Erlaubnisvorbehalt

Erstellt am 07 Jul 2021 19:43 - Zuletzt geändert: 10 Oct 2023 12:14

Bedeutung des "Erlaubnisvorbehalts"

In der ambulanten Versorgung gesetzlich krankenversicherter Patienten werden oftmals Leistungen von den Krankenkassen nicht übernommen unter Hinweis darauf, dass es sich um eine "neue Methode" handeln würde und dass der so genannte "Erlaubnisvorbehalt" den Kassen deswegen eine Übernahme verbieten würde.

Dieser "Erlaubnisvorbehalt" wird allgemein (z. B. in dem Online-Lexikon des AOK-Bundesverbandes) so erklärt, dass im ambulanten Bereich eine Leistung der Krankenkassen für neue Methoden grundsätzlich verboten ist und nur möglich wird, wenn der G-BA die "Neue" Methode positiv bewertet hat.

Grundsätzlicher Ausschluss neuer Leistungen?

In diesem Zusammenhang wurde (und wird z.T. noch) von einigen Sozialrechtlern und Sozialrechts-Experten die Meinung vertreten, alle medizinischen Leistungen, die nicht über den Abrechnungskatalog für die ambulante kassenärztliche Versorgung (den so genannten "EBM"; https://www.kbv.de/html/ebm.php) abgerechnet werden können, könnten ausschließlich und nur in den seltenen Ausnahmefällen des § 2 Abs. 1a SGB V in den Leistungsbereich der GKV fallen.

Andere Experten betonen, dass nur "Leistungen mit Methodencharakter" grundsätzlich "verbotene" Leistungen sind, die von den Krankenkassen nur in extremen Ausnahmefällen übernommen werden dürfen. Allerdings gibt es keine Aussagen seitens des Gesetzgebers oder des Gemeinsamen Bundesausschusses dazu, welche Kriterien genau heranzuziehen sind, um die "Methoden-Eigenschaft" einer medizinischen Leistung feststellen und welche Institutionen des Gesundheitswesens – außer dem Gemeinsamen Bundesausschuss – zu entsprechenden Feststellungen berechtigt sind.

Einige Sozialrechts-Experten gehen vor diesem Hintergrund davon aus, dass unter anderem sie selbst, Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen, Arbeitsgruppen der Medizinischen Dienste oder Sozialgerichte dazu berufen wären, in jedem speziellen Fall einer, nicht im Abrechnungskatalog "EBM" gelisteten medizinischen Leistung festzustellen, ob es sich dabei um eine Leistung oder um eine "Neue Methode" handelt.

Eine – unvollständige – Aufzählung medizinischer Leistungen, über deren Methoden-Eigenschaft teils schon seit Jahren unterschiedliche Auffassungen im GKV-System vertreten werden, können Interessierte in einem eigenen Artikel nachlesen.

Aufnahme neuer Leistungen durch den Bewertungsausschuss

Gegen die Ansicht, dass jede neue medizinische Leistung zunächst vom Gemeinsamen Bundesausschuss bewertet werden muss, bevor sie in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden kann, sprach schon immer die Tatsache, dass durch den Bewertungsausschuss regelhaft Leistungen in den Abrechnungskatalog "EBM" aufgenommen oder aus diesem entfernt wurden.

Ein Beispiel einer Leistung, die vom Bewertungsausschuss ohne Mitwirkung des G-BA in den Abrechnungskatalog EBM aufgenommen wurde (nachdem sie, laut Aussagen einer KV, aus Gründen des medizinischen Fortschritts aus diesem entfernt worden war) stellt die Weichstrahlentherapie dar.
Die Weichstrahlentherapie ist ganz sicherlich eine Behandlungsmethode, der ein eigenständiges theoretisch-wissenschaftliches Konzept zukommt, das sie von anderen, äußerlich ähnlichen Behandlungsmethoden unterscheidet. Wenn jede Methode vor Aufnahme in den EBM vom G-BA-Entschedung positiv bewertet werden muss, hätte die Weichstrahltherapie also einer G-BA-Bewertung unterzogen werden müssen.

