Auslandskrankenbehandlung

Erstellt am 02 Mar 2018 21:35 - Zuletzt geändert: 02 Mar 2018 21:35

Ausländer im Inland

Leistungen der sozialen gesetzlichen Krankenversicherung stehen den Menschen in Europa prinzipiell in dem Land zur Verfügung, in dem sie geboren sind und leben ("ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben"; Inländer im eigenen Land"). Allerdings müssen in der Regel darüber hinaus weitere Anforderungen erfüllt sein; wie z.B. die Mitgliedschaft in einer Krankenkasse oder eine beitragsfreie Mitversicherung.
Leistungen der sozialen gesetzlichen Krankenversicherung stehen in Europa prinzipiell aber auch Menschen in dem Land zur Verfügung, in dem sie leben, nachdem sie aus einem anderen EU-Land dorthin gezogen sind. Auch in diesen Fällen müssen bestimmte weitere Anforderungen erfüllt sein; wie z.B. die Mitgliedschaft in einer Krankenkasse oder eine beitragsfreie Mitversicherung, um einen Anspruch auf die Leistungen zu erwerben.

Wenn jemand in einem anderen EU-Land oder in einem anderen den EU-Bestimmungen unterliegenden Land arbeitet, kann er oder sie nur nach den Gesetzen dieses Landes in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert werden.
Wenn jemand in einem EU-Land (oder einem Staat, in dem die Regelungen der EU gelten) gearbeitet oder/und dort Sozialversicherungsbeiträge bezahlt hat, können seine/ihre dort erworbenen Ansprüche bei der Berechnung von Sozialleistungen in Deutschland berücksichtigt werden.
Eine Leistung der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung kommt somit nur in Frage für Menschen, die in Deutschland leben oder gelebt haben und die Mitglieder einer gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland sind.

Wer Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland werden kann, regelt Paragraph 5 (Versicherungspflicht) in Verbindung mit Paragraph 9 (Freiwillige Versicherung) des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V).
Arbeitnehmer, die nach einer längeren Beschäftigung im Ausland oder bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation nach Deutschland zurückkehren, können innerhalb von zwei Monaten nach Rückkehr nach Deutschland erneut in die gesetzliche Krankenversicherung eintreten, wenn sie eine Beschäftigung in Deutschland aufnehmen.

Behandlung in der EU (EU, EWR und Sozialvertragsländer)

Gesetzlich Versicherte können im Prinzip mit der so genannten europäischen Krankenversicherungskarte in allen EU-Staaten sowie in allen Ländern, mit denen ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen besteht, wie Island, Kroatien, Liechtenstein, Mazedonien, Norwegen, der Schweiz und Serbien regulär ambulant oder stationär behandelt werden; die Europäische Krankenversicherungskarte EHIC ersetzt die alten "Auslandskrankenscheine".
§ 13 Abs. 4 Satz 1 erster Halbsatz formuliert einen Leistungsanspruch auf Behandlung im EU- und EWR-Ausland;, indem es dort heißt:

Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen…

Die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) eröffnet deutschen gesetzlich Krankenversicherten theoretisch einen Sachleistungsanspruch in den oben genannten Ländern. In der Praxis müssen Patienten jedoch häufig Vorkasse leisten und sich nach der Rückkehr in Deutschland um eine Kostenerstattung bemühen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 13 Abs. 4 SGB V ein Anspruch auf Erstattung für Gesundheitsleistungen im EU-Ausland höchstens in Höhe der Vergütung besteht, die die Krankenkasse bei der Erbringung als Sachleistung im Inland hätte tragen müssen, da die Auslandsbehandlung von der deutschen gesetzlichen Krankenkasse nur nach deutschem Recht erstattet werden kann.
Das führt auch dazu, dass gesetzlich vorgesehene Abschläge von dem jeweils zu erstattenden (Höchst-) Betrag abgezogen werden. Dazu zählen:
◾Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen
◾ein Abschlag für Verwaltungskosten und die fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfung. Dieser Abschlag beträgt 12 Prozent des Rechnungsbetrags, mindestens aber 5 Euro und maximal 50 Euro.

