Erstellt am 15 Dec 2020 15:11
Zuletzt geändert: 15 Dec 2020 16:52
Migränerton® ist ein Arzneimittel der Firma Riemser, das in Deutschland zugelassen ist zur Behandlung von Kopfschmerzen mit Schwindel, Übelkeit und Erbrechen bei Migräneanfall (Fachinfo-PDF: Migränerton®).
Die in Migränerton® enthaltenen Einzelwirkstoffe (500 mg Paracetamol, 5 mg Metoclopramid je Kapsel) sind auch einzeln zur Behandlung von Kopfschmerzen (Paracetamol) bzw. Übelkeit und Erbrechen (Metoclopramid) zugelassen.
Metoclopramid wirkt, ebenso wie das Antiemetikum Domperidon, generell im ZNS und spezifisch an der Area postrema in der Rautengrube - und damit an dem so genannten Brechzentrum. Metoclopramid ist sowohl ein D2-Antagonist als auch ein 5-HT3-Rezeptor-Antagonist, wodurch die antiemetische Wirkung unterstützt wird.
Die Kombination eines Analgetikums mit dem Antiemetikum Metoclopramid zur Behandlung der akuten Migräne erscheint aus pharmakologischer Sicht sinnvoll. Metoclopramid bewirkt eine Beschleunigung der Aufnahme und des Wirkungseintritts von Paracetamol. Dadurch besteht eine - im Vergleich zur Monotherapie - bessere Wirksamkeit von Paracetamol bei Migräne mit Übelkeit.
Die kombinierte Aufnahme der Wirkstoffe in fixer Dosierung und galenischer Zubereitung bietet Vorteile gegenüber der parallelen Einnahme von jeweils zwei verschiedenen Präparaten, die nicht immer in einer optimalen mengenmäßigen Mischung und in optimierter zeitlicher Abfolge gelingt.
Die Leitlinie "Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft e.V. spricht folgende Empfehlungen zum Einsatz von Metoclopramid bei akuter Migräne aus:
- Antiemetika wie Metoclopramid oder Domperidon wirken bei der Behandlung von Übelkeit und Erbrechen im Rahmen einer Migräneattacke.
- Metoclopramid hat eine geringe eigenständige Wirkung auf die Kopfschmerzen bei einer Migräneattacke.
- Prokinetische und antiemetische Medikamente sollten nicht generell mit Analgetika oder Triptanen kombiniert, sondern zur gezielten Behandlung von starker Übelkeit oder Erbrechen eingesetzt werden.
Evidenz, Leitlinien
- Gemäß Leitlinie "Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft e.V. ist es belegt, dass eine Kombination von 1000 mg Paracetamol und Coffein vergleichbar der Gabe von 50 mg Sumatriptan ist und eine Kombination von 900 mg ASS und Metoclopramid vergleichbar der Gabe von 100 mg Sumatriptan.
- Ein direkter Vergleich zwischen Migränerton® (500 mg Paracetamol in Kombination mit Kombination mit jeweils 5 mg Metoclopramid bei 1 Kapsel oder ggf. doppelte Menge bei 2 Kapseln) wurde bislang nicht durchgeführt. Die vorliegenden Daten lassen hier allerdings die begründete Vermutung zu, dass auch für diese Kombination eine vergleichsweise hohe Wirksamkeit im direkten Vergleich mit Sumatriptan nachgewiesen werden könnte.
Die Leitlinie empfiehlt explizit eine pharmazeutische Kombinationstherapie. Folgende Empfehlungen werden ausgesprochen:
- Die initiale Kombination eines Triptans mit einem lang wirkenden NSAR (z.B. Naproxen) wirkt besser als die einzelnen Komponenten und kann das Wiederauftreten der Migräneattacke zum Teil verhindern.
- Bei unzureichender Wirkung eines Triptans kann dieses mit einem rasch wirksamen NSAR kombiniert werden.
- Bei Patienten mit langen Migräneattacken und Recurrence bei Behandlung mit einem Triptan kann mit zeitlicher Latenz ein lang wirksames NSAR gegeben werden.
Zu einer Kombination von Paracetamol und Metoclopramid enthält die Leitlinie keine Aussage.
Sozialmedizinische Bedeutung
Gemäß Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie kann Migränerton® nicht auf Kassenrezept verordnet werden, denn Punkt 6 dieser Anlage enthält folgenden Eintrag:
"Analgetika in fixer Kombination mit nicht analgetischen Wirkstoffen - Verordnungseinschränkung verschreibungspflichtiger Arzneimittel nach dieser Richtlinie."
Das bedeutet, nach Arzneimittel-Richtlinie, Anlage III ist die Verordnung von Migränerton® ausgeschlossen, weil in diesem Präparat ein Analgetikum (Paracetamol) mit einem Nicht-Analgetikum (Metoclopramid; ein Antiemetikum mit hoher ZNS-Gängigkeit) kombiniert ist.
Für Patienten mit Migräne und Kopfschmerzen, die mit Schwindel, Übelkeit und Erbrechen einhergehen, kann das Arzneimittel gegenüber eine Behandlung mit Triptanen oder NSAR erhebliche Vorteile bieten.
Auch wenn die spezifische Kombination aus Paracetamol und Metoclopramid nicht in der oben zitierten Leitlinie erwähnt wird, kann aus den dort dargelegten Daten geschlossen werden, dass die Kombination vergleichbare Vorteile bieten könnte wie eine Kombination aus Paracetamol und Coffein oder von ASS und Metoclopramid.
Im Hinblick auf die Arzneimittel-Richtlinie, Anlage III, sind auch die, explizit in der Leitlinie "Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft e.V. empfohlenen Arzneimittel-Kombinationen in Form von Kombinations-Präparaten keine Kassenleistungen.
Siehe auch in diesem Wiki
Alle Darstellungen medizinischer Sachverhalte, Erkrankungen und Behinderungen und deren sozialmedizinische Einordnung und Kommentierungen hier im Wiki dienen nicht einer "letzt begründenden theoretisch-wissenschaftlichen Aufklärung", sondern sind frei nach Karl Popper "Interpretationen im Licht der Theorien."
Zitat nach: Bach, Otto: ''Über die Subjektabhängigkeit des Bildes von der Wirklichkeit im psychiatrischen Diagnostizieren und Therapieren''. In: Psychiatrie heute, Aspekte und Perspektiven, Festschrift für Rainer Tölle, Urban & Schwarzenberg, München 1994, ISBN 3-541-17181-2, (Zitat: Seite 1)
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