NUB - Definition

Erstellt am 04 Jul 2011 15:05 - Zuletzt geändert: 24 Aug 2023 19:19

Abgrenzung Alltagssprache

Im Unterschied zur Umgangssprache bedeutet im Sozialrecht die Zuordnung einer Untersuchungsmethode oder eines Behandlungsverfahrens zu einer "Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB)", dass es sich um eine Leistung handelt, die formal nicht im (Regelfall-)Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) enthalten ist.
Daher können auch sehr alte und schon lange bekannte Methoden, wie z.B. die Akupunktur, in bestimmten Indikationen sozialrechtlich als "NUB" anzusehen sein.

Die generelle Ausgrenzung von "NUB" aus dem Katalog der medizinischen Leistungen, die von den Gesetzlichen Krankenkassen im Regelfall bezahlt werden und auf die gesetzliche Krankenversicherte einen Anspruch haben, betrifft fast nur den ambulanten, "vertragsärztlichen" Bereich.

Gesetzliche Regelung

Grundsätzlich ist zwischen "neuen Leistungen" und "Neuen Methoden nach § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V" zu unterscheiden.

Laut § 87 Abs. 3e Satz 1 und 4 SGB V ist es Aufgabe des Bewertungsausschusses, neue Leistungen in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufzunehmen. Dabei muss der Bewertungsausschuss ein Einvernehmen mit dem obersten Gremium der Gemeinsamen Selbstverwaltung im GKV-System, dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) herstellen. Das bedeutet, wenn der G-BA der Aufnahme einer Leistung widerspricht, weil er diese für eine neue Methode hält, kann die Leistung nicht in den EBM aufgenommen werden.

Der Gemeinsame Bundesausschuss kann eine Bewertung einer Methode nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur beginnen, wenn ein entsprechender Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen auf ein Bewertungsverfahren im G-BA (und an den G-BA) gestellt wird.

Zu "Neuen Methoden" hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) weitere Bestimmungen in seiner Verfahrensordnung (VerfO) formuliert. Dort heißt es im 2. Kapitel: "Bewertung medizinischer Methoden sowie Erprobung" und dort im 1. Abschnitt ("Allgemeine Bestimmungen zum Bewertungsverfahren") unter "Neue Methode":

(1) Als "neue" Untersuchungs- und Behandlungsmethode für die Zwecke des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V können nur Leistungen gelten,
a) die nicht als abrechnungsfähige ärztliche oder zahnärztliche Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) oder Bewertungsmaßstab (BEMA) enthalten sind oder
b) die als Leistungen im EBM oder im BEMA enthalten sind, deren Indikation oder deren Art der Erbringung …, aber wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfahren haben.
(2) Bestehen Zweifel, ob es sich um eine "neue" Methode im Sinne der vorangehenden Definition handelt, so ist eine Stellungnahme des Bewertungsausschusses gemäß § 87 SGB V einzuholen.
[...]
§ 2a Einvernehmen mit dem Bewertungsausschuss zur Einordnung als Methode
(1) Der für die vertragsärztlichen Leistungen zuständige Bewertungsausschuss ist gemäß § 87 Absatz 3e SGB V verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss hinsichtlich einer neuen Leistung auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob die Aufnahme der neuen Leistung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab in eigener Zuständigkeit des Bewertungsausschusses beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue Methode handelt, die gemäß § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V zunächst einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf.
(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss erhält vom Bewertungsausschuss das Ergebnis seiner Prüfung, die für die Beurteilung relevanten Gründe, sowie die vom Auskunftsberechtigten eingereichten Unterlagen. … Die vom Bewertungsausschuss an die Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses vollständig übermittelten Auskunftsverlangen sind innerhalb von 3 Monaten nach deren Eingang zu bewerten.
(3) Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft, ob es sich bei der angefragten Leistung um eine neue Methode handelt, die gemäß § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V zunächst einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf.
(4) Zur Prüfung des Einvernehmens stützt sich der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere auf die vom Bewertungsausschuss übermittelten Unterlagen; er ist nicht zur Amtsermittlung verpflichtet.
(5) Maßgeblich für die Einschätzung, dass es sich um eine neue Methode im Sinne von § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V handelt, ist, ob die angefragte Leistung auf einem eigenen theoretisch-wissenschaftlichen Konzept beruht, welches sich in Wirkprinzip oder Anwendungsgebiet wesentlich von den theoretisch-wissenschaftlichen Konzepten der bereits in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen erbringbaren Methoden unterscheidet. Die Regelungen in § 31 Absatz 3 bis 6 finden entsprechende Anwendung.
(6) Über das Einvernehmen entscheidet der zuständige Unterausschuss mit den nach § 91 Absatz 2a Satz 4 SGB V geregelten Stimmrechten. Wird das Einvernehmen nicht erteilt, werden auch die Gründe, aus denen die Einschätzung des Gemeinsamen Bundesausschusses abweicht, dem Bewertungsausschuss mitgeteilt. … Das Antragserfordernis nach § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V bleibt auch dann bestehen, wenn einvernehmlich die Auskunft gegeben wurde, dass es sich um eine neue Methode handelt.
(7) Innerhalb von drei Monaten nachdem die Ablehnung des Einvernehmens durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bei der Geschäftsführung des Bewertungsausschusses eingegangen ist, werden der Bewertungsausschuss und der Gemeinsame Bundesausschuss das Einvernehmen zur Zuständigkeit bezüglich des Auskunftsersuchens herstellen. Die Geschäftsführung des Bewertungsausschusses koordiniert dieses Verfahren und überwacht insbesondere die Einhaltung der Frist.