Laborleistungen wurden und werden vom Bewertungsausschuss regelmäßig ohne Mitwirkung des G-BA in den Abrechnungskatalog EBM aufgenommen.
§ 87 Abs. 3e Satz 1 SGB V verpflichtet den Bewertungsausschuss sogar, formale Anforderungen und Durchführungsbestimmungen bezüglich der Aufnahme neuer Laborleistungen und neuer humangenetischer Leistungen in den einheitlichen Bewertungsmaßstab in seiner Verfahrensordnung festzulegen.
Dabei nimmt § 87 Abs. 3e Satz 1 SGB V allerdings neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden nach § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V explizit von diesen Festlegungen aus.
Allerdings ist es in diesem Zusammenhang keineswegs immer klar, wann und in welchen Fällen eine neue Laborleistung als neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zu betrachten wäre.
Beispielsweise hat das Bundessozialgericht mit Datum vom 25.08.1999 (B 6 KA 39/98 R) ein Urteil gesprochen, in dem es um die kassenärztliche Abrechnung der Labor-Bestimmung des (Carbohydrate-Deficient Transferrin = Kohlehydrat-defizienten Transferrins; CDT) ging. Das BSG stufte die CDT-Bestimmung nicht als neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode nach § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V ein und erklärte:
"… daß es ärztliche Leistungen gibt, die vom Bewertungsausschuß im Rahmen seiner Entscheidungsfreiheit als im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abrechenbare Leistungen neu in den EBM-Ä aufgenommen werden können, ohne daß es vorab einer Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen bedarf."

Auch in der Folge dieses Urteils kam es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Labor-Ärzten und Experten der Gemeinschaft der Krankenkassen und der Medizinischen Dienste, zu der Frage, ob eine Laborleistung einen Methodencharakter im Sinne eines eigenen theoretisch-wissenschaftlichen Konzepts besitzt.

Neue Leistungen und neue Methoden gemäß GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG)

Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG), das am 16.07.2015 in Kraft trat, hat der Gesetzgeber folgende Regelung in den Absatz 3e in § 87 SGB V eingefügt:
"Der Bewertungsausschuss ist verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss hinsichtlich einer neuen Leistung auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob die Aufnahme der neuen Leistung in den einheitlichen Bewertungsmaßstab in eigener Zuständigkeit des Bewertungsausschusses beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue Methode handelt, die nach § 135 Absatz 1 Satz 1 zunächst einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf."

Damit besteht seit Inkrafttreten des GKV-VSG in § 87, Abs. 3e Satz 4, SGB V; (http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__87.html) eine Regelung, wonach zunächst der Bewertungsausschuss zu einer Einschätzung kommen muss, ob er eine neue Leistung als Methode einstuft oder nicht. Wenn der Bewertungsausschuss sich nicht für alleinig zuständig hält, muss er sich mit dem G-BA darüber verständigen, ob der G-BA die Leistung als neue Methode ansieht, die zunächst nach § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V bewertet werden muss.

Die Verfahrensordnung (VerfO) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wurde in der Folge des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes durch Beschluss vom 18.07.2019 angepasst.
Es wurden neue Bestimmungen zur Abgrenzung "neuer Leistungen" von "neuen Methoden" Aussagen im 2. Kapitel: ("Bewertung medizinischer Methoden sowie Erprobung") aufgenommen. Dort finden sich im 1. Abschnitt ("Allgemeine Bestimmungen zum Bewertungsverfahren") in § 2, unter "Neue Methode" nunmehr folgende Ausführungen:

