Erstellt am 19 Aug 2015 18:31 - Zuletzt geändert: 19 Apr 2023 10:02
Unter Evidenz-basierter Medizin (EbM) oder evidenzbasierter Praxis im engeren Sinne versteht man eine Vorgehensweise des medizinischen Handelns, individuelle Patienten auf der Basis der besten zur Verfügung stehenden Daten zu versorgen. Diese Technik umfasst die systematische Suche nach der relevanten Evidenz in der medizinischen Literatur für ein konkretes klinisches Problem, die kritische Beurteilung der Validität der Evidenz nach klinisch-epidemiologischen Gesichtspunkten; die Bewertung der Größe des beobachteten Effekts sowie die Anwendung dieser Evidenz auf den konkreten Patienten mit Hilfe der klinischen Erfahrung und der Vorstellungen der Patienten.
Ein verwandter Begriff ist die evidenzbasierte Gesundheitsversorgung ("Evidence-Based Health Care"), bei der die Prinzipien der EbM auf alle Gesundheitsberufe und alle Bereiche der Gesundheitsversorgung, einschließlich Entscheidungen zur Steuerung des Gesundheitssystems, angewandt werden.
Quelle: AG Glossar des DNEbM
Glossar zur Evidenzbasierten Medizin; mit direktem Link zum PDF des Glossar auf der Webseite des herausgegeben vom Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin.
Eine gute Definition der Evidenzbasierten Medizin wurde von Professor Böhm formuliert:
EBM ist nichts Neues, sondern war und wird von allen ernsthaften Ärzten schon immer praktiziert, die (selbst)kritisch ihre klinische Tätigkeit beurteilen. EBM ist vom Prinzip her relativ einfach, weil sie auf drei Prämissen basiert:
1. mache Dich mit den Wünschen und Erwartungen des Patienten vertraut;
2. bringe Deine klinische Erfahrung ein und
3. mache Dich mit der externen, wissenschaftlichen Evidenz vertraut.1
Speziell in Deutschland werden allerdings die Aspekte der klinischen Erfahrung und der Vorstellungen der Patienten in der Anwendung der EbM, z.B. bei Anträgen auf Leistungen an die Krankenkassen, häufig ignoriert.
Eine Praxis der Evidenzbasierten Medizin ohne die Integration individueller klinischer Erfahrung und ohne Bezug zu Patienten-Präferenzen drückt sich auch in deutschsprachigen Publikationen aus; die an keiner Stelle Hinweise auf die Integration vorhandener klinischer, ärztlicher oder pflegerischer Expertise oder auf den Einfluss der Lebensumstände und gesundheitlichen Ziele sowie Wertvorstellungen der Patienten enthalten.
Als ein Beispiel für diese Auslassung kann ein Beitrag im Deutschen Ärzteblatt mit dem Titel "Evidenzbasierte Medizin: Grundlage ärztlichen Handelns" dienen:
Weblinks:
- Was ist EbM - Abdruck der deutschen Version eines Grundsatzbeitrages von David Sackett auf den deutschen Webseiten der Cochrane Collaboration.
- Kurze Geschichte der Evidenz-basierten Medizin auf dem Portal "gesundheitsinformation.de".
- Ärztliche Kunst oder Evidenz-basierte Entscheidungen – eine kurze Erläuterung der Methode, Erfahrungen mit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ergänzen.
- Kapitel 2.3 “Möglichkeiten und Grenzen evidenzbasierter Medizin” im GUTACHTEN 2000/2001 des Sachverständigenrates zur Begutachung der Entwicklung im Gesundheitswesen.
- Leserbrief von Günter Jonitz im Deutschen Ärzteblatt zur korrekten Definition des Begriffs "Evidenzbasierte Medizin".
- Wikipedia: Artikel in der deutschen und in der englischen Version der Wikipedia zum Thema Evidenzbasierte Medizin.
- Oxford Centre for Evidence-Based Medicine: Levels of Evidence.
- Evidence based medicine: a movement in crisis?
Literatur
- Yeh RW, Valsdottir LR, Yeh MW, Shen C, Kramer DB, Strom JB, Secemsky EA, Healy JL, Domeier RM, Kazi DS, Nallamothu BK; PARACHUTE Investigators. Parachute use to prevent death and major trauma when jumping from aircraft: randomized controlled trial. BMJ. 2018 Dec 13;363:k5094. doi: 10.1136/bmj.k5094. Erratum in: BMJ. 2018 Dec 18;363:k5343. PMID: 30545967; PMCID: PMC6298200.
- Smith GC, Pell JP. Parachute use to prevent death and major trauma related to gravitational challenge: systematic review of randomised controlled trials. BMJ. 2003 Dec 20;327(7429):1459-61. doi: 10.1136/bmj.327.7429.1459. PMID: 14684649; PMCID: PMC300808.
- Concato J, Shah N, Horwitz RI. Randomized, controlled trials, observational studies, and the hierarchy of research designs. N Engl J Med. 2000 Jun 22;342(25):1887-92. doi: 10.1056/NEJM200006223422507. PMID: 10861325; PMCID: PMC1557642.
Siehe auch:
EbM in der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses
§35 Abs.1 SGB V (Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin)
§35a SGB V (Evidenzstufen von Studien)
§35b SGB V und §139a Abs.4 SGB V (Berücksichtigung anerkannter internationaler Standards der EbM durch das IQWiG)
§ 65d SGB V (Förderung besonderer Therapieeinrichtungen – wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Modellvorhaben … zur Erreichung möglichst hochwertiger Evidenz)
§137f SGB V (Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien)
§139a Abs. 3 Ziffer 3 SGB V (Bewertung evidenzbasierter Leitlinien)
§139e SGB V (Berücksichtigung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin).
§73b SGB V (Hausärztliche Behandlung nach evidenzbasierten Leitlinien)
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