Informationen über die genauen Regelungen in einzelnen Ländern der EU sowie den Sozialvertragsländern bietet die "Nationale Kontaktstelle für die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung in Deutschland gemäß § 219d SGB V (Nationale Kontaktstelle). Bei der "Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland (DVKA)" kann man in der Rubrik "Versicherte - Touristen" Informationen zum Krankenversicherungsschutz bei Urlaubsaufenthalten in bestimmten Ländern, sowohl innerhalb der EU/EWR als auch einigen außerhalb des EU/EWR-Wirtschaftsraumes gelegenen Ländern sowie der Schweiz (oder als Tourist in Deutschland) finden.
Die Nationale Kontaktstelle informiert auch spezifisch über die Möglichkeiten der nachträglichen Kosten-Erstattung bei Behandlungen im EU-Ausland.

Will man sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder in der Schweiz im Krankenhaus behandeln lassen, regelt § 13 Abs. 5 SGB V, dass in einem solchen Fall jedoch zuvor eine Zustimmung durch die jeweilige Krankenkasse eingeholt werden muss.
Dazu enthält § 13 Abs. 5 SGB V in Satz 2 folgende Erläuterung:

2Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

Diese Regelung gilt auch für Vorsorgeleistungen und Rehabilitationsmaßnahmen ("Kuren"). Hierzu bietet die Nationale Kontaktstelle auf eine Seite spezielle Informationen an; ebenso z.B. auch das Portal Rehakliniken.de.

Behandlung außerhalb EU-Ausland / EWR-Ausland

Gemäß § 18 SGB V können Krankenkassen in besonderen Einzelfällen auch die Kosten für Behandlungen außerhalb der Europäischen Gemeinschaft oder der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder der Schweiz erstatten.
Absatz 1 zu § 18 SGB V bestimmt:

Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen.

Anders sieht es aus, wenn die Behandlung im Prinzip in Deutschland oder der EU möglich wäre und nur deswegen im außereuropäischen Ausland erfolgte, weil sie bei einem dortigen Aufenthalt unverzüglich erforderlich wurde. In diesen Fällen

hat die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung insoweit zu übernehmen, als Versicherte sich hierfür wegen einer Vorerkrankung oder ihres Lebensalters nachweislich nicht versichern können und die Krankenkasse dies vor Beginn des Aufenthalts außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum festgestellt hat. Die Kosten dürfen nur bis zu der Höhe, in der sie im Inland entstanden wären, und nur für längstens sechs Wochen im Kalenderjahr übernommen werden.

(Dies ist der Grund, warum allgemein geraten wird, bei Aufenthalt im außereuropäischen Ausland von mehr als sechs Wochen unbedingt eine Auslands-Krankenversicherung abzuschließen.)

Zu einer Konstellation gemäß § 18 Abs. 1 SGB V wurde im Dezember 2018 vom Sozialgericht Bremen eine aufsehenerregendes Urteil gesprochen:
SG Bremen, 23.10.2018 - S 8 KR 263/17. In dem zugrundliegenden Fall ging es um eine Jungen mit angeborenem Herzfehler und Bronchitis fibroplastica. Tenor der Urteilsbegründung war, dass eine gesetzliche Krankenkasse auch zur Kostenübernahme für eine neuartige Behandlung in den USA verpflichtet sein kann. Es wurde vom SG Bremen ausdrücklich festgestellt, dass eine Leistungsverpflichtung auch dann vorliegen kann, wenn zu der Behandlungsmethode noch keine Studien vorliegen, aber alle behandelnden Ärzte und Gutachter übereinstimmend davon ausgehen, dass die neue Behandlungsmethode alternativlos ist. Dies soll nach diesem Urteil unabhängig von der Höhe der Kosten gelten.
Schon 2012 hatte das BSG eine häufig zitierte Entscheidung zu eine Reha-Maßnahme im Ausland getroffen (06.03.2012 - B 1 KR 17/11 R.), der folgende Leitsätze zu entnehmen waren:

1. Leistungen der medizinischen Reha im Ausland (außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz) kommen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen nur unter der Voraussetzung eines qualitativen oder quantitativen Versorgungsdefizits in Betracht und nicht schon dann, wenn sie dort wirtschaftlicher ausgeführt werden können.
2. Ein Versicherter kann Erstattung der Kosten einer nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse nur im Ausland möglichen Behandlung ohne vorangegangene Entscheidung der Krankenkasse beanspruchen, wenn sie unaufschiebbar ist oder die Krankenkasse ihn durch Irreführung davon abgehalten hat, seine Obliegenheiten zu beachten.

Zum Weiterlesen:



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