Paradigma

Erstellt am 02 Jun 2019 22:51 - Zuletzt geändert: 21 Jun 2019 18:35

Entscheidungen und Urteile in der Medizin - wie auch in anderen Wissenschaften - beruhen immer auch auf kognitiven Konzepten, die im Regelfall nicht weiter hinterfragt werden, weil sie (von den Anwendern dieser Konzepte) als fester Bestandteil des Wissens bzw. als unumstößliche Realität angesehen werden.

Dabei ändern sich jedoch die Konzepte - und dass, was als allgemeine Realität oder wissenschaftliche Wahrheit angesehen wird - im Laufe der Zeit durchaus. Nicht immer geht diese Änderung quasi "automatisch" vor sich, indem neue Erkenntnisse einfach in vorhandene Gedankengebäude integriert werden. Es kann auch passieren, dass neue Erkenntnisse zunächst breit abgelehnt oder ignoriert werden. Es kam in der Vergangenheit auch vor, dass bereits Versuche, eine bestimmte Hypothese zu testen, von anerkannten Vertretern eines Fachgebietes abgelehnt wurden, unter Hinweis darauf, dass diese dem "Stand des Wissens" widersprachen.

Dieser allgemein akzeptierte "Stand des Wissens" und die diesem zugrundeliegenden Gedankengebäude und Auffassungen über die Realität wurden von Thomas Kuhn als "wissenschaftliches Paradigma" bezeichnet. Zwar ist diese Betrachtungsweise nicht unumstritten und teilweise problematisch1 - aber zum Verständnis mancher Aspekte der sich (mitunter nur widerwillig) verändernden wissenschaftlichen Vorstellungswelt sind Teile seiner Ideen, bzw. der von ihm geformte Begriffe, doch oftmals gut geeignet.

Die Medizingeschichte enthält viele "Paradigmenwechsel"; z.B. das Aufkommen der "Keimtheorie", die besagte, dass Krankheiten durch unsichtbare "Keime" verursacht werden. Einer der ersten Protagonisten dieser Idee war Ignaz Semmelweis, der möglicherweise sogar für seine ungeliebten Ideen mit seinem Leben bezahlte.
Es ist aber nicht so, dass neue Erkenntnisse in der Wissenschaft grundsätzlich angefeindet werden und immer von den Vertretern der vorherigen Theorie abgelehnt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Geschichte der Entdeckung des Magenkeims Helicobacter pylori. Bemerkenswert ist an dieser Geschichte, dass das "neue Konzept / neue Paradigma" keineswegs breit abgelehnt wurde, nachdem der Beweis für die bakterielle Mitwirkung bei der Entstehung von Magenkrankheiten erbracht worden war. Die Ablehnung der Hypotheses hatte lediglich im Vorfeld dazu geführt, dass praktisch nicht in die "richtige Richtung geforscht" worden war und keine vielfältige Forschung zu der möglichen Rolle bakterieller Faktoren bei der Krebsentstehung stattfand, bevor die Entdeckung der Rolle des Helicobacter pylori publiziert worden war. Im Unterschied zu Ganz Semmelweis wurden die beiden Helicobacter-pylori-Entdecker Barry Marshall und John Robin Warren nicht verlacht oder persönlich attackiert und ungefähr 20 Jahre nach ihrer Entdeckung mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet.

Literatur

Weblinks:



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