(Quelle: Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses; im Internet hier verfügbar: https://www.g-ba.de/richtlinien/42/)

Da die Verfahrensordnung sehr deutlich macht, dass ohne einen Antrag der hierzu Berechtigten (Unparteiische nach § 91 Abs. 2 Satz 1 SGB V, Vertreter von KBV, KV, GKV-SV im G-BA) keine Leistung als neue Methode gemäß § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V vom G-BA bewertet wird, könnte möglicherweise eine, einvernehmlich als "neue Methode" eingestufte Leistung, mangels erfolgreichem Antrag dennoch ohne Bewertungsverfahren bleiben.
Erst wenn ein erfolgreicher Antrag (erneut) gestellt wurde, kann die Bewertung als "neue Methode" im Sinne des § 135 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB V begonnen werden.
Bis dahin wäre eine entsprechende Leistung, soweit man dies dem Gesetz und der Verfahrensordnung des G-BA entnehmen kann, formal nur eine Leistung, die nicht über die Abrechnungskataloge der vertragsärztlichen Versorgung (EBM oder BEMA) abgerechnet werden kann. Dem SGB V und der Verfahrensordnung des Bewertungsausschusses sowie der Verfahrensordnung G-BA sind keine Ausführungen zur sozialrechtlichen Einordnung solcher Leistungen bzw. Methoden zu entnehmen.

Die Einstufung als "NUB" kann im Übrigen vom G-BA (einseitig) geändert werden, wenn dem G-BA zu einem späteren Zeitpunkt neue Erkenntnisse vorliegen. Das bedeutet, auch z.B. eine einvernehmlich von G-BA und Bewertungsausschuss vorgenommene Einordnung einer Leistung als "NUB" muss keinen Bestand haben. Wenn es im Fall einer solchen Leistung nicht zu einem Bewertungsverfahren kommt, so muss das also nicht zwangsläufig bedeuten, dass es sich um eine Methode im Sinne des § 135 SGB V handelt - auch, wenn diese Feststellung nach Einvernehmen von G-BA und Bewertungsausschuss zeitweise zutraf (siehe Tragende Gründe zum Beschluss vom 18.07.2019).
So wurde vom G-BA am 18.07.2019 ausgeführt:

"Stellt also der Auskunftsberechtigte nach einvernehmlicher Auskunft, es handele sich bei der von ihm vorgelegten Leistung um eine neue Methode, einen Antrag nach § 137e Absatz 7 SGB V, kann der Gemeinsame Bundesausschuss neben anderen Erwägungen auch eine Erprobung ablehnen mit der Begründung, es liege keine neue Methode vor, wenn er zu diesem Zeitpunkt über neue Erkenntnisse verfügt, welche der Auskunftsberechtigte bei Ersuchen um Auskunft im Rahmen des Verfahren nach § 87 Absatz 3e SGB V nicht vorgelegt hat."