(1) Als "neue" Untersuchungs- und Behandlungsmethode für die Zwecke des §135 Abs. 1 Satz 1 SGB V können nur Leistungen gelten,
a) die nicht als abrechnungsfähige ärztliche oder zahnärztliche Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) oder Bewertungsmaßstab (BEMA) enthalten sind oder
b) die als Leistungen im EBM oder im BEMA enthalten sind, deren Indikation oder deren Art der Erbringung bei zahnärztlichen Leistungen einschließlich des zahntechnischen Herstellungsverfahrens, aber wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfahren haben.
(2) Bestehen Zweifel, ob es sich um eine "neue" Methode im Sinne der vorangehenden Definition handelt, so ist eine Stellungnahme des Bewertungsausschusses gemäß §87 SGB V einzuholen.
[…]
§ 2a Einvernehmen mit dem Bewertungsausschuss zur Einordnung als Methode
(1) Der für die vertragsärztlichen Leistungen zuständige Bewertungsausschuss ist gemäß § 87 Absatz 3e SGB V verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss hinsichtlich einer neuen Leistung auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob die Aufnahme der neuen Leistung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab in eigener Zuständigkeit des Bewertungsausschusses beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue Methode handelt, die gemäß § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V zunächst einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf.
(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss erhält vom Bewertungsausschuss das Ergebnis seiner Prüfung, die für die Beurteilung relevanten Gründe, sowie die vom Auskunftsberechtigten eingereichten Unterlagen. Die für die Beurteilung relevanten Gründe enthalten darüber hinaus Angaben zum medizinischen Hintergrund, Wirkprinzip und Anwendungsgebiet der angefragten Leistung. Die vom Bewertungsausschuss an die Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses vollständig übermittelten Auskunftsverlangen sind innerhalb von 3 Monaten nach deren Eingang zu bewerten.
(3) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft, ob es sich bei der angefragten Leistung um eine neue Methode handelt, die gemäß § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V zunächst einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf.
(4) Zur Prüfung des Einvernehmens stützt sich der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere auf die vom Bewertungsausschuss übermittelten Unterlagen; er ist nicht zur Amtsermittlung verpflichtet.
[…]
(6) Über das Einvernehmen entscheidet der zuständige Unterausschuss mit den nach § 91 Absatz 2a Satz 4 SGB V geregelten Stimmrechten. Wird das Einvernehmen nicht erteilt, werden auch die Gründe, aus denen die Einschätzung des Gemeinsamen Bundesausschusses abweicht, dem Bewertungsausschuss mitgeteilt. … Das Antragserfordernis nach § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V bleibt auch dann bestehen, wenn einvernehmlich die Auskunft gegeben wurde, dass es sich um eine neue Methode handelt.
(7) Innerhalb von drei Monaten nachdem die Ablehnung des Einvernehmens durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bei der Geschäftsführung des Bewertungsausschusses eingegangen ist, werden der Bewertungsausschuss und der Gemeinsame Bundesausschuss das Einvernehmen zur Zuständigkeit bezüglich des Auskunftsersuchens herstellen. Die Geschäftsführung des Bewertungsausschusses koordiniert dieses Verfahren und überwacht insbesondere die Einhaltung der Frist.

(Quelle: Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses; im Internet hier verfügbar: https://www.g-ba.de/richtlinien/42/)

Ein Anrecht auf eine Auskunft des Bewertungsausschusses dazu, ob dieser eine bestimmte Leistung in eigener Verantwortung in den EBM aufnehmen kann - oder ob er davon ausgeht, dass es sich um eine "Neue Methode" handelt, haben nach § 87 Abs. 3e Satz 5 SGB V nur pharmazeutische Unternehmer, Hersteller von Medizinprodukten, Hersteller von Diagnostikleistungen und deren jeweilige Verbände, einschlägige Berufsverbände, medizinische Fachgesellschaften und die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen nach § 140f.
Die Medizinischen Dienste und die einzelnen Krankenkassen oder der GKV-Spitzenverband (der aber natürlich selbst im Bewertungsausschuss vertreten ist) sind laut Gesetz nicht auskunftsberechtigt.

Letztlich entscheidet, nach Kap. 2, § 1 Abs. 2 der VerfO der Gemeinsame Bundesausschuss, auf Antrag einer hierzu berechtigten Partei innerhalb des G-BA, ob er eine Leistung als "Neue" Methode im Sinne des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V bewerten wird oder nicht.

Damit ist im Gesetz und in der Verfahrensordnung das Prozedere festgelegt, das zur Bestimmung einer "neuen Methode für Zwecke des § 135 Abs. 1 SGB V" erforderlich ist.

Der G-BA kann auch Methoden bewerten, die bereits im EBM aufgenommen sind, wenn diese wesentliche inhaltliche Änderungen erfahren haben.

