ICF - Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit

Erstellt am 08 Aug 2016 18:42 - Zuletzt geändert: 27 Aug 2023 13:13

Geschichte

Die "Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit" - ICF ist die Nachfolgerin der "Internationalen Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen" (ICIDH) von 1980 (WHO 1980).
Die ICF wurde von der 54. Vollversammlung der WHO, an der auch Vertreter der Bundesregierung teilgenommen haben, im Mai 2001 verabschiedet.


Ganz allgemein definiert die ICF Krankheiten in gleicher Weise wie Behinderungen, als "Störungen" auf einer oder mehreren von insgesamt vier (bzw. fünf) Komponenten/Ebenen:

  • Körperfunktionen (Kategorie-Klassifikation mit "b" wie "body"),
  • Körperstrukturen (Kategorie-Klassifikation mit "s" wie "Struktur"),
  • Aktivitäten und Partizipation (Kategorie-Klassifikation mit "d" wie "daily" oder "domain") sowie
  • Umweltfaktoren/Kontextfaktoren (Kategorie-Klassifikation mit "e" wie "environment")
  • Personbezogene Faktoren (nicht durch WHO in der ICF klassifiziert) gemäß bio-psycho-sozialem Modell der WHO..

Die endgültige deutsche Fassung stammt vom Oktober 2005.
Eine deutsche Kurzversion findet sich z.B. hier.

Funktionale Gesundheit

Aus der ICF wurde der Begriff der funktionalen Gesundheit abgeleitet. Dieser wird in der ICF selbst nicht erwähnt, ist aber hilfreich für das Verständnis:

Nach Schuntermann umfasst der Begriff der funktionalen Gesundheit die Aspekte der Körperfunktionen und -strukturen des Organismus einer Person sowie die Aspekte der Aktivitäten und Teilhabe der Person an Lebensbereichen vor dem Hintergrund ihrer Kontextfaktoren.

Matthias Schmidt-Ohlemann, Bad Kreuznach, definierte die funktionale Gesundheit auf dem Fachtag Kassel am 23.10.2019 in seinem Vortrag "Das BTHG im Blick: Partizipation abhängigkeitskranker Menschen per Gesetz ?!" folgendermaßen:

Der Zustand der funktionalen Gesundheit einer Person kann betrachtet werden als das Ergebnis der Wechselwirkung zwischen dem Gesundheitsproblem (ICD) der Person und ihren Kontextfaktoren auf ihre Körperfunktionen und –strukturen, ihre Aktivitäten und ihre Teilhabe an Lebensbereichen.

Krankheits- und Gesundheitskonzepte und ICF

Die Krankheits- und Gesundheitskonzepte der Sozialgesetzbücher, speziell des fünften Sozialgesetzbuches, waren vor Einführung der ICF rein pathologisch-anatomisch und funktional ausgerichtet; es wurde das so genannte "biomedizinische Modell" angewendet.

Seit Einführung der deutschen Version der ICF zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat hier ein langsamer Änderungsprozess begonnen; der teilweise auch Niederschlag in Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses fand.
Mit Inkrafttreten des "Bundesteilhabegesetz" bildet die ICF die Gesetzbuch-übergreifende Grundlage für die Bedarfsermittlungsinstrumente im Eingliederungshilferecht und ist Grundlage des neu definierten Behinderungsbegriffs.

