social Security Administration ("SSA") für die Behandlung von schwerer Adipositas und für Leistungen bei Behinderung. Die Diskussion umfasst auch unzählige Bereiche, in denen das Gesetz die Pflicht zur Meldung an Fachleute vorsieht, um gefährdete Personen vor Schaden durch andere zu schützen, sowie Einschränkungen und Verbote zur Beschleunigung des Lebensendes. Der Artikel schlägt neben anderen gesetzlichen und politischen Maßnahmen vor, eine Verpflichtung für medizinisches Fachpersonal einzuführen, Fälle von Co-Abhängigkeit zu untersuchen und zu melden, wenn Personen aufgrund von Nahrungsmittelsucht in Gefahr sind, unmittelbar zu sterben. Ziel der Vorschläge ist es, den Gesundheitsorganisationen mehr Einfluss zu geben, um zu verhindern, dass Co-Abhängige die Behandlung der Lebensmittelsucht behindern, und um EMO-Patienten in die Lage zu versetzen, Behandlungsprotokolle einzuhalten, so Leben zu retten und - ironischerweise - die Co-Abhängigen zu befähigen, den Forderungen der Personen, die ihr eigenes Leben durch Lebensmittelsucht zerstört haben, standhaft entgegenzutreten.
  • Byard RW. Forensic issues at the extremes of weight: From frailty syndrome through frail obesity to morbid obesity. J Forensic Leg Med. 2015 Oct;35:38-9. doi: 10.1016/j.jflm.2015.05.021. Epub 2015 Jul 9.
    • Abstrakt:
    • Es ist allgemein anerkannt, dass es in den letzten Jahren in einer Reihe von Ländern eine auffällige Zunahme der durchschnittlichen Körpergröße (gemessen am Body-Mass-Index) gegeben hat, so dass man von einer Adipositas-Epidemie spricht. Dies ging mit einer erhöhten Anzahl dieser Fälle in der forensischen Leichenhalle einher, mit den damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten bei der Handhabung des Körpers und der Komplexität der Identifizierung multipler Komorbiditäten. Am anderen Extrem des Körpergewichts liegt das Gebrechlichkeitssyndrom, das sich durch unbeabsichtigte Gewichtsabnahme, verminderte Muskelmasse (Sarkopenie), verminderte körperliche Kraft und Aktivität, Erschöpfung und langsames Gehen äußert. Bemerkenswert ist, dass morbide Adipositas und das Gebrechlichkeitssyndrom das Zusammenspiel mehrerer umweltbedingter, genetischer und neuroendokriner Faktoren beinhalten und beide durch systemische Entzündungsreaktionen und multifokale Organdysfunktionen gekennzeichnet sind. Während die Zytokin-Hochregulierung durchaus ein sekundäres Phänomen sein könnte, scheint es, dass die Extreme des Gewichts mit erheblichen Stoffwechselstörungen und damit verbundenen Krankheiten verbunden sind. Es könnte in forensischen Zentren nützlich sein, Verstorbene mit Gebrechlichkeitssyndrom oder morbider Adipositas zu identifizieren, um ein besseres Verständnis der wahren Inzidenz signifikanter Gewichtsstörungen und ihrer Auswirkungen in medizinisch-rechtlichen Fällen zu ermöglichen.

Adipositas im höheren und hohem Alter

Ätiologie

Allgemein

Eine wissenschaftliche Systemanalyse der relevanten bio-psycho-sozialen Determinanten der Adipositas-Entwicklung und Aufrechterhaltung im Auftrag der britischen Regierung.

Microbiom

ZNS

Gendefekte und Stoffwechseldefekte

  • Loos RJ. The genetics of adiposity. Curr Opin Genet Dev. 2018 Jun;50:86-95. doi: 10.1016/j.gde.2018.02.009. Epub 2018 Mar 9. PMID: 29529423; PMCID: PMC6089650.
  • Locke AE, Kahali B, Berndt SI, et al.; ADIPOGen Consortium; AGEN-BMI Working Group; CARDIOGRAMplusC4D Consortium; CKDGen Consortium; GLGC; ICBP; MAGIC Investigators; MuTHER Consortium; MIGen Consortium; PAGE Consortium; ReproGen Consortium; GENIE Consortium; International Endogene Consortium, et al. Genetic studies of body mass index yield new insights for obesity biology. Nature. 2015 Feb 12;518(7538):197-206. doi: 10.1038/nature14177. PMID: 25673413; PMCID: PMC4382211.

