Diphenylcyclopropenon (DPCP oder DCP)

Erstellt am 14 Jan 2022 14:17
Zuletzt geändert: 14 Jan 2022 14:46

Wirkprinzip, Substanzklasse

Diphenylcyclopropenon (DPCP oder DCP) ist, ebenso wie z. B. Quadratsäuredibutylester (SADBE) ein Kontaktsensibilisator zur Immunmodulation.

Nach erstmaligem Kontakt mit DPCP kommt es zu einer Sensibilisierung mit Antigenpräsentation und Ausbildung spezifischer T-Gedächtniszellen, welche bei wiederholter Exposition nach 24-48 Stunden eine verzögerte Immunantwort auslösen. (Dyrendom 2014)

DPCP scheint die Aktivität von regulatorischen T-Zellen zu beeinflussen. Bei Patienten mit Alopecia areata zeigte sich nach Behandlung mit DPCP eine Zunahme an Il-2 und Il-10, zweier wichtiger Zytokine, die mit der T-Zell-Regulation assoziiert sind. (Tavakolpour 2016)
Nach einer dreitägigen Sensibilisierung von Mäusen mit 0,1%igem und 0,01%igem DPCP und anschließender achtwöchiger Behandlung zeigte sich im Experiment ein Anstieg von CD19-positiven B-Zellen in Milz und Lymphknoten der Ohrregion, sowie ein Anstieg von CD9 in B-Zellen und CD8-positiven T-Zellen in Milz und Lymphknoten der Ohrregion und Pankreasregion, was auf eine vermehrte Aktivität dieser beiden Zellreihen hindeutet. (Dyrendom 2014)

Therapeutische Anwendung bei Menschen

Die Durchführung der Therapie mit DPCP beim Menschen gestaltet sich beispielsweise so, dass nach initialer Sensibilisierung mit einer 2%igen Lösung die weitere Applikation durch die Patienten zu Hause zweimal wöchentlich in ansteigender Konzentration durchgeführt wird, bis der Patient eine milde Hautreaktion aufweist. (Chiang 2014)
So werden insbesondere schwere Formen der Alopecia areata seit über 25 Jahren behandelt. Laut Aussagen der Fachliteratur bzw. der, bezüglich der vorliegenden Erkrankung maßgeblichen Fachkreise, stellt Diphenylcyclopropenon (DCP/DPCP) einen Behandlungsstandard in der Behandlung der Alopecia areata dar, die auf eine Behandlung mit Glukokortikoide nicht ausreichend angesprochen haben und die aufgrund des Schweregrades der Ausprägung eine medizinische Behandlung benötigen.

In einer, 2014 publizierten, retrospektiven Studie mit 50 Patienten konnte bei 71% der Patienten mit Alopecia areata totalis bei einer durchschnittlichen Therapiedauer von 8,4 Monaten und bei 56% der Patienten mit Alopecia areata universalis bei einer durchschnittlichen Therapiedauer von 20 Monaten ein Haarwuchs von ≥50% erzielt werden. 20 % der Patienten zeigten kein Ansprechen (0-10% Haarwuchs) auf DPCP.
Als Nebenwirkungen traten bei 22% der Patienten Juckreiz, bei 22% Dermatitis, bei 22% leichte Bläschenbildung und bei 20% eine leichte Lymphadenopathie
auf, welche gut mittels Kühlen, topischen und ggf. oralen Steroiden und Reduktion der DPCP-Dosis kontrolliert werden konnten. (Chiang 2014)

Arzneimittelrechtliche / legale Situation

Aus der gesamten Arzneimittelgruppe der Kontaktsensibilisatoren zur Immunmodulation gibt es keine in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimittel, somit auch kein zugelassenes Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Diphenylcyclopropenon (DPCP).

DPCP kann synthetisch hergestellt werden. Dem Deutschen Arzneimittel-Codex und Neuen Rezeptur-Formularium (DAC/NRF) sind zu Diphenylcyclopropenon Rezepturhinweise zu entnehmen. Danach existiert keine Arzneibuch-Monographie von Diphencypron / Diphenylcyclopropenon als Grundlage einer standardisierten, qualitätsgeprüften Rezeptur (Magistralrezeptur).
Eine Individual-Rezepturherstellung ist aber gemäß apothekenrechtlichen und arzneimittelrechtlichen Vorgaben möglich.

Aus sozialmedizinischer Sicht ist von Interesse, dass in der Vergangenheit die Behandlung mit Diphencypron / Diphenylcyclopropenon von einigen sozialmedizinischen Experten, unter Hinweis auf fehlende arzneimittelrechtliche Prüfung und fehlende Evidenz, als individueller Heilversuch eingestuft worden war, der aus Gründen des Patientenschutzes durch eine Ethikkommission überprüft werden sollte.
Nach Kenntnis der unterzeichnenden Gutachterin wurden vor diesem Hintergrund in der Vergangenheit mehrfach positive Voten durch die Ethikkommission des Klinikums der Philipps-Universität Marburg für diese Therapie ausgesprochen.

Literatur

  • Dyrendom J, Carina S, Dall M, Buschard K, Johansen JD. Systemic immunogenicity of para-Phenylenediamine and Diphenylcyclopropenone : two potent contact allergy-inducing haptens. Immunol Res. 2014;58(1):40-50. doi:10.1007/s12026-013-8482-z.
  • Tavakolpour S, HR M, Daneshpazhooh M, Rahimzadeh G. Complex Interaction Between Diphenylcyclopropenone and Immune Responses in Alopecia Areata. Scand J Immunol. 2016;84(5):310-311. doi:10.1111/sji.12469.
  • Chiang K, Atanaskova Mesinkovska N, Amoretti A, Piliang MP, Kyei A, Bergfeld WF. Clinical efficacy of diphenylcyclopropenone in alopecia areata: Retrospective data analysis of 50 patients. J Am Acad Dermatol. 2014;71(3):595-597. doi:10.1016/j.jaad.2014.04.036.

WebLinks

Siehe auch in diesem Wiki


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Zitat nach: Bach, Otto: ''Über die Subjektabhängigkeit des Bildes von der Wirklichkeit im psychiatrischen Diagnostizieren und Therapieren''. In: Psychiatrie heute, Aspekte und Perspektiven, Festschrift für Rainer Tölle, Urban & Schwarzenberg, München 1994, ISBN 3-541-17181-2, (Zitat: Seite 1)
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