In der Rehabilitationsmedizin hat sich schon seit einiger Zeit die Betrachtungsweise gemäß des bio-psycho-sozialen Modells etabliert.
Das bio-psycho-soziale Modell ist die Grundlage der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit - ICF. Die ICF ergänzt die biomedizinischen Krankheitsfaktoren um psychische Faktoren und soziale sowie weitere Umwelt-Faktoren. Dabei werden alle gesundheitlich relevanten Faktoren in einem Beziehungsgeflecht auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Dimensionen betrachtet.
Das bio-psycho-soziale Modell geht davon aus, dass bei jedem Krankheitsprozess psychosoziale Faktoren als potenzielle Einflussgrößen zu berücksichtigen sind.1

Diese Betrachtung eröffnet andere Blickwinkel auf sowohl krankheits- als auch gesundheitsfördernde Faktoren und Zusammenhänge, die im reinen biomedizinischen Modell nicht genutzt werden konnten.
Kontextfaktoren, die sich sowohl außerhalb des Einflussbereiches betroffener Personen befinden als auch durch medizinische Maßnahmen nicht veränderbar sind, müssen bei einer bio-psycho-sozialen Betrachtung in ihrer gesundheitlichen Bedeutung berücksichtigt werden. Das bedeutet, medizinische Maßnahmen müssen bei Berücksichtigung der ICF Strategien enthalten, um die Auswirkungen nicht veränderbarer negativer Kontextfaktoren abzumildern, um im Sinne des bio-psycho-sozialen Modells eine Wirksamkeit entfalten zu können.
Dem individuellen Lebenshintergrund entspringen "subjektive" Kontextfaktoren, die von Betroffenen selbst als sehr relevant empfunden werden. Bei einer umfassenden Betrachtung gemäß ICF müssen auch solche Faktoren stets in die Beurteilung des Krankheits- und Gesundheitszustandes mit einbezogen werden. Ein Ausschluss "subjektiver Befindlichkeiten" entspricht nicht der Betrachtungsweise des bio-psycho-sozialen Modells.
Die ICF beruht auf einem komplexen Wechselwirkungsmodell, das keine Kausalbeziehungen vorgibt. Sie ist auf normative Vergleiche ausgerichtet. (Schliehe 2006).

Die Erfassung und Beschreibung der Dimension des sozialen Zustands mit den Begriffen der ICF, macht im Einzelfall deutlich, warum bestimmte Verhaltensänderungen nicht gelingen oder warum bestimmte körperliche Faktoren in einem Einzelfall erhebliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben können, während die gleichen körperlichen Gegebenheiten in anderen Fällen ohne jeden erkennbaren negativen Einfluss auf Lebensqualität und Teilhabe bleiben.

Auf der Homepage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) wird das Verhältnis der traditionellen biomedizinischen Krankheits-Erklärungen zum bio-psycho-sozialen Modell unter den "Leitbegriffen" der Gesundheitsförderung und Prävention in einem ausführlichen Artikel dargestellt.

Eine Definition und Abgrenzung des bio-psycho-sozialen Modells von der traditionellen Sichtweise der Medizin enthält das Kapitel "Biopsychosoziale Medizin" in dem Lehrbuch "Kommunikative Kompetenz in der Medizin", herausgegeben von Prof. Dr. med. Christian Albus und Dr. phil. Armin Koerfer:

