Experimentelle Therapie

Erstellt am 03 Mar 2018 18:11 - Zuletzt geändert: 03 Mar 2018 18:11

Eine klare und eindeutige Definition einer experimentellen Therapie existiert eben sowenig wie eine eindeutige Definition von Standardtherapie.
In der Rechtsprechung und Literatur wird die Standardtherapie in der Regel umschrieben als die Vorgehensweise, die dem aktuell geltenden Stand des Wissens entspricht.

Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat zu dieser Thematik im Auftrag des Schweizer Bundesrates eine "Richtlinie Abgrenzung von Standardtherapie und experimenteller Therapie im Einzelfall" erarbeitet, die im Juni 2014 veröffentlicht wurde.

Die SAMW definiert darin als Standardtherapie "alle medizinischen Behandlungen, die sich auf aktuell gültige fachliche Empfehlungen stützen oder – beim Fehlen solcher Empfehlungen – der allgemein geübten Praxis anerkannter Expertinnen entsprechen."

Als experimentelle Therapie im Einzelfall wird durch die SAMW eine jede Therapie angesehen, die von der Standardtherapie abweicht bzw. die bei Fehlen einer Standardtherapie eingesetzt wird.

Die Richtlinie der SAMW erläutert hierzu:

"Die graduelle Verbesserung therapeutischer oder diagnostischer Verfahren im Rahmen von Qualitätsprojekten gilt nicht als experimentelle Therapie im Einzelfall, solange keine qualitativ neuen Schritte mit experimentellem Charakter eingefügt werden. Hingegen kann die Kombination von zwei Standardtherapien experimentellen Charakter aufweisen."

Von den experimentellen Therapien grenzt die Richtlinie der SAMW die Behandlung in Forschungsprojekten ab:

"Forschungsuntersuchungen stellen nicht einen zusätzlichen Anteil des Behandlungsspektrums neben Standard- und experimenteller Therapie dar, sondern erweitern die Therapie um die zusätzliche Dimension des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns."

Neuartige Behandlungen und Verfahren werden in der Regel im Rahmen von Forschungsprojekten wissenschaftlich evaluiert. Eine neuartige Behandlung kann aber auch unabhängig von der Durchführung eines Forschungsprojekts, aufgrund einer Therapieentscheidung bei einem einzelnen Patienten oder einer einzelnen Patientin zur Anwendung kommen; man spricht dann von einer experimentellen Therapie im Einzelfall oder von einem individuellen Heilversuch.

Bei experimentellen Therapien bestehen gemäß der SAMW-Richtlinie erhöhte Sorgfaltspflichten, die mit den zu erwartenden Risiken ansteigen. Dies entspricht zumindest in der Intention auch dem deutschen ärztlichen Berufsrecht sowie den ethischen Vorgaben z.B. in der Deklaration von Helsinki; aber auch dem Patientenrechtegesetz.

Zur Anwendung experimenteller Therapien in gehäuften Fällen, insbesondere bei lebensbedrohlichen onkologischen Erkrankungen, äußerte der DKFZ-Immunologe Rodewald gegenüber der Zeitschrift Focus:

In der Geschichte der Krebsforschung gab es gut gemeinte Studien, bei denen aber viel schief gelaufen ist. Studien müssen nach streng wissenschaftlichen Regeln geplant und durchgeführt werden. Deshalb sind solche Alleingänge nicht hilfreich. Es ist klar, dass Patienten in ihrer Not danach fragen. Aber viele der angebotenen Therapien laufen am Rand der Legalität.

Siehe auch:

Abgrenzung von NUB, Heilversuch oder Außenseitermethode

Siehe auch:

Should Dying patients have the right to access experimental treatments?



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