Leitlinien

deutsch

Deutschland

Schweiz

englisch

  • Rubino F, Puhl RM, Cummings DE, Eckel RH, Ryan DH, Mechanick JI, Nadglowski J, Ramos Salas X, Schauer PR, Twenefour D, Apovian CM, Aronne LJ, Batterham RL, Berthoud HR, Boza C, Busetto L, Dicker D, De Groot M, Eisenberg D, Flint SW, Huang TT, Kaplan LM, Kirwan JP, Korner J, Kyle TK, Laferrère B, le Roux CW, McIver L, Mingrone G, Nece P, Reid TJ, Rogers AM, Rosenbaum M, Seeley RJ, Torres AJ, Dixon JB. Joint international consensus statement for ending stigma of obesity. Nat Med. 2020 Apr;26(4):485-497. doi: 10.1038/s41591-020-0803-x. Epub 2020 Mar 4. PMID: 32127716; PMCID: PMC7154011.
Gute schrittweise "Anleitung" für GPs…

Auszug aus dem Text dieser Leitlinie:

"Eine bariatrische Operation ist im Allgemeinen nicht die Behandlung der ersten Wahl, es sei denn:
- andere Maßnahmen waren nicht erfolgreich
- andere Behandlungen sind kontraindiziert
- der BMI einer Person ist > 50 kg/m²."

Evidenzbasierte Handlungsempfehlungen und medizinische Fachinformationen mit Leitlinien-Charakter:

  • BMJ Best Practice "Obesity in adults" (leider nur "Overview" frei verfügbar.)
  • FamilyPractice Notebook "Obesity Surgery" FPnotebook.com is a rapid access, point-of-care medical reference for primary care and emergency clinicians. Started in 1995, this collection now contains 7027 interlinked topic pages divided into a tree of 31 specialty books and 738 chapters. Content is updated monthly with systematic literature reviews and conferences. Although access to this website is not restricted, the information found here is intended for use by medical providers. Patients should address specific medical concerns with their physicians. This page was written by Scott Moses, MD, last revised on 7/9/2020 and last published on 1/21/2022.

Hohes Risiko - Personen mit einem BMI von 35 bis 40 kg/m² haben ein hohes Risiko, insbesondere Personen im Alter von 20 bis 39 Jahren und Personen mit einem BMI über 40 kg/m². Personen in den höchsten Risikokategorien sollten die aggressivste Behandlung erhalten (intensive, mehrkomponentige verhaltenstherapeutische Behandlung, pharmakologische Therapie, bariatrische Chirurgie).

Als Indikationen für eine bariatrische Chirurgie nennt die UpToDate-Datenbank:

Die Indikationen für die chirurgische Behandlung schwerer Adipositas wurden erstmals 1991 vom Konsensentwicklungsgremium der National Institutes of Health (NIH) festgelegt und 2004 von der American Bariatric Society überarbeitet. Zu den Kandidaten für einen bariatrischen chirurgischen Eingriff gehören:
● Erwachsene mit einem Body Mass Index (BMI) ≥40 kg/m² ohne Begleiterkrankungen.
● Erwachsene mit einem BMI von 35,0 bis 39,9 kg/m² mit mindestens einer schwerwiegenden Begleiterkrankung, einschließlich, aber nicht beschränkt auf: Typ-2-Diabetes, Obstruktive Schlafapnoe (OSA). Bluthochdruck, Hyperlipidämie, Adipositas-Hypoventilationssyndrom (OHS)…