Die Grenzen des biomedizinischen Verständnisansatzes lassen sich … an … Entwicklungstendenzen der Medizin festmachen, die mit der notwendigen Überwindung des traditionellen Dualismus von Körper und Seele einhergehen. Hierauf wollen wir nachfolgend zunächst mit einer kurzen Betrachtung des Leib-Seele Problems eingehen …
Historisch lässt sich das Leib-Seele-Problem von den modernen neuro-wissenschaftlichen Hirnforschungen bis in die Antike zurückverfolgen …
Wie schon bekannte Metaphern vom "Steuermann eines Schiffes" (Platon, Popper) oder vom "Herr(n) im eigenen Haus" (Freud) nahelegen, kann unser menschliches Selbstverständnis auf vielfältige Weise modelliert oder auch radikal in Frage gestellt werden (Langenbach, Koerfer 2006). Die vor allem in der Tradition der (sprachanalytischen) Philosophie immer wieder gestellte Frage nach der "Willensfreiheit" des Menschen ist keine rein akademische Angelegenheit, sondern betrifft das Problem der Zurechenbarkeit von Handlungen und damit von Verantwortung von Individuen in unser aller Alltagsleben (Koerfer 1994/2013).
Noch zu Beginn dieses Jahrhunderts erklärt v. Uexküll (2001) die aktuelle "Krise der Medizin" aus dem Dualismus in der alltäglichen medizinischen Versorgungspraxis, der darin besteht, einerseits in einer somatischen Medizin "Körper ohne Seelen" und anderseits in einer psychologischen Medizin "Seelen ohne Körper" zu behandeln. Eben dieser Dualismus in der Versorgungspraxis ist in einem integrativen Ansatz aufzuheben, der einen Paradigmenwechsel von einer biomedizinischen zu einem biopsychosozialen Verständnismodell verlangt.
[…]
Der vor allem von George Engel (1979, 1996) sowie Thure v. Uexküll und Wolfgang Wesiack (1991, 2011) geforderte Paradigmenwechsel von einer biotechnischen zu einer biopsychosozialen Medizin bedeutet keineswegs, die modernen biomedizinischen Errungenschaften und die daraus gewonnenen Diagnose- und Therapiemöglichkeiten zu vernachlässigen oder gar zu ignorieren, sondern eben eine Integration auf allen Erkenntnis- und Behandlungsebenen zu erreichen…
Um den Dualismus zwischen einer somatischen "Medizin für den Körper" und einer psychologischen "Medizin für die Seele" mit allen dazugehörigen Dichotomien zu überwinden, hat eine biopsychosoziale Medizin in der Theorie und Praxis eine Integration von verschiedenen hierarchischen Ebenen zu leisten, auch wenn dies nach dem Stand der Kunst in Theorie und Praxis mehr oder weniger gelingen kann.

(Text und Zitat auch erhältlich über ResearchGate)

Albus und Koerfer zitieren aus dem Grundlagenwerk "Theorie der Humanmedizin" (v. Uexküll 1991); dieses wesentliche Zitat sei hier auch wieder gegeben:

Die hierarchische Ordnung (…) läßt sich als "bio-psycho-soziales Modell" oder "bio-psycho-soziale Theorie" beschreiben. Sie gibt dem Arzt ein Orientierungsschema; denn auf jeder Integrationsebene hierarchisch aufgebauter, lebender Systeme können Störungen auftreten, die über "somato-psychosoziale Aufwärts-Effekte" von der Zelle bis zur sozialen Gruppe, und über "sozio-psycho-somatische Abwärtseffekte", von der sozialen Ebene bis zur Zelle, Auswirkungen in dem System als Ganzem haben.
Der Arzt kann mit Hilfe des Orientierungsschemas Störungen auf den verschiedenen Integrationsebenen "lokalisieren". Er kann Störungen auf der Ebene der Zellen, z. B. einen Immundefekt, mit Störungen auf der Ebene der Organe und des Organismus, die als Folgen des Immundefekts entstehen, und diese wieder mit Problemen in Verbindung bringen, die bei einer solchen Störung auf der psychischen und sozialen Integrationsebene auftreten …

ICF im Sozialrecht und den Sozialgesetzbüchern

SGB V

Im SGB V kommen Begrifflichkeiten aus der ICF bzw. Begriffe mit Bezug auf das bio-psycho-soziale Gesundheits- und Krankheitsmodell an vielen Stellen vor.
Der Begriff "Teilhabe" findet sich beispielsweise aktuell an 15 Stellen bzw. in 14 verschiedenen Paragraphen.
§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB V nimmt ebenso wie § 11 Abs. 1 Ziffer 5 SGB V direkten Bezug auf die Leistungen des Persönlichen Budgets gemäß Bundesteilhabegesetz.
Das SGB V verwendet in den Paragraphen 20, 20a, 20d, 20e und 20g den Begriff "Lebenswelten". Dabei benennt § 20 Abs. 3 SGB V unter den zu fördernden Gesundheitszielen u.a.: "gesund aufwachsen: Lebenskompetenz, Bewegung, Ernährung, … gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Souveränität der Patientinnen und Patienten stärken, … gesund älter werden". Die hier im Gesetz aufgezählten Gesundheitsziele korrespondieren mit den Domänen "Aktivitäten und Partizipation" sowie Umweltfaktoren oder "Kontextfaktoren" der ICF.
§ 20a SGB V thematisiert "Leistungen [der Krankenkassen] zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten" und enthält folgende Definition:

"Lebenswelten im Sinne des § 20 Absatz 4 Nummer 2 sind für die Gesundheit bedeutsame, abgrenzbare soziale Systeme insbesondere des Wohnens, des Lernens, des Studierens, der medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie der Freizeitgestaltung einschließlich des Sports."

Handlungsziele der Krankenkassen im Sinne des § 20a SGB V sind die Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen mit dem Ziel der Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Adressaten in der jeweiligen "Lebenswelt" sowie die Stärkung der gesundheitlichen Ressourcen und Fähigkeiten der von der Maßnahme betroffenen Personen.
§ 27 Abs. 1 Satz 3 SGB V enthält zusätzlich noch die Bestimmung, dass "bei der Krankenbehandlung […] den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen [ist], insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation".
Die Formulierung "besonderer Belange(n)" als Hinweis auf spezifische gesundheitliche Aspekte sozial ebenso wie biologisch definierter Gruppenzugehörigkeiten findet sich an gut einem halben Dutzend Stellen des SGB V.
§ 140h SGB V beschreibt die Aufgaben und Befugnisse der oder des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten unter anderem mit folgender Formulierung:

"[Die beauftragte Person] setzt sich bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe dafür ein, dass unterschiedliche Lebensbedingungen und Bedürfnisse von Frauen und Männern beachtet und in der medizinischen Versorgung sowie in der Forschung geschlechtsspezifische Aspekte berücksichtigt werden."

Die Tatsache, dass die ICF bzw. das biopsychosoziale Modell Eingang in das SGB V gefunden haben, wurde z.B. vom Verband der Ersatzkassen (VdEK) in einem Artikel auf seinen Webseiten zu den Themen "Vorsorge und Rehabilitation" vom 22.11.2019 grundsätzlich bestätigt; dort heißt es "Die Begrifflichkeiten der ICF haben bereits Eingang in das SGB V 'Gesetzliche Krankenversicherung' und das SGB IX 'Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen' gefunden."
Auch die Sozialmedizinische Expertengruppe 1 der Gemeinschaft der Medizinischen Dienste (SEG 1) bzw. der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes (MDS) scheint davon auszugehen, dass das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell auch innerhalb des SGB V anzuwenden ist. Die Arbeitshilfe zur Anwendung der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) in der sozialmedizinischen Beratung und Begutachtung (Arbeitshilfe "ICF") wird vom MDS gleichermaßen als Richtlinie/Publikation zu den Themen Pflegebedürftigkeit, Arbeitsunfähigkeit und Rehabilitation eingeordnet, wie eine Google-Übersicht-Suche zeigt. Die Arbeitshilfe "ICF" thematisiert inhaltlich auch alle diese Bereiche - und zusätzlich noch die Hilfs- und Heilmittelversorgung.

Die Zuordnungen der Leistungen zur Teilhabe durch die gesetzliche Krankenversicherung (in ihrer Funktion als Reha-Träger) finden sich in § 5 Nummer 1 und 3 SGB IX und § 6 Abs. 1 Nummer 1 SGB IX beschrieben. Danach leistet die GKV für medizinische Rehabilitation und für "unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen".

SGB IX

Eine inhaltliche Umsetzung des bio-psycho-sozialen Krankheits- und Gesundheitsmodells findet sich derzeit u.a. in § 1 SGB IX, der da lautet:

"1Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. ²Dabei wird den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Kindern mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder sowie Menschen mit seelischen Behinderungen oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen."