Das Herstellen des Einvernehmens ist in § 87 Abs. 3e Satz 4 SGB V quasi nur in einer Richtung vorgesehen. Wenn der Bewertungsausschuss eine Leistung neu in den EBM aufnehmen möchte, muss er ein Einvernehmen mit dem G-BA herstellen, bevor er die Leistung/Methode in den EBM aufnehmen kann.
Der G-BA hingegen muss nur "im Zweifel eine Stellungnahme" des Bewertungsausschusses einholen, wenn er eine Methodenbewertung beabsichtigt. Ein Einvernehmen ist in diesem Fall nicht erforderlich.
Für die Frage, ob es sich bei einer Leistung um eine "Neue Methode" im Sinne des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V handelt, erscheint aufgrund der gesetzlichen Regelungen nur dem Verfahren beim G-BA entscheidende Bedeutung zuzukommen.
Dies spiegelt sich allerdings nicht in dem Wortlaut der bislang zur Klärung des Methodencharakter durch den Bewertungsausschuss getroffenen Feststellungen. Der Bewertungsausschuss hat zu (mindestens) zwei angefragten Leistungen Beschlüsse gefasst, in denen er jeweils formulierte, dass die Leistung jeweils "eine neue Methode gemäß § 135 Abs. 1 SGB V darstellt".
Es kann nur vermutet werden, dass diese Formulierungen das Ergebnis der Abstimmung mit dem G-BA sind.
Vom Gemeinsamen Bundesausschuss selber wurden keine Aussagen zu dem Abstimmungsprozess als solchem veröffentlicht. Es wurde jedoch zu einer der fraglichen Methoden (Computertomographie-Koronarangiographie; Kardio-CT) ein Methodenbewertungsverfahren vom G-BA begonnen. Für die zweite, vom Bewertungsausschuss als "neue Methode gemäß § 135 Abs. 1 SGB V" eingestufte Leistung, die Kardio-MRT, wurde auch mehr als zwei Jahre nach dem Beschluss des Bewertungsausschusses keine Methodenbewertung begonnen.
Allerdings wurde nach veröffentlichten Angaben der Fachgesellschaft (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie) im Februar 2023 eine Erprobung der Kardio-MRT gemäß § 137e SGB V beantragt. Es bleibt abzuwarten, ob diese vom G-BA durchgeführt werden wird.

Erlaubnisvorbehalt des G-BA gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 87 Abs. 3e Satz 4 SGB V

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) verwendet auf seinen Webseiten im Einleitungstext zum Themenbereich "Methodenbewertung" (Quelle: www.g-ba.de/themen/methodenbewertung/) die Formulierung eines "Erlaubnisvorbehalts für neue Methoden im ambulanten Bereich".
Diese Formulierung bezieht sich in diesem Text auf die Prüfung von Leistungen als "neue Methode nach § 135 SGB V". Eine solche Prüfung setzt allerdings einen Antrag eines antragsberechtigten G-BA-Mitglieds voraus.
Man könnte aus den Ausführungen allerdings schließen, dass Methoden, für die kein Antrag gestellt wird und die trotz Einstufung als "eigentlich neue Methode gemäß § 135 Abs. 1 SGB V" keiner Methodenbewertung zugeführt werden; der Status nicht identisch ist mit dem einer Methode, für die eine Methodenbewertung gestartet wird.
Andernfalls wäre die Untätigkeit des G-BA im Falle einer, vom Bewertungsausschuss nach Abstimmung mit dem G-BA als "neue Methode gemäß § 135 Abs. 1 SGB V" eingestuften Methode mindestens dann nicht nachvollziehbar, wenn es sich um eine Methode handelt, die "das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative erkennen lässt". Der G-BA selbst erklärt auf seinen Webseiten, dass er zur Methoden-Erprobung verpflichtet ist, wenn der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, für diese jedoch das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative erkennbar ist.
Vor diesem Hintergrund muss ein wesentlicher Unterschied postuliert werden zwischen einer Methode, die lediglich vom Bewertungsausschuss als "neue Methode gemäß § 135 Abs. 1 SGB V" eingestuft wurde - und solchen Methoden, für die der G-BA tatsächlich eine Methodenbewertung (ggf. in Form der Erprobung) begonnen hat.

Weder § 87 Abs. 3e Satz 4 SGB V noch die aktuelle Verfahrensordnung des G-BA enthalten Hinweise auf ein generelles Verbot neuer Leistungen, das nur in Einzelfällen durch eine jeweils definitive und konkrete Erlaubnis nach § 135 Abs. 1 SGB V durchbrochen werden könnte. Ein solches Verbot stünde im Widerspruch zu der Bestimmung in § 87 Abs. 3e Satz 4 SGB V, wonach der Bewertungsausschuss manche Leistungen "in eigener Zuständigkeit" in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufnehmen kann oder sogar muss.

Der Erlaubnisvorbehalt bezüglich "neuer Methoden nach § 135 SGB V" in diesem Sinne kann so interpretiert werden, dass alle Methoden, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss als "Neue Methode" für die Zwecke des § 135 SGB V eingestuft wurden, keine Regelfall-Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung sind und auch nicht (mehr) eigenständig durch den Bewertungsausschuss in den EBM aufgenommen werden können.

Wurden sie allerdings in einem Beratungsverfahren negativ bewertet, werden darüber hinaus die Ermessensspielräume hinsichtlich positiver Einzelfallentscheidungen der Krankenkassen eingegrenzt auf Ausnahme-Situationen, wie sie in § 2 Abs. 1a SGB V beschrieben sind.

