Neue Leistungen für die ambulante Versorgung

Erstellt am 18 Apr 2023 18:25 - Zuletzt geändert: 18 Apr 2023 19:21

Die Aufnahme von Leistungen (Methoden) in den EBM durch den Bewertungsausschuss wurde durch eine Änderung des SGB V am 23.07.2015 gesetzlich neu geregelt in § 87 Abs. 3e Satz 1 und 4 SGB V. Dort heißt es seither:

1Der Bewertungsausschuss beschließt
1. bis spätestens zum 31. August 2017 eine Verfahrensordnung, in der er insbesondere die Antragsberechtigten, methodische Anforderungen und Fristen in Bezug auf die Vorbereitung und Durchführung der Beratungen sowie die Beschlussfassung über die Aufnahme in den einheitlichen Bewertungsmaßstab insbesondere solcher neuer Laborleistungen und neuer humangenetischer Leistungen regelt, bei denen es sich jeweils nicht um eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode nach § 135 Absatz 1 Satz 1 handelt, …
4Der Bewertungsausschuss ist verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss hinsichtlich einer neuen Leistung auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob die Aufnahme der neuen Leistung in den einheitlichen Bewertungsmaßstab in eigener Zuständigkeit des Bewertungsausschusses beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue Methode handelt, die nach § 135 Absatz 1 Satz 1 zunächst einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf.

Wer eine Auskunft beim Bewertungsausschuss (und damit ggf. auch eine Einstufung einer Methode hinsichtlich ihrer sozialrechtlichen Wertung als "NUB" oder "Nicht-NUB" anregen) erfragen darf, regelt § 87 Abs. 3e Satz 5 SGB V:

5Eine Auskunft können pharmazeutische Unternehmer, Hersteller von Medizinprodukten, Hersteller von Diagnostikleistungen und deren jeweilige Verbände, einschlägige Berufsverbände, medizinische Fachgesellschaften und die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen nach § 140f verlangen.

Die Verfahrensordnung des Bewertungsausschusses listet keine darüber hinausgehenden Antragsberechtigten auf. Einzelne Krankenkassen sind daher nicht auskunftsberechtigt. Das Auskunftsverfahren beim Bewertungsausschuss soll den Antragstellern dienen, die eine neue Leistung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgenommen haben möchten; es dient nicht der Klärung des "NUB"-Status von Leistungen.

Die Verfahrensordnung des Bewertungsausschusses enthält in § 6 Absatz 1 im Kapitel II folgende Kriterien für die Prüfung, ob es um eine neue Methode nach § 135 Absatz 1 SGB V handelt:

Nach Annahme des Auskunftsverlangens gemäß § 5 Absatz 3 prüft die Arbeitsgruppe, ob es sich bei der angefragten Leistung um eine Leistung handelt,
a. die als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab enthalten ist oder
b. die als ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab enthalten ist, aber zu berücksichtigende Änderungen erfahren hat ohne die Einordnung als neue Methode gemäß § 135 Absatz 1 SGB V zu begründen oder
c. die nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab enthalten ist und die keine neue Methode gemäß § 135 Absatz 1 SGB V darstellt oder
d. deren Beurteilung als neue Methode gemäß § 135 Absatz 1 SGB V dem Gemeinsamen Bundesausschuss obliegt.

Gemäß § 2 im ersten Kapitel der Verfahrensordnung des Bewertungsausschusses können Anträge auf neue laboratoriumsmedizinische oder neue humangenetische oder neue tumorgenetische Leistungen dann eine ausreichende Grundlage für die Beratung des Bewertungsausschusses darstellen, wenn sie die Anforderungen gemäß der Anlagen 1 oder 2 der Verfahrensordnung des Bewertungsausschusses erfüllen. Entsprechende Anträge bedürfen dann keiner weiteren Prüfung, z.B. im Hinblick auf die Frage, ob es sich bei der beantragten Leistung um eine neue Methode nach § 135 Absatz 1 SGB V im Zuständigkeitsbereich des Gemeinsamen Bundesausschusses handelt.

Dies ist, soweit es Laborleistungen betrifft, letztlich nur die Formalisierung einer langjährig bereits geübten Praxis: Laborleistungen wurden traditionell "schon immer" in den Verhandlungen des Bewertungsausschusses in neue Revisionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) aufgenommen.
Teilweise kam es dabei zwar zu Streitigkeiten über den "Methodencharakter" einzelner neuer Labormethoden; doch in der Regel wurde die Aufnahme von Laborleistungen in den EBM durch den Bewertungsausschuss, ohne vorherige Methodenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, auch von der Rechtsprechung anerkannt, wie z.B. eine Entscheidung des Bundessozialgerichts zur - damals strittigen Labordiagnostik auf Kohlehydrat-defizientes Transferrin; CDT zeigte.
Allerdings wurden in der Vergangenheit gelegentlich auch andere Leistungen vom Bewertungsausschuss eigenständig und ohne Beteiligung des G-BA in den EBM aufgenommen oder daraus entfernt. Dies betraf z.B. die Weichstrahlentherapie, die mit dem 1. Quartal 2008 für die Indikation bösartige Tumore aus dem EBM entfernt wurde. Damit hätte es sich formal, gemäß einiger Interpretationen des § 135 SGB V, ab dem 01.01.2008 bei der Weichstrahltherapie in der Indikation "bösartige Tumore" um eine "NUB" gehandelt. Nach erheblichen Protesten aus der Versorgung wurde indessen die Leistung im vierten Quartal 2008 auch wieder bei bösartigen Tumore über den EBM abrechnungsfähig.

Laut § 10 in Kapitel II der Verfahrensordnung des Bewertungsausschusses wird die Öffentlichkeit über die Beschlüsse des Bewertungsausschusses, die Antragsteller sowie die Gegenstände des Auskunftsverlangens auf der Internetseite des Instituts des Bewertungsausschusses (https://institut-ba.de) informiert.

Wenn der Gemeinsame Bundesausschuss der eigenständigen Aufnahme durch den Bewertungsausschuss" in den EBM widerspricht, kann der G-BA seinerseits eine Bewertung nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V beginnen, wenn ein entsprechender Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen auf ein Bewertungsverfahren im G-BA (und an den G-BA) gestellt wird.

Eingangswege für "Neue Leistungen" in die ambulante Versorgung ohne Bewertung durch Bewertungsausschuss oder G-BA

Leistungen, die noch nicht in den Abrechnungskatalogen EBM und BEMA enthalten sind, können auch auf anderen Wegen zu Sachleistungen der Gesetzlichen Krankenkassen werden - ohne formale Aufnahme Bewertung durch den Bewertungsausschuss oder den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).
Dies gilt z.B. für die so genannten Satzungsleistungen einzelner Krankenkassen. Diese können auch Leistungen betreffen, die bereits vom G-BA als "neue Methode" bewertet wurden, wie z.B. die Mamma-MRT oder PET-CT oder Verfahren der künstlichen Befruchtung.
Im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63ff SGB V oder über Verträge zur Integrierten Versorgung nach § 140a ff. SGB V oder über den Innovationsfond des G-BA können Leistungen unabhängig von ihrer Einstufung als neue Methoden außerhalb des Verfahrens nach § 135 SGB V als Kassenleistungen angeboten werden, sofern sie nicht vom G-BA explizit ausgeschlossen wurden.

Auch Rahmenvereinbarungen des GKV-Spitzenverbandes mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) können Änderungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) außerhalb des Verfahrens nach § 135 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB V anstoßen.



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