Die Bestimmungen in dem nur vorübergehend gültigen § 142 SGB XII wurden im Zuge der sukzessiven Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes ab dem 01.01.2020 durch § 118 ff. SGB IX abgelöst. Satz 2 in § 118 ff. SGB IX lautet nunmehr:

"Die Ermittlung des individuellen Bedarfes des Leistungsberechtigten muss durch ein Instrument erfolgen, das sich an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit orientiert."

Dabei gilt für alle Sozialgesetzbücher das Gleiche in Bezug auf die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes:
Durch umfangreiche und gestaffelt ablaufende gesetzliche Änderungen der verschiedenen Sozialgesetzbücher sollten die Rechtslage zwischen den verschiedenen Sozialgesetzbüchern und die damit einhergehenden unterschiedlichen Zuständigkeiten vereinheitlicht werden und es sollten Schnittstellenprobleme zwischen den Hilfesystemen abgebaut und insbesondere die Eingliederungshilfe einheitlich gestaltet werden.
Ein erklärtes Ziel der Änderungen im Rahmen des Bundesteilhabegesetz war es, dass die Ermittlung des individuellen Hilfebedarfs durch die Träger der Eingliederungshilfe durch ein Instrument erfolgen muss, das sich an der ICF orientiert. In diesem Zusammenhang erarbeiten die Träger der Eingliederungshilfe bzw. die Bundesländer derzeit neue Bedarfsermittlungsinstrumente oder passen bestehende Instrumente an die Neuregelungen des BTHG an.

SGB XII

Im SGB XII wurde durch das Bundesteilhabegesetz zum 01.01.2018 ein § 142 SGB XII (vorübergehend) eingeführt, der Vorgaben für ein Instrument der Bedarfsermittlung beschrieb. Danach muss die Ermittlung des individuellen Bedarfes des Leistungsberechtigten durch ein Instrument erfolgen, das sich an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) orientiert. Die entsprechenden Regelungen wurden ab 01.01.2020 im Zuge der sukzessiven Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes an anderen Stellen der Sozialgesetzbücher weiter verankert; im SGB XII z.B. in § 9 SGB XII - Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles und in § 75, § 76 und weiteren Paragraphen des SGB XII.

Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses

Bereits seit 2004 fand die sozialrechtliche Anwendung der ICF Erwähnung in der Rehabilitations-Richtlinie des Gemein­samen Bundes­aus­schusses (G-BA); in der aktuellen Version werden wesentliche Elemente des bio-psycho-sozialen Modell explizit benannt.

Seit 2011 ist die ICF-Nomenklatur in der Heilmittel-Richtlinie des Gemein­samen Bundes­aus­schusses (G-BA) verankert.

In der aktuellen Hilfsmittel-Richtlinie des Gemein­samen Bundes­aus­schusses (G-BA) wird ebenfalls eine "Gesamtbetrachtung (ICF) der funktionellen/strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigungen der Aktivitäten (Fähigkeitsstörungen), der noch verbliebenen Aktivitäten und einer störungsbildabhängigen Diagnostik" explizit festgeschrieben.

ICF und bio-psycho-soziales Model in der Sozialrechtsprechung

In sozialrichterlichen Äußerungen herrscht nach wie vor in den meisten Fällen, zumindest wenn es um Fragen aus dem Bereich des SGB V geht, ein fast vollständiger "Leib-Seele-Dualismus":
Dies ist ein Konzept, das auf René Descartes zurück geführt werden kann. In seiner Schrift "De l‘homme" von 1662 entwarf Descartes das Modell der Mensch-Maschine aus einem physikalischen Körper und einer rationalen und unsterblichen Seele. Später wurde diese Vorstellung einer völligen Trennung von Körper und Geist auch als Descartes Irrtum bezeichnet.

Weblinks

Weiterführende Literatur



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