Diese Interpretation legt der G-BA selbst nahe. In seinem Informationsblatt "Voraussetzungen der Erbringung einer (neuen) Methode zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)" formuliert der G-BA:

In der ambulanten Versorgung § 135 Abs. 1 SGB V
Hier gilt nach § 135 Abs. 1 SGB V das sogenannte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung nur erbracht werden, wenn der G-BA ihren diagnostischen oder therapeutischen Nutzen sowie die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit ausdrücklich anerkannt hat. Demnach sind neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, welche vom G-BA nicht positiv empfohlen worden sind, in der Regelversorgung nicht erstattungsfähig.

(Quelle: Informationsblatt des Gemeinsamen Bundesausschusses; im Internet hier verfügbar: https://www.g-ba.de/downloads/17-98-3563/Infoblatt_Voraussetzungen-Erbringung-Methode_2013-10-10.pdf)

Bedeutung der Arbeit des G-BA für die Versorgung und die Versichertengemeinschaft

Der G-BA schließt mit seinen Beschlüssen nach § 135 SGB V Methoden aus dem Regelfall-Leistungsangebot der GKV gezielt aus und entfaltet so eine nachvollziehbare Steuerungswirkung für die vertragsärztliche Versorgung. Die Beschlüsse des G-BA sind mit sozialrechtlichen bzw. leistungsrechtlichen Änderungen verbunden. Die Begrenzung von Ermessensleistungen in Einzelfällen auf absolute Notstandssituationen gemäß § 2 Abs. 1a SGB V und Ausgrenzung z.B. von Satzungsleistungen etc. betreffen nur negativ bewertete Methoden und nicht auch solche, die noch nicht bewertet wurden.

Insbesondere die gezielte Beendigung eines Ausschlusses einer Leistung (Methode) ist keine Folgen- und sinnlose Maßnahme und mit einem Nutzen für die Versicherten und die GKV verbunden, insofern, als mit dieser Maßnahme eine sozialrechtliche und/oder leistungsrechtliche Änderung verbunden ist.

Erlaubnisvorbehalt bezüglich der Regelversorgung

Insofern sich der Erlaubnisvorbehalt nach eigenen Aussagen des G-BA nur auf den Regelleistungsbereich bezieht, so sind Ermessensleistungen auch außerhalb der Konstellation des § 2 Abs. 1a SGB V mindestens so lange möglich, bis das Bewertungsverfahren zu einem negativen Beschluss (oder negativen Teil-Beschlüssen) geführt hat.
Erst nach einer negativen Einschätzung des G-BA und entsprechender Aufnahme der Methode in die Anlage II sind Ermessensleistungen nur noch in den seltenen Ausnahmefällen des § 2 Abs. 1a SGB V möglich.

Vor diesem Hintergrund kommt der "Anlage II" eine leistungssteuernde, sozial- und leistungsrechtliche Bedeutung zu, da nur die dort aufgeführten Methoden als "definitiv ausgeschlossen" zu betrachten sind. Die entsprechenden Leistungen/Methoden sind daher nur in absoluten Ausnahmefällen, wie sie § 2 Abs. 1a SGB V beschreibt, als Einzelfall-Leistungen zu gewähren.

Ebenfalls hat die "Anlage III" eine Bedeutung, da die darin aufgeführten Leistungen noch nicht ausgeschlossen wurden und somit Ermessensentscheidungen weiterhin auch in nicht notstandsähnlichen, nicht lebensbedrohlichen Situationen möglich sind.

Die "Anlage I" hat die wichtige Funktion, alle dort aufgenommenen Leistungen in die Regelfallversorgung einzugliedern, so dass diese den gesetzlich Krankenversicherten in der Folge als Sachleistung zur Verfügung gestellt werden können.

Andere Interpretationen des Begriffs "Erlaubnisvorbehalt"

Es ist abschließend ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass andere Interpretationen des Begriffs "Erlaubnisvorbehalt" existieren, bei deren Anwendung den Anlagen "I und II" der "Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung" keinerlei leistungssteuernde, sozial- und leistungsrechtliche Bedeutung zukommt, da gemäß dieser Interpretationen alle "Nicht-EBM-Leistungen" kategorisch von den Leistungsmöglichkeiten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind.
Bei den genannten Interpretationen handelt es sich allerdings um die derzeit, im Jahr 2022, von Krankenkassen, Medizinischen Diensten und auch Sozialrichtern ganz überwiegend vertretene Interpretation! Die, im obigen Artikel dargestellte Interpretation entspricht lediglich der Meinung der Autorin.

Siehe auch in diesem Wiki



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