Nocebo

Erstellt am 10 May 2018 00:38 - Zuletzt geändert: 10 May 2018 00:39

Die Placebo-Wirkung ist allen Ärzten geläufig, weniger vielleicht das Gegenteil, der Nocebo-Effekt (lat. nocebo "ich werde schaden").
Erklärt man etwa Patienten ausführlich alle möglichen Nebenwirkungen eines Medikamentes oder einer ärztlichen Maßnahme, so werden diese häufiger davon betroffen werden als der Wahrscheinlichkeit entspricht. Wie oft das sein wird, hängt ganz wesentlich von der Art der Arzt-Patienten – Interaktion ab, also dem Gespräch am Krankenbett oder in der Sprechstunde. Greville-Harris et al. (2015) betonen in einer Übersichtsarbeit, in der sie auch eigene, bisher noch nicht publizierte Untersuchungen bringen, dass eine negative Arzt-Patienten-Kommunikation zu mehr Nocebo-Effekten führt. Diese seien, im Unterschied zu den gut studierten Nebenwirkungen von Medikamenten, bisher noch wenig beachtet und kaum untersucht worden.

Zwei psychologische Theorien dominieren die Vorstellungen über die Entstehung der Nocebo-Effekte: Die Konditionierung und die Erwartung.
Die Arzt-Patientenbeziehung unter Berücksichtigung des Umfeldes des Patienten, seiner Vorstellungen vom Leben und seiner Krankheitsauffassung mit seinen Therapieerwartungen kann beträchtliche Konsequenzen für das Outcome einer medizinischen Behandlung haben, sowohl positive als auch negative.
Zum Verständnis des Nocebo-Effektes könnte das Konzept der "Validation" und der "Invalidation" beitragen. Dieses Konstrukt ist von Linehan und weiteren Autoren entwickelt worden. Ursprünglich für Therapiestrategien gedacht, kann es auch auf die Kommunikation angewendet werden. Validation bedeutet, dem Patienten zu signalisieren, dass er akzeptiert und verstanden wird, Invalidation das Gegenteil. Diese Konstrukte unterschieden sich von Empathie und "compassion" ("Mit–Leiden") dadurch, dass sie darauf fokussiert sind, dem Patienten Verständnis und Akzeptanz zu vermitteln und nicht nur Empathie und Mit-Leiden.

Für den klinischen Alltag heben die Autoren drei Punkte hervor:
1.) Wenn ein Patient das Gefühl fehlenden Verstandensein bekommt, kann dies negative Effekte haben.
2.) „Invalidierende“ Arzt-Patient-Interaktionen haben das Potential, Nocebo-Effekte zu bahnen. Dies liegt vor, wenn dem Patienten nicht Akzeptanz und Verständnis vermittelt werden kann.
3.) Die Auswirkungen einer negativen Kommunikation sind stärker als die einer positiven: „Bad is more powerful than good“. Daher ist es wichtiger, sich im Gespräch mit den Patienten darauf zu konzentrieren, diesen nicht zu „invalidieren“ als sich nur auf Empathie, „compassion“ und Validation zu konzentrieren.

Literatur

  • Häuser W. et al. Nocebo phenomena in medicine: their relevance in everyday clinical practice. Dtsch: Aerztebl. Intern. 2012. 109:459-465
  • Lineham M. Validation and psychotherapy. In: Bohart a., Greenbverg L., eds.: Empathy Reconsidered: New Directions in Psychotherapy. Washington, DC: American Psychological Association. 1997. 353-392
  • O´Sullivan S. The Art of Medicine: First, do not harm! Lancet am 6. Juni 2015, Band 385, Seite 2246-7

Darstellung nach: Prof. Helmut Schatz, Bochum; in: Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie vom 16. Februar 2015



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