Erstellt am 25 May 2022 12:34 - Zuletzt geändert: 25 May 2022 12:37
"Extraleistungen der Krankenkassen"
Die Krankenkassen dürfen Leistungen, die vom G-BA nicht positiv bewertet wurden, als werbend herausgestellte "Extra-Leistungen" anbieten. Dies wäre nicht möglich, wenn alle neuen und (vom G-BA) unbewerteten Methoden kategorisch und absolut von den Leistungmöglichkeiten der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen wären.
Im Sozialgesetzbuch ist dies geregelt in § 11 Abs. 6 SGB V und § 140a SGB V.
Für beide Formen von "Extraleistungen" der Kassen wird in den genannten Paragraphen lediglich eine Einschränkung dahingehend vorgenommen, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 91 SGB V "im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5" oder "im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c Absatz 1 SGB V" ablehnend beschieden worden sein dürfen.
Von den Krankenkassen werden, in Übereinstimmung mit diesen gesetzlichen Regelungen, auch Methoden angeboten, über die der Gemeinsame Bundesausschuss (nach § 135 SGB V) beraten hatte, ohne sie in den Regelleistungskatalog aufzunehmen.
Leistungen der Krankenkassen für nicht explizit durch den G-BA positiv bewertete Methoden sind mit der Vorstellung eines absoluten Erlaubnisvorbehalts nicht vereinbar.
Wenn der Erlaubnisvorbehalt tatsächlich besagt, dass Krankenkassen unter keinen Umständen Leistungen für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden übernehmen dürfen, bevor der G-BA ein positives Votum zu der Methode abgegeben hat, dürften die Krankenkassen im Rahmen von Satzungsleistungen oder Selektivverträgen folgerichtig auch keine Leistungen für Methoden anbieten, die vom G-BA beraten, aber nicht positiv bewertet wurden.
Wenn es hingegen so ist, dass neue Methoden, die noch nicht negativ bewertet wurden, lediglich dem Regelleistungsbereich entzogen sind, so wären die Regelungen in § 11 Abs. 6 SGB V und § 140a SGB V durchaus im Einklang mit dem Erlaubnisvorbehalt.
WebLinks zu "Extra-Leistungen"
- Behandlungsangebote bei Krebserkrankungen oder Tumoren - Die Techniker (tk.de)
- Hier finden sich PET/CT bei Brust-, Lymphdrüsen- oder Darmkrebs und die Radiochirurgische Behandlung mit dem Gamma Knife am Kopf.
- Das bedeutet, vereinfacht ausgedrückt, die TK bezahlt die PET/CT in Indikationen, die nicht vom G-BA ausdrücklich zu der Liste der vertragsärztlichen Methoden ("Anlage 1") hinzugefügt wurden und die daher nicht über den Abrechnungskatalog EBM abgerechnet werden können.
- Gamma Knife: Operieren ohne Skalpell | Die Techniker (tk.de)
- Zum selektivvertraglichen Angebot der Techniker Krankenkasse gehört auch das Gamma Knife. Dieses besondere strahlenchirurgische Behandlungsverfahren wird derzeit vom Gemeinsamen Bundesausschuss in zwei Verfahren nach § 135 SGB V sowie in zwei Verfahren nach § 137e SGB V geprüft.
- Bei der Radiochirurgie bzw. dem Gamma Knife handelt es sich demnach zweifelsfrei um eine "Neue Methode", die gerade nach § 135 SGB V geprüft wird.
Die IKK gesund plus bietet verschiedene, vom G-BA nicht positiv bewertete, aber nicht explizit ausgeschlossene Methoden als Extra-Leistungen an.
Hierzu gehört die Satzungsleistung eines weiteren, vierten Versuchs künstlicher Befruchtung, nachdem drei vorherige Versuche gescheitert waren.
Die Richtlinie des G-BA zur künstlichen Befruchtung (https://www.g-ba.de/richtlinien/1/) begrenzt die Leistungen bei folgenden Methoden jeweils auf dreimalige Durchführung:
- Insemination nach hormoneller Stimulation,
- In-vitro-Fertilisation (IVF),
- Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI).
Das bedeutet, vereinfacht ausgedrückt, die IKK gesund plus bezahlt die nicht vom G-BA positiv bewertete vierte Insemination/IVF/ICSI.
Dies ist bemerkenswert auch vor dem Hintergrund, dass der G-BA im zusammenfassenden Pressebericht über seine Methodenbewertung für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung folgendes feststellte:
"Der G-BA hat die ICSI daraufhin überprüft, ob es nach Anwendung dieser Methode zu einer erhöhten Fehlbildungsrate kommt. Die Überprüfung zeigte, dass die Fehlbildungsraten sowohl bei durch ICSI als auch durch IVF gezeugten Kindern gegenüber natürlich gezeugten Kindern signifikant erhöht sind."
Quelle: https://www.g-ba.de/themen/methodenbewertung/ambulant/kuenstliche-befruchtung/methoden/.
Falls jemand die Meinung vertritt, dass der Erlaubnisvorbehalt zwar absolut ist und für alle Methoden, unabhängig von einer entsprechenden Beratung und Abstimmung durch G-BA und Bewertungsausschuss gilt, jedoch nicht für künstliche Befruchtung, ist z.B. auf das BSG-Urteil vom 03.04.2001 – B 1 KR 22/00 R (https://lexetius.com/2001,2013) zu verweisen:
Hier wurde ausdrücklich vom BSG festgestellt, dass der Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs 1 SGB V auch für neue Methoden der künstlichen Befruchtung gilt.
Als weitere Satzungsleistung bietet die IKK gesund plus unter anderem auch Osteopathie an.
Dabei könnte es sich um eine neue Methode handeln. Allerdings wurde hier bislang weder vom Bewertungsausschuss noch vom G-BA festgestellt, dass es eine Methode ist, die einer Bewertung nach § 135 SGB V bedarf.
Wahrscheinlicher ist es, dass es sich einfach um ein neues Heilmittel im Sinne von § 138 SGB V handelt.
Falls jemand diesbezüglich die Meinung vertritt, dass der Erlaubnisvorbehalt zwar absolut ist und für alle Methoden, unabhängig von einer entsprechenden Beratung und Abstimmung durch G-BA und Bewertungsausschuss gilt, jedoch nicht für neue Heilmittel, ist z.B. auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.12.2019, B 1 KR 18/19 R (https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2019/2019_12_17_B_01_KR_18_19_R.html) zu verweisen:
In dieser Entscheidung wurde vom BSG ausgeführt, dass bezüglich des Anspruchs auf neue Heilmittel in § 138 SGB V ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aufgestellt ist.
Die Liste der Satzungs- oder Selektivvertrags-Leistungen, die sich auf Methoden beziehen, die entweder in Gänze oder in bestimmten Indikationen nicht vom G-BA ausdrücklich zur vertragsärztlichen Versorgung hinzugefügt wurden, soll nur beispielhaft sein. Sehr viele andere Kassen offerieren ebenfalls solche "Extra-Leistungen".
Bereits die aufgezeigten Beispiele machen aber deutlich, dass Extraleistungen der Kassen nach § 11 Abs. 6 und nach § 140a SGB V sehr offensichtlich auch Methoden umfassen, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss eindeutig als Methode im Sinne des § 135 SGB V aufgefasst werden.
Dies spricht zumindest gegen die Ansicht, dass alle "Neuen Methoden" im Sinne des § 135 SGB V bis zur eindeutig positiven Bewertung durch den G-BA nur in Einzelfallsituationen, in denen die Kriterien des § 2 Abs. 1a SGB V erfüllt werden, eine Leistung der Kasse sein können.
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