Leitlinien-Auswertungen

Die Autoren um Semlitsch ermittelten anhand einer sorgfältig dokumentierten Suchstrategie insgesamt 19 evidenzbasierte Leitlinien in englischer oder deutscher Sprache zum Thema "Management der Adipositas". Den 19 Leitlinien entnahmen die Wissenschaftler insgesamt 711 verschiedene Empfehlungen, die als inhaltlich weitgehend übereinstimmend beschreiben wurden. Von den 19 einbezogenen Leitlinien wurden zwei im Jahr 2018, zwei im Jahr 2016, drei im Jahr 2015, sechs im Jahr 2014, fünf im Jahr 2013 und eine im Jahr 2012 veröffentlicht. Bis auf eine Leitlinie der US Preventive Services Task Force vom September 2018 waren diese Leitlinien schon lange publiziert; als die "Ergänzende Arbeitshilfe zum BGL Adipositas-Chirurgie" am 26.10.2018 verabschiedet wurde.
Alle inhaltlich relevanten, evidenzbasierten Leitlinien wurden in der Arbeit von Semlitsch et al. hinsichtlich ihrer methodischen Qualität mit dem validierten Leitlinienbewertungsinstrument der "Appraisal of Guidelines for Research and Evaluation Collaboration" (AGREE II) eingestuft. Einzig die Leitlinie des National Health and Medical Research Council (NHMRC) aus dem Jahr 2013 erreichte einen Score von 7 und damit die höchste Wertung. Vier weitere Leitlinien mit einem Score von 6 wurden als methodisch hochwertig eingestuft. Hierzu gehörten die Leitlinie der Canadian Task Force; die Leitlinie der American Heart Association; die Leitlinie der US Preventive Task Force sowie die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein ‐ und Viszeralchirurgie von 2018.
Gemäß Zusammenfassung in der systematischen Arbeit von Semlitsch et al. besteht in den ausgewerteten internationalen Leitlinien im wesentlichen Einigkeit darüber, dass die bariatrische Chirurgie hauptsächlich eine Behandlungsoption für Menschen mit einem BMI von mindestens 35 kg/m² ist, bei denen nicht-chirurgische Maßnahmen nicht erfolgreich waren. Weiter wird festgehalten, dass die bariatrische Chirurgie bei Erwachsenen mit einem BMI von über 50 kg/m² als Behandlungsoption gilt, unabhängig davon, ob zuvor konservative gewichtsreduzierende Maßnahmen durchgeführt wurden oder nicht.
Semlitsch et al. führen aus, dass Leitlinien, die eine bariatrische Chirurgie thematisieren, die Notwendigkeit der umfassenden multidisziplinären Beurteilung vor der Entscheidung für einen chirurgischen Eingriff betonen (American Association of Clinical Endocrinologists – AACE; Deutsche Adipositas Gesellschaft; NICE; International Federation for the Surgery of Obesity - IFSO; Deutsche Gesellschaft für Allgemein ‐ und Viszeralchirurgie).
Die Autorengruppe um Semlitsch konstatiert zusammenfassend eine beträchtliche Übereinstimmung zwischen den internationalen Leitlinien bezüglich der wesentlichen Elemente eines multidisziplinären klinischen Pfades für die Behandlung von Übergewicht und Adipositas in Ländern mit hohem Einkommen.
Die Übersichtsarbeit von Semlitsch et al. stufte die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein ‐ und Viszeralchirurgie von 2018 nicht als inhaltlich diskrepant zu den anderen gefunden Leitlinien ein.

Wissenschaftliche Diskussionen

Siehe auch in diesem Wiki

Textbaustein Adipositas-Fragebogen
Textbaustein Adipositaschirurgie
Textbaustein Sozialmedizinische Voraussetzungen Adipositaschirurgie
Textbaustein Primäre Adipositaschirurgie
Textbaustein Adipositaschirurgie - Kontraindikationen

Sonstiges / Weblinks

Selbsthilfe

Verbände, Experten



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* Zitat nach: Bach, Otto: ''Über die Subjektabhängigkeit des Bildes von der Wirklichkeit im psychiatrischen Diagnostizieren und Therapieren''. In: Psychiatrie heute, Aspekte und Perspektiven, Festschrift für Rainer Tölle, Urban & Schwarzenberg, München 1994, ISBN 3-541-17181-2, (Zitat: Seite 1)

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