Zum Begriff "eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept" verweist § 2a Abs. 6 in Abschnitt 1 des Kapitel II der Verfahrensordnung (VerfO) des G-BA auf die Regelungen in § 31 Absatz 3 bis 6 der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Diese Regelungen finden sich im 8. Abschnitt (Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse) unter der Überschrift Definitionen eines neuen theoretisch-wissenschaftlichen Konzepts im Sinne von § 137h Absatz 1 Satz 2 SGB V. Dort heißt es u.a.:

(1) Eine Methode weist ein neues theoretisch-wissenschaftliches Konzept im Sinne von § 137h Absatz 1 Satz 2 SGB V auf, wenn sich ihr Wirkprinzip oder ihr Anwendungsgebiet von anderen, in der stationären Versorgung bereits eingeführten systematischen Herangehensweisen wesentlich unterscheidet.
(2) 1Als eine bereits in die stationäre Versorgung eingeführte systematische Herangehensweise gilt jede Methode, deren Nutzen einschließlich etwaiger Risiken im Wesentlichen bekannt ist. ²Wird eine Methode in jeweils einschlägigen methodisch hochwertigen Leitlinien oder anderen systematisch recherchierten Evidenzsynthesen als zweckmäßiges Vorgehen empfohlen, kann die Beurteilung insbesondere hierauf gestützt werden. ³Als eine bereits in der stationären Versorgung eingeführte systematische Herangehensweise gilt auch eine Methode, die maßgeblich auf Operationen oder sonstigen Prozeduren beruht, die spezifisch in dem vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit gemäß § 301 Absatz 2 Satz 2 SGB V herausgegebenen Prozedurenschlüssel in der am 23. Juli 2015 geltenden Fassung aufgeführt sind.
(3) Ein theoretisch-wissenschaftliches Konzept einer Methode ist die Beschreibung einer systematischen Anwendung bestimmter, auf eine Patientin oder einen Patienten einwirkender Prozessschritte (Wirkprinzip), die das Erreichen eines diagnostischen oder therapeutischen Ziels in einer spezifischen Indikation (Anwendungsgebiet) wissenschaftlich nachvollziehbar erklären kann.
(4) Das Wirkprinzip einer Methode unterscheidet sich wesentlich von einer bereits eingeführten systematischen Herangehensweise, wenn der Unterschied in den beschriebenen Prozessschritten

1. dazu führt, dass der theoretisch-wissenschaftliche Begründungsansatz der eingeführten systematischen Herangehensweise nicht ausreicht, um den mit dem Einsatz der zu untersuchenden Methode bezweckten diagnostischen oder therapeutischen Effekt zu erklären und ihre systematische Anwendung zu rechtfertigen, oder
2. zu einer derart veränderten Form der Einwirkung auf die Patientin oder den Patienten führt, dass eine Übertragung der vorliegenden Erkenntnisse zum Nutzen einschließlich etwaiger Risiken der bereits eingeführten systematischen Herangehensweise auf die zu untersuchende Methode medizinisch wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen ist.

(5) Das Anwendungsgebiet einer Methode unterscheidet sich wesentlich von einer bereits eingeführten systematischen Herangehensweise mit gleichem Wirkprinzip, wenn

1. der Unterschied in der spezifischen Indikation dazu führt, dass der theoretisch-wissenschaftliche Begründungsansatz der eingeführten systematischen Herangehensweise nicht ausreicht, um den mit dem Einsatz in der zu untersuchenden spezifischen Indikation bezweckten diagnostischen oder therapeutischen Effekt zu erklären und die systematische Anwendung in dieser Indikation zu rechtfertigen, oder
2. bei der zu untersuchenden spezifischen Indikation im Unterschied zu der spezifischen Indikation der bereits eingeführten systematischen Herangehensweise eine derart abweichende Auswirkung zu erwarten ist oder bezweckt wird, dass eine Übertragung der vorliegenden Erkenntnisse zum Nutzen einschließlich etwaiger Risiken der bereits eingeführten systematischen Herangehensweise auf die zu untersuchende spezifische Indikation medizinisch-wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen ist.


Im Krankenhaus werden Methoden erst dann zur grundsätzlich sozialrechtlich vom Leistungsgeschehen ausgeschlossenen "NUB", wenn sie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, nach Prüfung und Bewertung explizit ausgeschlossen wurden. Davon unabhängig können aber auch im Krankenhaus Methoden (einschließlich Arzneimittel) wegen Unwirtschaftlichkeit oder negativer Nutzenabschätzung (weil sie nicht dem fachlichen Standard entsprechen; nur von sehr vereinzelten "Anhängern" der Methode vertreten werden…) sozialmedizinisch negativ bewertet werden.

Siehe auch in diesem Wiki:

Erlaubnisvorbehalt - Methoden - NUB im ambulanten Bereich - NUB im Krankenhaus - Wann ist eine Methode eine NUB?



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